Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Österreichs Kriegsmarine in Fernost

Rezension einer Neuerscheinung 2013
 

Donko»Ich habe mich schon seit meiner frühen Jugend sehr intensiv mit dem Thema Marine befasst. Schiffe haben mich seltsam begeistert. Seit meiner Studentenzeit kommt dazu meine Liebe zu Ostasien, wo ich seither ein Jahrzehnt meines Lebens verbracht habe. Und geschrieben habe ich immer gerne" – mit dieser sympathischen Einlassung, die dem Redakteur aus der Seele spricht, beginnt das Vorwort des Verfassers.

Er habe, so fährt Donko fort, »über nur wenige historische Themen ... in Gesprächen mit gebildeten Menschen so viel Unkenntnis und Missverständnisse erlebt wie über die Marinegeschichte Österreichs.« Tatsächlich ist trotz einiger verdienstvoller Veröffentlichungen die Rolle Österreichs als Seemacht weitgehend unbekannt, zumal in der Verbindung mit Ostasien/Fernost. Immerhin ist denen, die sich mit dem Thema »Tsingtau 1914« befassen, der Name des österreichisch-ungarischen Kreuzers Kaiserin Elisabeth durchaus geläufig. Dass aber während des »langen 19. Jahrhunderts« 22 Schiffe der Donaumonarchie insgesamt 48-mal Ostasien besucht haben, war kaum jemandem bekannt. (Auch dem Redakteur nicht.)

Den ersten Hauptteil des Buches (S. 17-198) bilden »Allgemeine Anmerkungen zur Geschichte der österreichischen Kriegsmarine und ihres Einsatzes in Ostasien und Ozeanien«. Darin wird auch die Verteidigung von Tsingtau relativ ausführlich behandelt (S. 140-172). Im zweiten Hauptteil (S. 199-417) werden die 22 Schiffe und ihre Fahrten eingehend beschrieben, darunter auch Kaiserin Elisabeth (S. 295-316), die zwischen 1892 und 1914 insgesamt 6-mal nach Ostasien gefahren ist und deren Wrack heute noch im Tsingtauer Hafen liegt.

Der Buchumfang – insgesamt 452 Seiten! – ist vor allem auch der Vielzahl von Fotographien zu den Ereignissen und Schiffen geschuldet, die in dieser Zusammenstellung sicherlich einmalig ist.

Wenngleich das Buch quasi enzyklopädischen Charakter hat, lässt es Donko an einer kritischen Würdigung nicht fehlen. Seine Bewertung der k.u.k.-Präsenz in Ostasien ist nüchtern: »Was die Kampfkaft bzw. den strategischen Wert der verwendeten Schiffe angeht, muss man von einer eher symbolischen Mission ausgehen, d.h. maritime Präsenz, Zeigen der Flagge und der Möglichkeit, im Ernstfall etwas mit dem Säbel zu rasseln. Die de facto permanente Präsenz österreichischer Kriegsschiffe in Fernost entsprach im Sinne des Zeitgeistes dem Verständnis einer europäischen Großmacht, entsprach aber nicht der strategischen Aufrechterhaltung von klassischer Seemacht in Übersee« (S. 194 f.). Und im Übrigen sei »die Geschichte von der jahrhundertelangen maritimen Geschichte Österreichs als Seemacht ... eine Mär« (S. 197), ein Mythos.

Insoweit sei die Differenz zum preußisch-deutschen Kaiserreich auch nicht sonderlich groß (S. 420 ff.): Man wollte einerseits »auch in Übersee mit mächtigen Kriegsschiffen präsent sein«, aber andererseits »keine allzu wertvollen Schiffe stationieren, oder besser gesagt, [im Konfliktfall] aus Prestigegründen opfern. ... Als Kompromiss schickte man gute, große, aber eben nicht mehr für die Heimatflotte wirklich brauchbare Einheiten nach Fernost, dazu ein paar halbwegs moderne Kreuzer«, eben das sogenannte Kreuzergeschwader. »Aber mehr als das Zeigen der Flagge einer Großmacht in Friedenszeiten war auch für Deutschland gegen das seebeherrschende England nicht möglich.«

Dass der Autor ein Freund klarer Worte ist, zeigt auch sein Umgang mit dem Begriff »Seemacht« (S. 426). Er zitiert einen Wikipedia-Artikel: »Seemacht ist ein Staat, der über eine ausgewogene Flotte und seestrategische Positionen verfügt. Dabei ist Seemacht ein Produkt aus Flotte und seestrategischer Position. Ist in dieser Kalkulation ein Faktor Null, dann ist auch das Produkt Seemacht Null.« Das Resümee des Autors lautet deshalb: »In diesem Sinne war nicht nur die maritime Präsenz von Österreich-Ungarn in Fernost, sondern auch jene des Deutschen Reiches mit einem strategischen Faktor Null zu bewerten, wie schon die ersten Kriegswochen 1914 gezeigt haben.«

Das Inhaltsverzeichnis ist auf der Internet-Präsenz des Verlags einsehbar.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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