Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Musterkolonie Tsingtau

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Gliederung des Stadtgebiets Tsingtau

  1. Benennung der Stadt
  2. Distrikteinteilung
  3. Grenze des Europäerviertels
  4. Straßen im Stadtgebiet
  5. Hausnummerierung

 

I. Benennung der Stadt

Die Benennung erfolgte durch Bekanntmachung des Chefs des Reichsmarineamtes, Tirpitz, vom 12.10.1899 (Mohr S. 22):

»Seine Majestät der Kaiser und König haben zu genehmigen geruht, dass die neue Stadtanlage im Kiautschougebiet fortan den Namen Tsingtau führt.«1
 

II. Distrikteinteilung

Die erste administrative Gliederung Tsingtaus erfolgte durch die »Verordnung betreffend Chinesenordnung für das Stadtgebiet Tsingtau« vom 14.06.1900 (Amtsblatt 1900 S. 1):

»Das Stadtgebiet Tsingtau zerfällt in folgende Distrikte:
1) Tsingtau,
2) Tapautau,
3) Hsiauniwa,
4) Yangtschiatsun,
5) Mengtschiakou,
6) Hsiaupautau,
7) Taitungtschen,
8) Sautschutan,
9) Huitschien.«

Karte 1: Lage der ursprünglichen Siedlungen, erstellt auf der Grundlage einer bei Warner (S. 135) abgedruckten Karte aus der Denkschrift 1900.

Die Distrikt-Einteilung veränderte sich im Verlauf der Stadtentwicklung stark. Mohr (S. 22) schreibt: »Das Stadtgebiet besteht heute [1911] aus der Stadtanlage Tsingtau-Tapautau und den Niederlassungen Taitungtschen und Taihsitschen. Die übrigen in § 1 genannten Ortschaften sind aufgekauft und beseitigt.« Letzteres gilt auch für die hier nicht erwähnte Ortschaft Haipo.

 

III. Grenzen des Europäerviertels

Die erwähnte »Chinesenordnung« vom 14.06.1900 reservierte in § 10 einen Teil des Stadtgebiets für die Bebauung durch Nichtchinesen:

»In dem Stadtgebiete Tsingtau ist in dem Teile, der im Westen von der Friedrichstraße, im Norden vom Hohenlohe-Weg, ferner durch eine Linie entlang dem Kamme des Gouvernementshügels bis zur Höhe des Ostpasses, im Osten durch die Abhänge der Iltisberge bis zum Meere hin begrenzt wird (Thäler der Tsingtau- und Clarabucht), der Bau von Chinesenwohnungen ... nicht gestattet.«

Die Aufteilung wurde durch § 2 der »Verordnung betreffend Wohnen von Chinesen im Europäerviertel« vom 15.01.1914 (Amtsblatt 1914 S. 17) zugunsten der Chinesen geändert:

»§ 2. Die Grenzen des Europäerviertels sind:
im Westen: die Wilhelmstrasse, der Hohenloheweg und die Lauschanstrasse,
im Norden: die Huangtaustrasse und eine Linie, die vom Schnittpunkte dieser Strasse und des Lazarettweges über das Observatorium und die Kuppe des Bismarckberges zum Schnittpunkte der Bergstrasse und der Kirschenallee läuft,
im Osten: die Kirschenallee und eine in ihrer Verlängerung nach Süden zum Meere gezogene Linie,
im Süden: das Meer.«

Karte 2: Grenze des Europäerviertels, erstellt auf der Grundlage der Karte des Stadtgebiets im Schutzgebiet-Führer 1911
Die blaue Linie gibt den ungefähren Verlauf der Grenzziehung von 1914 wieder; die grüne Line (im Bild links) markiert die ursprüngliche Westgrenze und damit das Gebiet, welches 1914 für die Bebauung bzw. den ständigen Aufenthalt von Chinesen geöffnet wurde.


IV. Straßen im Stadtgebiet

Die neue Stadtanlage Tsingtau wurde am Reißbrett konzipiert auf der Grundlage moderner städtebaulicher Prinzipien.2 Die nebenstehende Karte 3 aus der Denkschrift 1902 gibt den Stand vom 1. Oktober 1901 wieder.

Entsprechend dem Baufortschritt wurden weitere Straßen dem öffentlichen Verkehr gewidmet und benannt. Bisweilen wurden vorhandene Straßen ganz oder teilweise umbenannt.3. Die folgende Aufstellung der Straßenbezeichnungen wurde dem 1910 bei Adolf Haupt erschienenen »Plan von Tsingtau und Umgebung« entnommen und an einigen Stellen vom Redakteur ergänzt (siehe Anmerkungen). Die Koordinaten in ( ) beziehen sich auf die im Reiseführer »Tsingtau« (1911) enthaltene Karte; zu der Zahl dahinter siehe die Legende am Tabellenfuß.
 
Tabelle 1: Straßenbezeichnungen in der Stadt Tsingtau (bis 1914)
Albertstr. (D7-D8), K99 Alilastr. (F8-F9), B09 Alsenhof → Uhuweg
Am Gr. Hafen → Kleiner Hafenweg (a)Am Kl. Hafen → Kleiner Hafenweg (a)Auguste-Viktoria-Bucht → A.-V.-Ufer
Auguste-Viktoria-Ufer (E9-G9), K00  
Bahnhofstr. (C7-C8), A07Bankstr. (?), A01 (b)Bergstr. (F8-G8), K02
Berliner Str. (C7-D7), A05Bischofstr. (D7), A08Bismarckstr. (E6-E8), K99
Bremer Str. (C7-D7), A03Bülowstr. (E8), K02 
Christweg (F8-G8), A07Clemensstr. (b), A05Cormoranstr. (E5), K08
Danziger Str. (C7), A12Deutschlandstr. (E4-E6), A07Diederichsweg (E8), K99
Elisabethweg (F7), A11  
Forstweg → KirschenalleeFranziusstr. (D5-D6), B09Frauenlobstr. (E4), A11
Friedrichstr. (D7-D8), K99Fuchsweg (J7), B09 
Gouvernementplatz (E8), K99Gratpassweg (J8-K8), B09Gromschstr. (D5), A05
Haipostr. (D6-D7), A02Hamburgerstr. (C7-D8), K02Hansastr. (E4), A07
Hauptmann-Müller-Str. (G5-J4), B09Herthastr. (E4), A07Höhenlagerstr. (B7), A01
Hohenloheweg (D7-D8), K99Hohenzollernstr. (C8-D8), A02Homannweg (G9-H8), B09
Honanstr. (C6-C7), A02Hsiaupautaustr. (F5-G6), B09Huangtaustr. (D7), A13
Huitschüen (H8), B06 (b)  
Iltishof (I9), A07Iltispassstr. (G9-K8), A02Irenestr. (C8-E8), K99
Itschoustr. (D6-D7), K01  
Jaguarstr. (E5-F4), A11Johann-Albrecht-Str. (E8), K99Johann-Albrecht-Weg (E7-F7), ?
Kaiserstr. (D6-E5), A08Kaiser-Wilhelm-Ufer (C9-E8), K99Kaiserin-Augusta-Str. (E8), A08
Kantonstr. (D5-E5), K08Kaumistr. (D8), A02Kiautschoustr. (D6), K01
Kieler Str. (C7-C8), B06Kilowatt-Str. (B7-C7), A08Kirschenallee (H8-J7), B09
Kleiner Hafenweg (C5-D6), A04Krähenpassweg (J5-K7), B09Kronprinzenstr. (C7-D7), K01
Kronprinzenufer (C8-C9), K00 (b)  
Lauschanstr. (D7), A07Lazarettweg (E7), K02Lercheweg (G8-H8), ?
Litsunstr. (D6), K01Lübecker Str. (C7), A07Luchsstr. (F4), B09
Luitpoldstr. (D7-D8), K99  
Major-Müller-Str. (K2-K1), B09Marktstr. (?), A01 (b)Münchener Str. (C8), B06
Ningpostr. (D5-E5), K08  
Ostlagerstr. (E8-F8), K02Ostpassstr. (E8-G6), K02 
Paotingstr. (D7), K04Parkstr. (G8-H8), B09Pekingstr. (C7-D8), A02
Pingtustr. (D7), A07Poschanstr. (D6-D7), K01Poststr. (?), A01 (b)
Prinz-Adalbert-Str. (G8), A05Prinz-Heinrich-Str. (C8-E8), K99Prinz-Waldemar-Weg (?), A13
Prinzess-Wilhelm-Str. (D5), A12  
Rechternstr. (D6-E4), K04Rennbahnstr. (H10), B09Richthofenstr. (D8), A13
Rollmannstr. (B7-C7), ?  
Schansistr. (C7), K04Schanghaistr. (D5-E5), A11Schantungstr. (D6-D7), K01
Schlachthofstr. (B7), A10Schleife (E4-E5), A10 (c)Seeadlerstr. (E5), A13
Syfangstr. (D7), K04  
Taihsitschenstr. (C7-A8), B09Taitungtschenstr. (G4-J4), K10Takustr. (C7-D7), A05
Thetisstr. (E5-E4), A07Tientsinstr. (C7-D7), A02Tigerstr. (E4), B09
Tirpitzstr. (D8), K99Tsangkoustr. (D6), ?Tschanschanstr. (J9-K10), B09
Tschifustr. (D6-D7), K01Tschilistr. (C6-D7), A02Tsimostr. (D6), K01
Tsinanstr. (C7), A02Tsiningstr. (D6-D8), K04 
Uhuweg (H5-H7), B09  
Veringstr. (E5), K08  
Weihsienstr. (D6-D7), K01Westpassstr. → Deutschlandstr.Wilhelmstr. (D8-E8), K99
Wilhelmshavener Str. (C8), B06Wusungstr. (D6), ? 
Yintaustr. (D7), ?  
Legende zu den Kürzeln hinter den Koordinaten: A01...A14 = Adressbuch für Kiautschou mit Jahresangabe; B99..B14 = Bekanntmachung mit Jahresangabe; K99..K14 = Karte mit Jahresangabe. Anhand dieser Angaben lässt sich abschätzen, wann die jeweilige Straße gebaut/in Betrieb genommen wurde; ? = Angabe derzeit nicht möglich.
Anmerkungen: (a) Für die Verkehrsflächen im Hafengebiet werden verschiedene Bezeichnungen verwendet, z.B. Hafen, Hafenstr., Hafenweg, Am Großen/Kleinen Hafen, Großer/Kleiner Hafen(weg); (b) in jüngeren Karten nicht mehr nachweisbar; (c) laut Adressbuch »An der Schleife«.

Die Internet-Portale Oldqingdao und Kiautschou (Tsingtau) nennen neben den deutschen Straßennamen auch die heutigen chinesischen. Ersteres gibt darüber hinaus Länge und Breite vieler Straßen an sowie – wie auch letzteres – Fotobeispiele für die damalige und heutige Bebauung!
 

V. Hausnummerierung

Die einschlägigen bauordnungsrechtlichen Vorschriften aus der Anfangszeit Tsingtaus sahen eine Nummerierung der Häuser bzw. Grundstücke nicht ausdrücklich vor. In den frühen Adressbüchern sind deshalb lediglich die Strassen bezeichnet; bisweilen erhielten auch bestimmte Häuser besondere, oft vom Namen des Bauherrn abgeleitete Bezeichnungen (»Villa Vering«, »Kroebel'sches« oder »Siemssen'sches Haus« usw.).

Eine Änderung trat mit der Bekanntmachung vom 23.01.1905 »betreffend Nummerierung der Häuser in Tsingtau« (Amtsblatt 1905 S. 20) ein:

»1. Auf Antrag der Vertreter der Zivilgemeinde werden die Häuser von Tsingtau und Umgebung mit fortlaufenden Nummern versehen werden. Für den Teil östlich der Friedrichstrasse sind die Nummern 1–300, für den westlichen Teil die Nummern über 300 vorgesehen. ...«

Zu Beginn des darauf folgenden Jahres wurde ein »Verzeichnis der Hausnummern in Tsingtau« veröffentlicht (Amtsblatt 1906, S. 17–20), welches von Nummer 1 bis 482 reichte, von denen jedoch nur 193 Nummern besetzt waren; 32 Straßen wurden darin genannt.

Als im Zuge der weiteren Stadtentwicklung die Nachteile der Konskriptionsnummern deutlicher hervortraten, entschloss sich das Gouvernement zur Umstellung auf die Orientierungsnummerierung. Die »Bekanntmachung betreffend Hausnummerierung in Tsingtau« vom 30.05.1913 (Amtsblatt 1913 S. 136) bestimmte:

»1. Zur Erleichterung des Verkehrs werden die Häuser in Tsingtau straßenweise mit Nummern versehen, anstelle der bisherigen fortlaufenden Nummerierung durch die ganze Stadt. Bei den von Süden nach Norden laufenden Straßen wird von Süden aus und bei den von Osten nach Westen laufenden Strassen von Osten aus nummeriert, und zwar die eine Straßenseite mit den geraden und die andere mit den ungeraden Zahlen...«

Die Neuregelung, durch die sich eine größere Zahl von Hausnummern veränderte, wurde noch in der im Juni 1914 erschienenen letzten Ausgabe des Tsingtauer Adressbuchs berücksichtigt.
 

Anmerkungen

1.  In der Anfangszeit gab es daneben noch die Schreibweise »Tsintau« (siehe Karte 1).

3.  Ausführlich dargestellt bei Warner (1996).

3.  Siehe z.B. die hier herangezogene »Mitteilung über noch nicht benannte Strassen« (Amtsblatt 1909 S. 113–114).
 

Literatur


 

©  Hans-Joachim Schmidt
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