Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Völkerrecht

StartseiteKrieg → Völkerrecht → Genfer Abkommen


Abkommen zur Verbesserung des Loses der Verwundeten und Kranken bei den im Felde stehenden Heeren (1906)

Die Grundlage für die Behandlung der Kranken und Verwundeten im Ersten Weltkrieg bildete das "Genfer Abkommen" vom 06.07.1906, welches maßgeblich auf der "Genfer Konvention" vom 22.08.1864 beruhte. Die Haager Landkriegsordnung von 1907 nimmt in Artikel 21 hierauf Bezug. Der Text des Abkommens wurde im Reichs-Gesetzblatt Nr. 25 vom 08.06.1907, Seite 279 ff. veröffentlicht. Hieraus stammen die folgenden Auszüge. (Redaktionelle Zusätze stehen in [ ].)
 

Erstes Kapitel: Verwundete und Kranke

Artikel 1   [Fürsorgepflicht]
Militärpersonen und andere den Heeren dienstlich beigegebene Personen, die verwundet oder krank sind, sollen ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit von der Kriegspartei, in deren Händen sie sich befinden, geachtet und versorgt werden.
Indessen soll die Kriegspartei, die gezwungen ist, Kranke oder Verwundete dem Gegner zu überlassen, soweit es die Kriegslage gestattet, einen Teil ihres Sanitätspersonals und ihrer Sanitätsausrüstung zurücklassen, um zu deren Versorgung beizutragen.

Artikel 2   [Allgemeine Regeln]
Unbeschadet der nach Maßgabe des vorstehenden Artikels zu leistenden Fürsorge sind Verwundete und Kranke eines Heeres, die in die Hände der anderen Kriegspartei gefallen sind, Kriegsgefangene; die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln über Kriegsgefangene finden auf sie Anwendung.
Indessen steht es den Kriegsparteien frei, in Ansehung der verwundeten und kranken Gefangenen solche Ausnahme- oder Vorzugsbestimmungen unter sich zu vereinbaren, wie sie für zweckmäßig erachten; sie sollen insbesondere vereinbaren können:

[1] sich nach einem Kampfe die auf dem Schlachtfeld gebliebenen Verwundeten gegenseitig zurückzugeben,
[2] die Verwundeten und Kranken, die sie nicht als Gefangene zurückbehalten wollen, nachdem sie sie in beförderungsfähigen Zustand versetzt haben oder nach ihrer Heilung in ihre Heimat zurückschicken,
[3] Verwundete und Kranke der Gegenpartei einem neutralen Staate zu übergeben, wenn dieser hiermit einverstanden ist und sich verpflichtet, sie bis zum Ende der Feindseligkeiten zu internieren.

Artikel 3   [Pflicht des Siegers]
Nach jedem Kampfe soll die das Schlachtfeld behauptende Partei Maßnahmen treffen, um die Verwundeten aufzusuchen und sie, ebenso wie die Gefallenen, gegen Beraubung und schlechte Behandlung zu schützen.
Sie soll darüber wachen, daß der Beerdigung oder Verbrennung der Gefallenen eine sorgfältige Leichenschau vorangeht.

Artikel 4   [Informationspflichten]
Jede Kriegspartei soll sobald als möglich die bei den Gefallenen aufgefundenen militärischen Erkennungsmarken und Beweisstücke der Identität sowie ein Namensverzeichnis der von ihr aufgenommenen Verwundeten und Kranken deren Landesbehörden oder den Dienstbehörden ihres Landes übermitteln.
Die Kriegsparteien sollen sich über die Unterbringung von Kranken und Verwundeten, die sich in ihrer Gewalt befinden, und den Wechsel in der Unterbringung sowie über ihre Aufnahme in die Lazarette und die vorkommenden Sterbefälle gegenseitig auf dem Laufenden halten. Sie sollen alle zum persönlichen Gebrauche bestimmten Gegenstände, Wertsachen, Briefe usw., die auf dem Schlachtfelde gefunden oder von den in Sanitätsanstalten und -formationen sterbenden Verwundeten und Kranken hinterlassen werden, sammeln, um sie durch deren Landesbehörden den Berechtigten übermitteln zu lassen.

Artikel 5   [Wohltätigkeit]
Die Militärbehörde kann den Wohltätigkeitssinn der Einwohner anrufen, damit sie unter ihrer (der Militärbehörde) Aufsicht Verwundete und Kranke der Heere aufnehmen und versorgen, unter Gewährung besonderen Schutzes und bestimmter Vergünstigungen an die Personen, die ihrem Aufrufe nachkommen.
 

Zweites Kapitel: Sanitätsformationen und Sanitätsanstalten

Artikel 6   [Schutz]
Die beweglichen Sanitätsformationen (das heißt solche, die zur Begleitung der Heere im Felde bestimmt sind) und stehende Anstalten des Sanitätsdienstes sollen von den Kriegsparteien geachtet und geschützt werden.

Artikel 7   [Ende des Schutzes]
Der den Sanitätsformationen und -anstalten gebührende Schutz hört auf, wenn sie dazu verwendet werden, dem Feinde zu schaden.

Artikel 8   [Fortbestehen des Schutzes]
Als geeignet, um für eine Sanitätsformation oder -anstalt den Verlust des durch Artikel 6 gewährleisteten Schutzes zu begründen, sollen nicht gelten:
1. die Tatsache, daß das Personal der Formation oder der Anstalt bewaffnet ist und sich seiner Waffen zum Selbstschutz oder zum Schuzte seiner Kranken und Verwundeten bedient;
2. die Tatsache, daß die Formation oder die Anstalt in Ermangelung bewaffneten Krankenpflegepersonals von einer militärischen Abteilung oder von Wachtposten bewacht wird, die mit einem regelrechten dienstlichen Auftrage versehen sind;
3. die Tatsache, daß in der Formation oder der Anstalt Waffen und Munition gefunden werden, die den Verwundeten abgenommen, aber noch nicht der zuständigen Dienststelle abgeliefert worden sind.
 

Drittes Kapitel: Das Personal

Artikel 9   [Sanitätspersonal, Prediger]
Das ausschließlich zur Bergung, zur Beförderung und zur Behandlung von Verwundeten und Kranken sowie zur Verwaltung von Sanitätsformationen und -anstalten bestimmte Personal und die den Heeren beigegebenen Feldprediger sollen unter allen Umständen geachtet und geschützt werden; wenn sie in die Hände des Feindes fallen, dürfen sie nicht als Kriegsgefangene behandelt werden.
Diese Bestimmungen kommen in dem im Artikel 8 Nr. 2 vorgesehenen Falle auf die Wachtmannschaft der Sanitätsformationen und -anstalten zur Anwendung.

Artikel 10   [Hilfsgesellschaften]
Dem im vorstehenden Artikel erwähnten Personale wird das Personal der von ihrer Regierung in gehöriger Form anerkannten und ermächtigten freiwilligen Hilfsgesellschaften, das in den Sanitätsformationen und -anstalten der Heere verwendet wird, gleichgestellt mit dem Vorbehalte, daß dies Personal den militärischen Gesetzen und Verordnungen untersteht.
Jeder Staat soll dem anderen entweder schon in Friedenszeiten oder im Laufe der Feindseligkeiten, jedenfalls aber vor jeder tatsächlichen Verwendung die Namen der Gesellschaften bekannt geben, die er ermächtigt hat, unter seiner Verantwortung im amtlichen Sanitätsdienste seines Heeres mitzuwirken.

Artikel 11   [Gesellschaften Neutraler]
Eine anerkannte Gesellschaft eines neutralen Staates darf ihr Personal und ihre Sanitätsformationen bei einer Kriegspartei nur mit vorgängiger Einwilligung ihrer eigenen Regierung und mit Ermächtigung der Kriegspartei selbst mitwirken lassen.
Die Kriegspartei, welche die Hilfe annimmt, ist verpflichtet, solches vor jeder Verwendung dem Feinde bekannt zu machen.

Artikel 12   [Zurückschickung des Personals]
Wenn die in den Artikeln 9, 10, 11 bezeichneten Personen in die Hände des Feindes gefallen sind, sollen sie ihre Verrichtungen unter dessen Leitung fortsetzen.
Sobald ihre Mitwirkung nicht mehr unentbehrlich ist, sollen sie zu ihrem Heere oder in ihre Heimat zu solcher Zeit und auf solchem Wege, wie sich mit den militärsichen Erfordernissen vereinbaren läßt, zurückgeschickt werden.
Sie dürfen in diesem Falle die Habseligkeiten, Instrumente, Waffen und Pferde mit sich nehmen, die ihr Privateigentum sind.

Artikel 13   [Besoldung des Personals]
Der Feind sichert dem im Artikel 9 bezeichneten Personale, solange es sich in seinen Händen befindet, dieselben Bezüge und dieselbe Löhnung zu wie dem Personale gleichen Dienstgrades des eigenen Heeres.
 

Viertes [und weitere] Kapitel: [.....]
 

©  Hans-Joachim Schmidt
Zuletzt geändert am .