Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Bando und das Weltdokumentenerbe

1. Besuch von Frau Dr. Hasegawa

Hasegawa Frau Dr. Sumiko Hasegawa hielt sich am 22.01.2018 – leider nur einen Abend lang – in Kutzhof auf. Sie ist seit Juli 2016 als Kuratorin der Sammlung im »Deutschen Haus« in Naruto-Bando tätig. Ihre Karriere hat sie in der Hauszeitschrift »Ruhe«, Ausgabe Nr. 16 vom März 2017 beschrieben:
Nach dem Universitätsabschluss »studierte ich drei Jahre Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut in Italien. Meine Dissertation schrieb ich über Bilderrahmen der italienischen Renaissance und forschte im Anschluss daran drei Jahre an der Universität Genf zur westlichen Kunstgeschichte. Nach meiner Rückkehr nach Japan arbeitete ich als Restauratorin und im Restaurationsmanagement für Kulturgüter der Stadt Nara.«
Die Hauptaufgabe von Frau Dr. Hasegawa besteht darin, die Nominierung der in Bando erhalten gebliebenen Quellen zur Aufnahme in das UNESCO-Weltkulturerbe vorzubereiten. »In Zukunft möchte ich mehr über den historischen Hintergrund des Kriegsgefangenenlagers Bando, die zeitgenössische Weltlage, die Politik des japanischen Staates und die Verhältnisse in Naruto sowie in anderen japanischen Kriegsgefangenenlagern in Erfahrung bringen, die deutsche Sprache erlernen und mich vom fachlichen Standpunkt der Kunstgeschichte und der Forschung zur Restaurierung und Konservierung von Kunst- und Kulturgut aus mit den Archivgütern des Deutschen Hauses auseinandersetzen, während ich zeitgleich auch die Optimierung der Konservierungsmaßnahmen für diese kostbaren Materialien im Deutschen Haus vorantreibe.«

Der kurze Abstecher nach Kutzhof diente vor allem dem Informationsaustausch über Dokumente, die sich in Bando und anderswo befinden, und über Möglichkeiten, den Bestand zu ergänzen. Frau Dr. Hasegawa bittet auch auf diesem Wege alle Nachkommen von Gefangenen aus Bando, eine Überlassung von Dokumenten an das Deutsche Haus (und damit an das Weltdokumentenerbe) in Betracht zu ziehen.


2. Aufnahme der Sammlung des »Deutschen Hauses« ins Weltdokumentenerbe

Die folgende Erklärung wurde am 27. Mai 2017 in Tokushima unterzeichnet:1

»Die Präfektur Tokushima und das Land Niedersachsen, sowie die Stadt Naruto und die Hansestadt Lüneburg haben die Absicht, bezüglich der Aufnahme der Dokumente und Materialien im Zusammenhang mit dem Kriegsgefangenenlager Bando in das UNESCO-Weltdokumentenerbe zusammenzuarbeiten.«

In der Presseerklärung heißt es weiter: »Alle Dokumente und Unterlagen werden aktuell wissenschaftlich untersucht und sollen schließlich Eingang in einen offiziellen Antrag finden, die Dokumente des Lagers Bando in das UNESCO-Weltdokumentenerbe aufzunehmen. Dieser soll im nächsten Jahr [d.h. 2018] gemeinsam bei der UNESCO eingereicht werden.« Federführend ist gemäß des Regeln des Weltdokumentenerbes die Seite, welche die Dokumente beherbergt, also die japanische.2

KatalogFrau Dr. Hasegawa konnte bei ihrem Besuch einen ganz neuen Katalog präsentieren, in welchem ein Teil der in Bando vorhandenen Dokumente verzeichnet und beschrieben ist.


3. Allgemeine Informationen zum Weltdokumentenerbe

Das Weltdokumentenerbe (»Memory of the World«) wurde 1992 von der UNESCO ins Leben gerufen. Die ehemalige Generalsekretärin Irina Bokova schrieb: »Zuviel von unserem Erbe geht verloren in der Hitze von Konflikten und durch die Verstrickungen und Wendungen der Geschichte. Zuviel liegt auch verborgen und unerreichbar in Bibliotheken, Museen und Archiven.«3 Nach den Worten ihres Amtsvorgängers Koichiro Matsuura ist es »ein Zeichen von Weisheit, das kulturelle Erbe wertzuschätzen, es als einen Schatz zu hüten, den unsere Vorfahren hinterlassen haben, und es als unsere Pflicht anzusehen, dieses Erbe unversehrt an unsere Kinder weiterzugeben.«4

BuchDie Abbildung links zeigt das 2012 zum 20-jährigen Bestehen des Weltdokumentenerbes veröffentlichte Buch, worin auf 799 Seiten alle bis dahin aufgenommenen 297 Dokumente gezeigt und erläutert werden.

Zum Verfahren: Mitgliedsstaaten können können alle zwei Jahre bis zu zwei Dokumente zum Eintrag in die Liste nominieren. Es kommt auch vor, dass zwei oder mehr Staaten gemeinsam eine Nominierung vornehmen; solche Gemeinschaftsnominierungen unterliegen keiner zahlenmäßigen Beschränkung.5

In das Weltdokumentenerbe können nicht nur Bücher, Urkunden und Handschriften, sondern auch Foto-, Film- und Tondokumente bzw. komplette Sammlungen mit Inhalten aller Art aufgenommen werden.
Über die Aufnahme entscheidet letztendlich – nach Beratung durch ein international besetztes Gremium – der Generaldirektor bzw. die Generaldirektorin der UNESCO.

Die ersten Dokumente wurden 1997 aufgenommen, die ersten beiden deutschen 20016, das erste japanische 2011. Nach dem Stand vom 01.01.2018 sind es insgesamt 427 Dokumente, wobei Deutschland unter den Staaten mit 24 Dokumenten den ersten Platz einnimmt.

Wichtig für Menschen, die an den Dokumenten interessiert sind: »Die Institutionen, die das Dokumentenerbe beherbergen, verpflichten sich, für die Erhaltung ihres dokumentarischen Erbes zu sorgen und den weltweiten Zugang mit Hilfe modernster Technologien zu ermöglichen.« Zur Bekräftigung dieser Verpflichtung haben die Institutionen einen entsprechenden »Managementplan« vorzulegen.7


4. Dokumente zu »Erster Weltkrieg/Kriegsgefangenschaft«

Insgesamt vier Dokumente, die bisher ins Weltdokumentenerbe aufgenommen wurden, haben Bezug zum Thema unseres Internetportals: Neben der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien vom 28.07.1914, einem Film über die Somme-Schlacht 1916 und den Tagebüchern des Feldmarschalls und Blutsäufers D. Haig ist vor allem zu nennen: das Kriegsgefangenen-Archiv des Internationalen Roten Kreuzes (1914-1923), aus dem der Redakteur dieser Seite viele wichtige Informationen entnehmen konnte.
 


5. Historische und politische Hintergründe

Welche Dokumente von den Staaten nominiert werden, entscheiden sie selbst bzw. die innerstaatlich dafür eingerichteten Komitees. In entsprechenden Kurzexposés sind bei der Nominierung Angaben zu machen zur Authentizität der Dokumente sowie zu deren

Soweit es sich um Dokumente zu historisch nicht umstrittenen Tatsachen handelt, ist die Gefahr der Ablehnung gering. So haben etliche Staaten ihre Unabhängigkeiterklärungen oder damit zusammenhängende Dokumente eingebracht. Aufsehenerregend war 2017 auch die deutscherseits bewirkte Aufnahme der »Tondokumente und Prozessakten des ersten Auschwitz-Prozesses« in das Weltdokumentenerbe.

Problematischer kann es bei Dokumenten werden, deren Inhalte direkt oder indirekt als »Anklage« gegen einen anderen Staat gewertet werden können. Beispiele von 2015:

Solche Verfahren, in denen nominierte Dokumente in die politische Sphäre bzw. in historische Bewertungsdiskussionen hineingezogen werden, enden bisweilen mit einem »do ut des« (»Wenn A, dann auch B...«), in einigen Fällen auch mit einer Ablehnung.8
 

Anmerkungen

1. Die Partnerschaft zwischen den Städten besteht seit 1972, die Partnerschaft zwischen Präfektur und Land seit 2007.

2. Siehe zum Antrags- bzw. Nominierungsverfahren den aktuellen »Leitfaden« der Deutschen UNESCO-Kommission (Bonn 2018).

3. Aus dem Vorwort von »Memory of the World« (siehe oben, S. 10).

4. Aus der Broschüre »Gedächtnis der Zukunft« (S. 6), 2010 herausgegeben von der Deutschen UNESCO-Kommission.

5. Beispiel: Autographen zum »Manifest der Kommunistischen Partei« und zu Band 1 des »Kapitals« wurden von den Niederlanden und Deutschland gemeinsam nominiert.

6. Die ersten deutschen Dokumente waren die 42-zeilige Gutenberg-Bibel und Beethovens Partitur-Handschrift der 9. Sinfonie.

7. Leitfaden (2018, S. 3).

8. Insoweit hat das Weltdokumentenerbe Anteil an den Problemen, welche die UNESCO als gesamte Organisation betreffen. Zur Erinnerung: 2017 haben die USA die Mitgliedschaft in der Organisation gekündigt, so wie das erstmals bereits 1983 geschah. Auch Großbritannien war zwischen 1997 und 2007 ausgetreten.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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