Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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"Alle Menschen werden Brüder" – Vortragsabend in Marburg

Dem Japan-Zentrum der Universität Marburg ist es in Zusammenarbeit mit der OAG gelungen, die im Herbst 2005 in Tokyo gezeigte Ausstellung mit Exponaten aus der Zeit der Gefangenschaft der deutschen Soldaten in Japan (1914-1920) nach Marburg zu holen, wo sie – nach Hamburg 2007 – ein zweites Mal hierzulande vorgestellt wird.

Aus diesem Anlass fand am 23.09.2009 ein Vortragsabend statt, zu dem der Hausherr, Bibliotheksdirektor Neuhausen, zahlreiche Gäste begrüßen konnte.
Die Geschäftsführende Direktorin des Japan-Zentrums, Frau Prof. Dr. Katja Schmidtpott, wies einleitend darauf hin, dass hierzulande kaum noch jemand wüsste, dass sich Japaner und Deutsche im Ersten Weltkrieg feindlich gegenüberstanden. Insoweit könnten die Exponate sicherlich dazu beitragen, die Wissenslücke zu füllen. Prof. Schmidtpott bedankte sich bei allen, die das Zustandekommen ermöglicht und gefördert haben.
 
Schmidtpott Meissner   Pauer

Prof. Schmidtpott mit Herrn Meissner, einem Sohn des prominenten Japankaufmanns Kurt Meissner, der sich während der Gefangenschaft als Dolmetscher, Autor und Übersetzer verdient gemacht hat; zwischen beiden im Hintergrund: Prof. Menkhaus.

 

Prof. Pauer

Im Zentrum des Abends standen drei Kurzvorträge von Japanologen, die jene historische Episode aus unterschiedlichen Perspektiven betrachteten.

Prof. em. Dr. Erich Pauer (Marburg) verlegte in seinem Vortrag "Der Deutsch-Japanische Krieg" die Gründe für den Angriff Japans auf das deutsche Pachtgebiet Kiautschou in die Zeit des Chinesisch-Japanischen Krieges (1894/95): Zusammen mit Frankreich und Russland hatte das Deutsche Reich seinerzeit durch die sog. "Triple-Intervention" die Japaner daran gehindert, größere Teile chinesischen Territoriums an sich zu bringen; die harsche Vorgehensweise der deutschen Diplomatie kränkte Japan seinerzeit tief, worauf es sich bald an Großbritannien anschloss und dieses Bündnis dazu nutzte, 1914 in den Krieg einzutreten.
Prof. Pauer skizzierte den Vormarsch der Japaner auf dem Festland und in der pazifischen Inselwelt, dem die Deutschen wenig entgegen zu setzen hatten. Der nur kurze Widerstand führte dazu, dass Japan auf die Unterbringung der Gefangenen nur unzulänglich vorbereitet war; die anfänglichen behelfsmäßigen Lager wurden aber nach und nach durch neue Barackenbauten ersetzt, in welchen es den Deutschen (und den mitgefangenen Kameraden aus Österreich-Ungarn) insgesamt vergleichsweise gut ging.

Bei seinen Ausführungen über "Die deutschen Soldaten in Tsingtau und Japan aus juristischer Perspektive" erinnerte Prof. Dr. Heinrich Menkhaus (Meiji-Universität Tokyo) zunächst an die freundschaftlichen Beziehungen, die sich seit 1860/61 zwischen beiden Völkern entwickelt hätten und erst 1895 nachhaltig gestört wurden.
Eine Besonderheit bezüglich der Gefangenschaft in Japan lag insbesondere darin, dass ein Teil der Deutschen aus Reservisten, Landwehr- und Landsturmmännern bestand, die sich bei Kriegsbeginn und China und Japan aufhielten. Es gab in Japan während des Krieges auch keine "Feindgesetzgebung", d.h. deutsche Zivilpersonen konnten sich auch weiterhin im Land frei bewegen und sich dadurch verstärkt um die Gefangenen kümmern.
Maßgeblich für die Verhältnisse in den Lagern waren die Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung, die von der Signatarmacht Japan auch - je nach Lager - mehr oder weniger beachtet wurden. Von der kriegsvölkerrechtlich gegebenen Möglichkeit, die gefangenen Unteroffiziere und Mannschaften zum Arbeitsansatz heran zu ziehen, machten die Japaner kaum Gebrauch. Probleme zeigten sich jedoch bei der Ausübung der Disziplinargewalt insoweit, als Verstöße oft unverhältnismäßig hart geahndet wurden und auch auf Beschwerden der Gefangenen z.T. aggressiv reagiert wurde.

"Wurst und Kuchen: Kulinarischer Kulturtransfer" hatte Prof. Schmidtpott ihren Beitrag betitelt, in welchem sie auf zwei deutsche Gefangene einging, die sich besonders um jenen Transfer verdient gemacht hatten, und zwar bereits während der Zeit der Gefangenschaft und verstärkt nach deren Beendigung.
Carl Juchheim hatte vor dem Krieg eine eigene Bäckerei in Tsingtau betrieben und erhielt im Gefangenenlager Gelegenheit, sein Handwerk weiter auszuüben; letzteres galt auch für den gelernten Metzger August Lohmeyer. Beide arbeiteten zunächst für den internen Bedarf, aber über die von den Gefangenen veranstalteten Leistungsschauen (Ausstellungen) wurden die Produkte auch in der japanischen Bevölkerung bekannt, und Juchheims Baumkuchen und Lohmeyers Schinken gelangten dadurch - wiewohl preislich eher als Luxusgüter anzusehen - zu einer gewissen Berühmtheit. Nach der Entlassung gründeten Juchheim wie Lohmeyer eigene Firmen, die nach dem Zweiten Weltkrieg stark expandierten und bis heute, unter japanischer Führung, weiter bestehen.

Damit leitete Prof. Schmidtpott zum "gemütlichen Teil" des Abends über und gab das Buffet frei.
 
Jaeckisch   Mathias Romberg

Walter Jäckisch, aus dessen Sammlung viele der ausgestellten Exponate stammen

 

von links: Prof. Dr. Regine Mathias (Bochum); Claudia Romberg, die am Zustandekommen der Tokyoter Ausstellung maßgeblich beteiligt war; Hans-Joachim Schmidt


 
Klein-Langner   Puster

Wolfgang Klein-Langner, Präsident der Siebold-Gesellschaft Würzburg

 

Aya Puster, Autorin und Übersetzerin; Hans-Joachim Schmidt

Ein Blick in die Ausstellung:
 
Vitrine   Vitrine
Vitrine   Vitrine

 

©  Hans-Joachim Schmidt
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