Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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»Gefangen am anderen Ende der Welt –

Deutsche im Erstem Weltkrieg in Ostasien und Australien«
 

DannemannInhaltsangabe (auf der 4. Umschlagseite): »[...] In den von England beherrschten Gebieten wurden ab 1916 alle Gefangenen nach Australien verbracht, während die vom deutschen Pachtgebiet Kiautschou ... gegen die Japaner kämpfenden Soldaten nach der verlorenen Schlacht im November 1914 in verschiedenen Lagern des asiatischen Inselstaates inhaftiert wurden; davon ausgenommen waren kriegsverletzte Frontkämpfer, die [...] zunächst nach Hongkong und dann nach Australien verfrachtet wurden. [...] Die Deutschen nutzten, sowohl in Japan als auch in Australien, die Zeit und entwickelten viele kulturelle und gesellschaftliche Aktivitäten. Einen großen Raum nahm das Theaterspiel ein, es bildeten sich Orchester, Sprachgemeinschaften und auch der Sport kam nicht zu kurz. In einigen Camps wie zum Beispiel im Hauptlager Bando in Japan, aber auch in Holdsworthy in Australien blühte der ›Handel‹, indem die Internierten innerhalb des Lagers kleine ›Geschäfte‹ eröffneten [...] Anders als ihre Landsleute im Deutschen Reich genossen sie, fern der Heimat, ein relativ sorgenfreies Leben.«

Autor: Gerhard Dannemann war zunächst Seemann (zuletzt Kapitän auf Großer Fahrt) und von 1969 bis 1999 Lehrer an Hamburger Gymnasien.

[Norderstedt:] Books on Demand 2018. Broschiert. 288 Seiten. ISBN 978-3-7460-4595-5. 18,95 €.


1. Inhalt und Kernaussage

Der Untertitel des Buches hat den Rezensenten ›aufgeschreckt‹, deutet er doch an, dass es sich hier um eine umfassende Darstellung der Erlebnisse der Deutschen im Fernen Osten zwischen 1914 und 1918 handelt. Das ist jedoch nicht der Fall, vielmehr konzentriert sich der Verfasser auf die Internierung deutscher Soldaten und vieler Zivilisten im britischen Machtbereich. Herausgekommen ist eine relativ dichte Beschreibung vor allem der Geschehnisse in Hongkong und in Australien bis zur Repatriierung 1919. Im Einzelnen geht es um Folgendes:

Im Vorwort vom 07.04.2018 zitiert der Verfasser seinen Großvater, Prof. Friedrich Dannemann: Das Schicksal habe es gefügt, »dass die politische Führung des Deutschen Reiches 1890 in die unfähigsten Hände glitt. Es war eine Politik des großen Maules und des Säbelrasselns, die damals von oben herunter gemacht wurde und die von dort aus leider auch in immer weitere Volkskreise eindrang« und endlich zum Krieg 1914/1918 führte. – Dem ist nichts hinzuzufügen!


2. Quellen und Sekundärliteratur

Dankenswerterweise bedient sich der Verfasser in hohem Maße ausgewählter autobiographischer Aufzeichungen, die meistens undatiert sind, an deren Glaubwürdigkeit aber kein Zweifel besteht, sowie der in den Lagern entstandenen Literatur; Beispiel: die Lagerzeitschrift »Kampspiegel« als Gegenstück zur Bandoer »Baracke«. Ein Paradestück ist die Heranziehung von Fotographien aus der nachmals berühmten »Sammlung Dubotzki«, wie auch insgesamt die Illustrierung zu loben ist.

Die gängige Sekundärliteratur wird genannt, was Australien betrifft (siehe etwa Gerhard Fischer), jedoch fließt sie eher unmerklich in den Text ein, was dem Verfasser nicht angekreidet werden soll.


3. Anmerkungen zum Inhalt

Entstanden ist ein Lese-Buch, dessen Stärke nicht in der wissenschaflichen Durchdringung einer bestimmten historischen Episode besteht, sondern in der Darstellung menschlicher Schicksale. Mit Wertungen hält sich der Autor zurück; dass die Gefangenen tatsächlich »ein relativ sorgenfreies Leben (genossen)« (siehe oben), mag dahinstehen, soll hier aber nicht diskutiert werden. Die Erzählweise ist gefällig, Stolpersteine fehlen.

Der Rezensent hat naturgemäß vor allem jene Passagen des Buches intensiver studiert, die Tsingtau/Japan betreffen oder wenigstens berühren. Wie schon erwähnt, wird dieses Thema insgesamt nur randständig behandelt, sozusagen der Vollständigkeit halber. In diesem Buchteil finden sich auch die meisten sachlichen Fehler, deren Zahl darauf hindeutet, dass kein Lektorat zur Verfügung stand.
 
SeiteDarstellungKommentar/Richtigstellung
28Eduard Meyers SöhneSohn Gerhard, auch in Japan gefangen, fehlt.
36internierte Melchers-MitarbeiterIn Japan Internierte werden nicht erwähnt.
103Meyer-Waldeck (1833-1905)Richtig: 1864-1928.
103japanische VerlusteHier wird die längst widerlegte Zahl von »10.000 bis 15.000 Mann« kolportiert; richtig: etwa 1.000 Tote, um 2.000 Verwundete.
103»Adlernest« als »wichtigste Befestigungsanlage« Das A. war ein reiner Beobachtungsposten, wie auch der zitierte Max Bunge geschrieben hat (S. 104), und bar jeder Befestigung.
102Pachtvertrag vom 29. April 1898Vertragsabschluss war am 6.3.1898, am 29.4. wurde das Gebiet zum »Schutzgebiet« erklärt.
103die »ostasiatische Marineeinheit«Gemeint wohl: das »Ostasiatische Marine-Detachement«.
108»15 Straflager« in JapanRichtig: 12 Gefangenenlager.
108»396 Gefangene« in MatsuyamaFalsche Zahl aus Rüfer/Rungas S. 57; richtig: 415!
109in Bando »am Ende insgesamt 938 Zivilisten«Anfangs (!) waren es 938, 1919 über 1000, keineswegs alles Zivilisten; der Hinweis auf Kurume und Narashino ist nicht nachvollziehbar.
111»Leitung von Paul Engel«Richtig: Hermann Richard Hansen.
111Goethes »Faust« in Bando gespielt»Faust« wurde 1919 als Puppenspiel (!) dargeboten.


4. Anmerkungen zur Form

Die Erwartung, dass ein ehemaliger Lehrer in der Lage sein sollte, ein der Form nach einwandfreies Werk abzuliefern, wird im vorliegenden Fall erfüllt. Grammatik und Rechtschreibung sind in Ordnung, Schreibfehler sind die Ausnahme (siehe etwa S. 39: »8.« statt »4. August«; S. 103: »5.« statt »7. November«; S. 107: »3.400« statt »4.400«, S. 116: »30.« statt »28. Juni 1919«, S. 117: »Narashima« statt »Narashino«).
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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