Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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100 Jahre »Daiku« auf asiatischem Boden

von Matthias von Saldern

Unser Korrespondent Professor Dr. Matthias von Saldern nahm als Chor-Mitglied an den Jubiläums-Aufführungen von Beethovens Neunter Sinfonie teil, die 1. bis 3. Juni in Naruto (Bando) stattfanden.

Wir bedanken uns sehr für seinen nachfolgenden Kurzbericht.


Wer sich mit der Geschichte des Kriegsgefangenenlagers Bando (heute ein Teil der Stadt Naruto in der Präfektur Tokushima) beschäftigt hat, wird wissen, dass hier am 1. Juni 1918, also vor 100 Jahren, erstmalig die 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven – auch bekannt als Europa-Hymne und in Japan »Daiku», die Große Neunte, genannt – aufgeführt wurde. Selbstredend wurde in diesem Jahr 2018 das 100-jährige Jubiläum intensiv gefeiert.

Am 1. Juni 2018 wurde die Sinfonie in etwa gleicher Besetzung wie 1918 vor dem Deutschen Haus in Naruto aufgeführt.
Konzert1

Foto: Zuhörer vor dem Deutschen Haus (© Diethelm Rohrdanz), hier vergrößert

Im Gegensatz zu heute üblichen Aufführungen waren Chor und Orchester 1918 zahlenmäßig schwach besetzt: Es gab also ein viel kleineres symphonisches Orchester und einen zahlenmäßig nicht stark besetzten Chor. Das Orchester war das Telemann-Orchester aus Osaka unter der Leitung von Takeharu Nobuhara – ein inzwischen 76 Jahre alter Dirigent, der fließend Deutsch spricht und durchaus als Energiebündel bezeichnet werden kann.

Beim Chor und den vier Solisten gab es natürlich besondere Herausforderungen, weil es vor 100 Jahren keine Frauenstimmen (Sopran und Alt) gab. Diese beiden Stimmen wurden daher von Männern gesungen, allerdings eine Oktave tiefer – gerade deshalb ein besonderes Hörerlebnis bei den Solistenparts. Der Chor setzte sich aus einem Studentenchor zusammen, ergänzt durch erfahrene Bässe, teilweise aus Deutschland.
Konzert2

Foto: Orchester und Chor beim Deutschen Haus (© Diethelm Rohrdanz), hier vergrößert

Das ganze Geschehen war einmalig: Trotz Regenzeit schien die Sonne, die Zuschauerzahlen wurden wohl auch deshalb völlig unterschätzt. Die Begeisterung am Ende war riesig, die Stimmung auf einem Höhepunkt. Eingeleitet wurde der Nachmittag nämlich durch die Enthüllung einer Büste des Leiters des Kriegsgefangenenlagers Bando, Matsue Toyohisa, der dieses kulturelle Ereignis seinerzeit überhaupt erst ermöglichte. Zu diesem Akt waren übrigens auch Nachkommen von Kriegsgefangenen aus Deutschland eingeladen.
Matsue

Foto: Matsue-Büste (© Matthias von Saldern), hier vergrößert

Am 2. und 3. Juni wurde dann die 9. Sinfonie gleich zweimal hintereinander mit voller Besetzung in der Kulturhalle der Stadt Naruto aufgeführt. Organisiert wurden wie jedes Jahr diese beiden Konzerte vom »Verein zur Aufführung der 9. von Beethoven«. Mitglieder dieses Vereins dürfen nach Voranmeldung mitsingen. 2018 gab es allerdings verständlicherweise so viele Anmeldungen, dass zwei Konzerte notwendig wurden. Die Kulturhalle war bei beiden Konzerten restlos gefüllt. Es spielte das Orchester der Präfektur Tokushima unter der Leitung des Lüneburger Dirigenten und Komponisten Thomas Dorsch, der den jeweils etwa 500-köpfigen Chor und das Orchester präzise und mit Leidenschaft führte.
 

©  Matthias von Saldern, für diese Fassung auch Hans-Joachim Schmidt
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