Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Wissenschaftliches Symposium in Okayama im Oktober 2008

von Dirk van der Laan


Unser Korrespondent Dirk van der Laan war einer der Mitwirkenden bei dem Wissenschaftlichen Symposium, das am 13.10.2008 in der Universität Okayama stattfand. Die meisten der japanischen Forscher, die sich mit der Geschichte der deutschen und österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen in Japan befassen, nahmen an dieser Veranstaltung teil.

Wir bedanken uns sehr für seinen nachfolgenden Kurzbericht.

Inhalt:


 

Veranstaltungsprogramm

Am 13. Oktober 2008 fand an der Universität Okayama ein Symposium über die Kriegsgefangenen statt, an dem erstmalig für fast alle 16 Lager ortsansässige Forscher vortrugen. Aus den Vorträgen sollen mit Ergänzungen Handbücher über die Lager auf Japanisch, Deutsch und Englisch entstehen, deren Herausgabe für das Jahr 2014 vorgesehen ist. Die einzelnen Themen waren:
 
Teil I: Lager in Shikoku und Chugoku  (Veranstalter: Japanische Gesellschaft für Germanistik)
Takahashi
Prof., Universität Okayama
Zum Geleit
van der Laan
OAG
Die deutschen Kriegsgefangenen in Japan und der japananisch-deutsche Kulturaustausch (Grundsatzreferat)
Seto
Prof., Universität Kochi
Das Lager Ninoshima
Mori
Prof., Universität Ehime
Das Lager Matsuyama
Takahashi
Prof., Universität Okayama
Das Lager Marugame
Kawakami
Prof., Universität Tokushima
Die Lager Tokushima und Bando
Günther
Dozent, Universität Tokushima
Arbeiten über die japanische Kultur in den Lagern Tokushima und Bando
Ido
Prof., Universität Tokushima
Die deutschen Kriegsgefangenen und Bushido
Teil II: Die übrigen Lager  (Veranstalter: Universität Okayama)
Tamura
Prof., ehemals Leiter des Deutschen Hauses
Abriß der deutschen Kriegsgefangenenlager in Japan (Grundsatzreferat)
Hoshi
Stadt Narashino
Die Lager Tokyo und Narashino *
Uchino
Kriegsgefangenenforscher
Das Lager Shizuoka
Menjo
Japanisch-Deutsche Gesellschaft Nagoya
Das Lager Nagoya
Hotta
Stadt Osaka
Das Lager Osaka
Otsuru
Prof., Universität Kobe
Die Lager Himeji und Aonogahara
Michel
Prof., Universität Kyushu
Das Lager Fukuoka
Tsutsumi
Stadt Kurume
Die Lager Kumamoto und Kurume
Yasumatsu
Prof., Universität Beppu
Das Lager Oita
Kotani
Literaturwissenschaftler
Fritz Rumpf
Uemura
Prof., Universität Kumamoto
Alexander Spann
* in Abwesenheit (nur schriftliche Zusammenfassung)

 

Die deutschen Kriegsgefangenen in Japan in der Geschichte des deutsch-japanischen Kulturaustauschs
(Aus dem Grundsatzreferat von Dirk van der Laan)

Wenn man die Zahl der Deutschen in Japan im japanischen statistischen Jahrbuch und anderen amtlichen Statistiken betrachtet, stellt man fest, dass seit dem Inkrafttreten des preußisch-japanischen Freundschafts-, Handels und Schifffahrtsvertrags im Jahre 1863 – das ist bald 150 Jahre her – sie in etwa 50 Jahren 1914 die Höhe von 1000 erreicht hat, mitunter mit goßen Rückgängen zeitweise geschrumpft ist, aber dann 2005 zum erstenmal 5000 überschritten hat. Doch der Schein trügt; denn aus amtlichen namentlichen Verzeichnissen, die in der Zeit des ersten Weltkriegs erschienen sind, ist zu entnehmen, daß in den fünf Jahren von Ende 1914 bis Ende 1919 bereits mehr als 5000 Deutsche in Japan geweilt haben.

Es handelt sich um etwa 4400 Kriegsgefangene, die hauptsächlich von Tsingtau, aber auch von den deutschen Kolonien in der Südsee, nach Japan gebracht worden sind. Dazu kamen rund 700 Zivilisten, die bereits vor dem Kriege nach Japan gekommen waren. Wenn auch unter erschwerten Verhältnissen, fand eine Berührung zwischen Deutschen und Japanern statt wie nie zuvor und bis vor kurzem nie danach.

Das japanische Kriegsgefangenenwesen ist während des russisch-japanischen Krieges 1904/05 aufgrund der Haager Landkriegsordnung kodifiziert worden und 1914 unwesentlich geändert. Aber schon im chinesisch-japanischen Krieg hat Ariga Nagao, ein Fachmann für internationales Recht, an der Front als Berater gewirkt, um zu gewährleisten, dass Japan als der internationalen Völkergemeinschaft würdig anerkannt wurde. Er hat drei Abhandlungen auf Französisch verfasst, die unter anderem die Behandlung von Kriegsgefangenen beinhalten.

Ein besonderes Merkmal war die Möglichkeit des freien Spaziergangs der kriegsgefangenen Offiziere und deren Logierung in Privathäusern, was wohl einmalig ist. Sie durften nach Genehmigung eines Antrags beim Kriegsminister in einem bestimmten Umkreis des Lagers frei spazierengehen oder sogar mit Familie wohnen, sofern sie die entsprechenden Vorschriften einhielten, wie keine Post aufzugeben oder zu empfangen, denn sie war der Zensur unterworfen. Der Spaziergang ist den Russen und auch den Deutschen gestattet worden, das Wohnen aber nur 39 Russen. Allerdings durften Frau und Kinder in der Nähe des Lagers wohnen und den deutschen Offizier wöchentlich besuchen. Die Behandlung war also im allgemeinen sehr human.

Unteroffiziere und Mannschaften unternahmen in Gruppen Spaziergänge und Wanderungen, während der sie auch mit der Bevölkerung in Berührung kamen. Es gab regelmäßig Konzerte und Sportveranstaltungen, die teilweise auch von Japanern besucht werden durften, ganz abgesehen von offiziellen Besichtigungen verschiedener japanischen Gruppen. Gelegentlich hat es auch Fußballspiele gegen japanische Mannschaften gegeben. Vor allem lokale Zeitungen berichteten regelmäßig über die Tätigkeit der Gefangenen. Ferner sind nicht wenige Gefangene in japanischen Unternehmen am Orte beschäftigt worden.

Schließlich gab es unter anderem 1917 in Marugame, 1918 in Bando und 1919 in Hiroshima Ausstellungen von Gegenständen aller Art, die von den Gefangenen gefertigt worden waren und von vielen Japanern besucht wurden. Zur besseren Verständigung waren in Bando 19 und in Hiroshima 6 deutsche Dolmetscher bei den Ausstellungen tätig um japanischen Besuchern Auskunft zu geben.

Auf diese Weise hat ein Kulturaustausch einschließlich Technologietransfer stattgefunden, der auch nach dem Kriege durch ehemalige Gefangene, die entweder gleich in Japan geblieben oder später zurückgekommen sind, fortgeführt wurde und dessen Auswirkungen bis in die heutige Zeit reichen.
 

Mitwirkende

Das von den Professoren Ando und Tanaka geleitete Symposium gibt Gelegenheit, unsere japanischen Korrespondenten auch im Bild vorzustellen (Dank an Kiyoyuki Kosaka):

Teilnehmer
Von links nach rechts: Menjo, Seto, Uemura, Tanaka, Kosaka, van der Laan, Michel, Takahashi, Kotani, Tamura, Murphy, Uchino, Hotta, Yasumatsu, Tsutsumi.
 
Nicht auf dem Gruppenfoto sind:
Ando
Ando
Günther
Günther
Hoshi
Hoshi
Ido
Ido
kawakami
Kawakami
Mori
Mori
Otsuru
Otsuru

 

Forscher


Die folgende Liste der Kriegsgefangenen-Forscher in Japan nennt – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – die Namen derer, die dem Redakteur seit Beginn des Projekts bekannt geworden sind:
Name, Vorname Wohnort/Dienststelle Hauptforschungsgebiet
Akagaki, HiroshiForschungsgruppe "Deutsche Gefangene"Betreiber der Internetseite
Ataka, Harufreie ForscherinThaddeus Haertle
Fujiwara, TatsuoStadt HimejiLager Himeji
Günther, DierkUniversität Tokushimapublizistische Tätigkeit der Gefangenen
Hoshi, MasayukiStadt NarashinoLager Narashino und Tokyo-Asakusa
Hotta, AkioStadt OsakaLager Osaka
Ido, KeijiUniversität TokushimaKriegsgefangene und Bushido
Inoue, JunichiRitsumeikan Universität KyotoHermann Bohner
Kawakami, SaburoUniversität TokushimaLager Bando und Tokushima
Kishimoto, Hajime ehemals Universität Kobe, jetzt Tokyo Lager Himeji und Aonogahara
Kosaka, Kiyoyuki Forschungsgruppe "Deutsche Gefangene"Redakteur der Internetseite
Kotani, Kozofreier ForscherFritz Rumpf
Kubota, TakaoJapan.-Dt. Gesellschaft KumamotoLager Kumamoto
van der Laan, DirkOAG KobeKriegsgefangene allgemein
Matsuo, NobushigeUniversität OkayamaKriegsgefangene aus dem Königreich Sachsen
Menjo, YoshioJDG NagoyaLager Nagoya
Michel, WolfgangUniversität KyushuLager Fukuoka
Mori, TakaakiUniversität EhimeLager Matsuyama
Otsuru, AtsushiUniversität KobeLager Himeji und Aonogahara
Seto, TakehikoUniversität KochiKriegsgefangene allgemein, Lager Ninoshima
Takahashi, TerukazuUniversität OkayamaLager Marugame
Tamura, Ichiroehemals Leiter des Deutschen HausesKriegsgefangene allgemein, Lager Bando
Tsutsumi, YukichiStadt KurumeLager Kurume
Uchino, Kenichifreier ForscherLager Shizuoka
Uemura, NaomiUniversität KumamotoAlexander Spann
Yasumatsu, MiyukiUniversität BeppuLager Oita

 

©  Hans-Joachim Schmidt
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