Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Antijapanische Kriegspropaganda in Deutschland 1914/15
 

Kriegseintritt Japans

Wie die Historiker herausgearbeitet haben, konnte bei der deutschen Regierung nach dem Kriegseintritt Großbritanniens am 4. August 1914 eigentlich kein Zweifel darüber bestehen, dass Japan den seit 1902 bestehenden, 1911 modifizierten Bündnisvertrag dazu nutzen würde, ebenfalls gegen Deutschland zu den Waffen zu greifen.

Gleichwohl war in der deutschen Öffentlichkeit die Überraschung und Empörung groß, als das japanische Ultimatum vom 15. August bekannt wurde. Eine Sprachregelung wurde sehr bald gefunden: Japans Schritt wurde als "Raubzug" gedeutet; die japanische Politik galt als unehrlich, unaufrichtig, heuchlerisch und moralisch bankrott.1 Hintergrund war die weit verbreitete Meinung, Japan habe allen Grund, Deutschland und den Deutschen dankbar zu sein für alles, was diesem Land seit 1861, d.h. seit dem preußisch-japanischen Freundschafts- und Handelsvertrag, "Gutes getan" worden sei.
 

Propaganda-Kampagne

Noch im August 1914 kam eine entsprechende Propaganda-Kampagne gegen Japan in Gang, die sich im Stile der Zeit auch des Mittels der politischen Karikatur bediente, wobei zwei Leitmotive zum Tragen kamen:

Typisches Darstellungs-Medium waren Postkarten, die in großer Zahl von unterschiedlichen Herstellern auf den "patriotischen Markt" geworfen wurden. Solche "Spott-Karten" (mocking cards) wurden natürlich auch in anderen Ländern produziert.2
 

Beispiele

Die folgenden Karten sind sämtlich aus dem Internet herunter geladen. Eine Beschreibung sowie zusätzliche Beispiele findet man bei Linhart, S. 25 ff., 97 ff.
2 gegen 7 Die beiden ersten Karten nennen die Ende August 1914 vorhandenen Feindstaaten: Neben Japan sind das Serbien, Montenegro, Rußland, Frankreich, Belgien und England. Das holprig formulierte Motto "2 gegen 7, wir wer'n das Ding schon schieben" bzw. "2 gegen 7 / Den Brüdern woll'n / wir laufen lehren!" verleiht der Zuversicht Ausdruck, es werde den Mittelmächten, Deutschland und Österreich-Ungarn, kurz über lang gelingen, mit ihren Feinden fertig zu werden.
2 gegen 7 (bunt)

 
Jeder Klaps  Der deutsche Michel
Jedem das Seine
Verse wie "Jeder Tritt ein Britt' – Jeder Klaps ein Japs" (links oben) bringen eine gewisse Geringschätzung dieser Feinde zum Ausdruck: Es reicht angeblich aus, sie mit Füßen oder der bloßen Hand zu traktieren. Das gilt insbesondere für Japan, das als gewöhnlicher Dieb dargestellt wird. Den Hauptfeinden Frankreich und Russland wird demgegenüber die "Ehre" eines Angriffs mit Kugel und Bajonett zuteil.

 
Schuft Nr. 7 Ich klau Kiautschou
Der Japaner, der die Hand nach dem deutschen Kiautschou ausstreckt, wird in einigen Varianten der Karte (links) als "Schuft Nr. 7" bezeichnet.

 
Frech und gemein "Frech und gemein" seien die Japaner: Sie nutzen die deutsche Verwicklung in den europäischen Krieg dazu, um Kiautschou an sich zu reißen. — Hier wie bei den anderen Karten fällt auf, dass die übrigen Besitzungen in der Südsee (Karolinen usw.) nicht besonders erwähnt werden; vielleicht war bei Drucklegung noch nicht klar, dass Japan auch insoweit "Beute machen" würde.

 
2 Wegelagerer

Viel "dichterische" Mühe wird darauf verwendet, zu zeigen, wie der "Meister" (England) den etwas unbedarften "Jünger" (Japan) für seine Zwecke einspannt.
 
Die stille – und langfristig auch nicht unberechtigte – Hoffnung des Verfassers besteht darin (letzte Strophe), dass sich der natürliche Interessengegensatz zwischen beiden Verbündeten bemerkbar machen möge.


 
Pfui Teufel "Schuft Nr. 7" streckt auch hier die Hand nach Kiautschou aus. Die ganze Verachtung gilt auf dieser Karte jedoch dem Engländer, der des Verrats an der Sache der Europäer (Weißen) bezichtigt und deshalb angespuckt wird.

 
2 Lumpen Ein sauberes Bündnis
Ein gelber Strauchdieb
Die beiden Bilder oben zeigen wieder das angebliche Zusammenspiel von britischen und japanischen Interessen. Im rechten Bild klingt darüber hinaus die Erwartung an, dass nach der (siegreichen) Beendigung des europäischen Krieges dem "Strauchdieb" (Bild links) die Beute wieder entrissen wird.

 
Schweinsaffe Der gelbe Affe
Das Schimpfwort "(gelber) Affe" wurde intern häufig gebraucht, sowohl in Bezug auf Chinesen wie auf Japaner, und steht stellvertretend für westlichen (weißen) Rassismus.

 

Anmerkungen

1.  So einige Überschriften in der "Frankfurter Zeitung" von August bis Oktober 1914, abgedruckt in: Otfried Nippold, Die Wahrheit über die Ursachen des Europäischen Krieges. München: Judicium 2005, S. 238 f.

2.  Siehe z. B. die einschlägige Seite "Mocking Cards of the Central powers".
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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