Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Militärorganisation

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Organisation des Wehrdienstes im Deutschen Reich

Die Verteidiger von Tsingtau bildeten eine gemischte Truppe:

Zum besseren Verständnis werden hier die Grundlagen der Wehrverfassung des Deutschen Reiches skizziert.
 

Die Bestimmungen der Reichsverfassung

Die Reichsverfassung (RV) vom 16.04.1871 traf in den Abschnitten IX und XI Regelungen zur Marine und zum Heer.

Die Textauszüge wurden entnommen aus http://www.verfassungen.de/de/de67-18/verfassung71.htm

Die Separierung von Marine und Heer hatte vor allem folgenden Hintergrund: Vor der Reichsgründung gab es nur in Preußen eine Seestreitmacht, und diese konnte vollständig und vorbehaltlos auf das Reich bzw. auf den Kaiser übergehen. Stehende Heere gab es dagegen auch in anderen Bundesländern, vor allem in Bayern, Sachsen und Württemberg; unbeschadet der obersten Befehlsgewalt des Kaisers setzte sich das Reichsheer deshalb aus "Kontingenten" der Länder zusammen, und die Bundesfürsten behielten bis zum Ende des Kaiserreichs bestimmte Befugnisse in Bezug auf ihre Kontingente.
 

Abschnitt IX. Marine und Schiffahrt [Art. 53-55]

Artikel 53
Die Kriegsmarine des Reichs ist eine einheitliche unter dem Oberbefehl des Kaisers. Die Organisation und Zusammensetzung derselben liegt dem Kaiser ob, welcher die Offiziere und Beamten der Marine ernennt, und für welchen dieselben nebst den Mannschaften eidlich in Pflicht zu nehmen sind. Die Ernennung, Versetzung, Beförderung und Verabschiedung der Offiziere und Beamten der Marine erfolgt unter Gegenzeichnung des Reichskanzlers.*
Der Kieler Hafen und der Jadehafen sind Reichskriegshäfen.
Der zur Gründung und Erhaltung der Kriegsflotte und der damit zusammenhängenden Anstalten erforderliche Aufwand wird aus der Reichskasse bestritten. Die gesammte seemännische Bevölkerung des Reichs, einschließlich des Maschinenpersonals und der Schiffshandwerker, ist vom Dienste im Landheere befreit, dagegen zum Dienste in der Kaiserlichen Marine verpflichtet.
[...]

*Letzter Satz hinzugefügt durch verfassungsänderndes Gesetz vom 28.10.1918.

Abschnitt XI. Reichskriegswesen [Art. 57-68]

Artikel 57
Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen. [...]

Artikel 59*
Jeder wehrfähige Deutsche gehört sieben Jahre lang, in der Regel vom vollendeten 20. bis zum beginnenden 28. Lebensjahre, dem stehenden Heere, die folgenden fünf Lebensjahre der Landwehr ersten Aufgebots und sodann bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem das 39. Lebensjahr vollendet wird, der Landwehr zweiten Aufgebots an.
Während der Dauer der Dienstpflicht im stehenden Heere sind die Mannschaften der Kavallerie und reitenden Feldartillerie die ersten drei, alle übrigen Mannschaften die ersten zwei Jahre zum ununterbrochenen Dienste bei den Fahnen verpflichtet."

*In der durch Reichsgesetz vom 15.04.1905 geänderten Fassung.

Artikel 61
Nach Publikation dieser Verfassung ist in dem ganzen Reiche die gesammte Preußische Militairgesetzgebung ungesäumt einzuführen, sowohl die Gesetze selbst, als die zu ihrer Ausführung, Erläuterung oder Ergänzung erlassenen Reglements, Instruktionen und Reskripte, [...]
 
 

Der Umfang der Verpflichtung zum Wehrdienst

Preußen als weitaus größtes Bundesland war gemäß Art. 61 maßgebend für die gesamte Wehrverfassung. Sein Wehrpflichtgesetz (Gesetz betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste vom 09.11.1867) wurde deshalb für das ganze Reich verbindlich. Weitere Einzelheiten zur Organisation des Heeres und zur Rekrutierung der Soldaten regelte das Reichs-Militärgesetz (vom 02.05.1874). Beide Gesetze wurde mehrfach geändert. Zur ihrer Ausführung ergingen insbesondere die Wehrordnung, die Heerordnung und die Marineordnung.

Um die Durchführung dieser Vorschriften zu verstehen, muss zunächst unterschieder werden zwischen Wehrpflicht, Militärpflicht, Dienstpflicht im allgemeinen und Landsturmpflicht, wobei die Dienstpflicht das Kernstück des Systems bildet:
 

In der folgenden Tabelle sind die dem Lebensalter entsprechenden typischen Abläufe für vier Arten von Wehrpflichtigen zusammengefasst.
Lebens-
jahr
Regelung
 
Beispiel 1:
Infanterist
Beispiel 2:
Seesoldat
Beispiel 3:
Ersatzreservist
Beispiel 4:
Landsturmmann
17 Beginn der Wehrpflicht Landsturm I
(3 Jahre)
Landsturm I
(3 Jahre)
Landsturm I
(3 Jahre)
Landsturm I
(22 Jahre)
18  
19  
20 Beginn der Dienstpflicht Aktiver Dienst
(2 Jahre)
Aktiver Dienst
(3 Jahre)
Ersatzreserve
des Heeres
oder
der Marine
(12 Jahre)
21  
22   Reserve
(5 Jahre)
23   Marine-Reserve
(4 Jahre)
24  
25  
26  
27   Landwehr I
(5 Jahre)
Seewehr I
(3 Jahre)
28  
29  
30   Seewehr II
(9 Jahre)
31  
32   Landwehr II
(7 Jahre)
ohne Übungen:
Land-/Seewehr I
(7 Jahre)
 
mit Übungen:
Land-/Seewehr II
(7 Jahre)
33  
34  
35  
36  
37  
38  
39 Ende der Dienstpflicht Landsturm II
(6 Jahre)
Landsturm II
(6 Jahre)
Landsturm II
(6 Jahre)
Landsturm II
(6 Jahre)
40  
41  
42  
43  
44  
45 Ende der Wehrpflicht  

Nicht in der Tabelle enthalten sind diejenigen, die freiwillig für eine gewisse Zeit ihrer Dienstpflicht genügen. Zu berücksichtigen ist auch, dass die aktive Dienstpflicht im Falle ein- oder mehrmaliger Zurückstellung auch bis zu drei, in Ausnahmefällen bis zu fünf Jahre später beginnen kann.
 

Auszüge aus der Wehrordnung

Hinweis: Die Wehrordnung vom 1888 (mit späteren Änderungen) war die zentrale Ausführungsvorschrift für die Bestimmungen der Reichsverfassung (RV) und der entsprechenden Gesetze (Wehrpflichtgesetz -WG-, Reichsmilitärgesetz -RMG-). Sie wurde ihrerseits ergänzt durch die Heerordnung und die Marineordnung und sonstige Vorschriften.
 
§ 4. Wehrpflicht
1. Jeder Deutsche ist wehrpflichtig und kann sich in Ausübung dieser Pflicht nicht vertreten lassen.
Ausgenommen von der Wehrpflicht sind nur:
a) die Mitglieder regierender Häuser;
b) die Mitglieder der mediatisierten, vormals reichsständischen und derjenigen Häuser, welchen die Befreiung von der Wehrpflicht durch Verträge zugesichert ist oder auf Grund besonderer Rechtstitel zusteht.
2. Diejenigen Wehrpflichtigen, welche zwar nicht zum Waffendienste, jedoch zu sonstigen militärischen Dienstleistungen, welche ihrem bürgerlichen Berufe entsprechen, fähig sind, können zu solchen herangezogen werden.
3. Die Wehrpflicht beginnt mit dem vollendeten 17. Lebensjahre und dauert bis zum vollendeten 45. Lebensjahre.
 
§ 5. Gliederung der Wehrpflicht
1. Die Wehrpflicht zerfällt in die Dienstpflicht und die Landsturmpflicht.
2. Die Dienstpflicht ist die Pflicht zum Dienst im Heere oder in der Marine.
Während der Dauer der Dienstpflicht ist jeder Deutsche in der Regel vom vollendeten 20. Lebensjahre bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem er das 39. Lebensjahr vollendet, dienstpflichtig.
3. Die Pflicht zum Dienst im Heere wird eingeteilt in:
a) aktive Dienstpflicht [im stehenden Heere]
b) Reservepflicht [im stehenden Heere]
c) Landwehrpflicht
d) Ersatzreservepflicht
4. Die Pflicht zum Dienst in der Marine wird eingeteilt in:
a) aktive Dienstpflicht [in der stehenden Marine]
b) Marinereservepflicht [in der stehenden Marine]
c) Seewehrpflicht
d) Marine-Ersatzreservepflicht
5. Ueber Dienstpflicht im Kriege siehe § 19.
6. Alle nicht zum Dienst im Heere oder in der Marine eingezogenen Wehrpflichtigen sind landsturmpflichtig (§ 29).
 
§ 6. Dienstpflicht im stehenden Heere
1. Die Dienstpflicht im stehenden Heere umfaßt die aktive Dienstpflicht und die Reservepflicht.
2. Die Dienstpflicht im stehenden Heere dauert sieben Jahre (vergl. jedoch § 11 Abs. 5).
3. Die aktive Dienstpflicht im Heere dauert drei Jahre.
4. Nach abgeleistetem aktiven Dienste werden die Mannschaften zur Reserve beurlaubt.
 
§ 8. Aktive Dienstzeit der Einjährig-Freiwilligen
1. Junge Leute von Bildung, welche sich während ihrer Dienstzeit selbst bekleiden, ausrüsten und verpflegen, und welche die gewonnenen Kenntnisse in dem vorgeschriebenen Umfange dargelegt haben, werden schon nach einer einjährigen aktiven Dienstzeit im stehenden Heere – vom Tage des Diensteintritts an gerechnet – zur Reserve beurlaubt. [...]
 
§ 9. Aktive Dienstzeit der Volksschullehrer und Kandidaten des Volksschulamtes
1. Volksschullehrer und Kandidaten des Volksschulamtes, welche ihre Befähigung für das Schulamt in vorschriftsmäßiger Prüfung nachgewiesen haben, können nach kürzerer Einübung mit den Waffen zur Reserve beurlaubt werden. [...]
 
§ 12. Landwehrpflicht
1. Die Landwehr wird in zwei Aufgebote eingeteilt.
2. Die Verpflichtung zum Dienst in der Landwehr ersten Aufgebots ist von fünfjähriger Dauer.
Mannschaften der Kavallerie, welche sich freiwillig zu einer vierjährigen Dienstzeit verpflichtet haben, dienen, sofern sie dieser Verpflichtung nachgekommen sind, in der Landwehr ersten Aufgebots nur drei Jahre.
3. Der Eintritt in die Landwehr ersten Aufgebots erfolgt nach abgeleisteter Dienstpflicht im stehenden Heere.
4. Die Versetzung aus der Landwehr ersten Aufgebots in die Landwehr zweiten Aufgebots erfolgt nach erfüllter Dienstpflicht bei den Frühjahrs-Kontrollversammlungen. [...]
5. Die Verpflichtung zum Dienst in der Landwehr zweiten Aufgebots dauert bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem das 39. Lebensjahr vollendet wird.
6. Für Mannschaften, welche vor vollendetem 20. Lebensjahr in das Heer eingetreten sind, endigt diese Verpflichtung jedoch schon am 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem der Dienstpflichtige der Landwehr zweiten Aufgebots angehört hat. [...]
7. Der Uebertritt aus der Landwehr zweiten Aufgebots zum Landsturm zweiten Aufgebots (§ 20 ABs. 2 bis 5) erfolgt nach erfüllter Dienstpflicht ohne Weiteres. [...]
 
§ 13. Ersatzreservepflicht
1. Die Ersatzreserve dient zur Ergänzung des Heeres bei Mobilmachungen und zur Bildung von Ersatztruppenteilen.
Derselben sind jährlich so viele Mannschaften zu überweisen, daß mit sieben Jahresklassen der erste Bedarf für die Mobilmachung des Heeres gedeckt wird.
2. Die Ersatzreservepflicht dauer zwölf Jahre und rechnet vom 1. Oktober desjenigen Kalenderjahres ab, in welchem das 20. Lebensjahr vollendet wird. [...]
5. Ersatzreservisten, welche geübt haben (§ 117), treten nach Ablauf der Ersatzreservepflicht zur Landwehr zweiten Aufgebots, die übrigen Ersatzreservisten zum Landsturm ersten Aufgebots (§ 20, Abs. 2 bis 4) über. Die Versetzung erfolgt bei der nächsten nach Ablauf der Ersatzreservepflicht folgenden Frühjahrs-Kontrollversammlung. [...]
7. Ersatzreservisten, welche im Falle der Mobilmachung oder Bildung von Ersatztruppenteilen einberufen werden, sind bei der Demobilmachung bezw. bei Auflösung der Ersatztruppenteile zu entlassen.
Sind sie nicht militärisch ausgebildet, so treten sie, sofern sie das ersatzreservepflichtige Alter noch nicht überschritten haben, wieder in die Ersatzreserve zurück.
Gelangen dieselben als militärisch ausgebildet zur Entlassung, so treten sie, sofern sie sich im reservepflichtigen Alter befinden, zur Reserve, sofern sie dem landwehrpflichtigen Alter angehören, zur Landwehr über.
8. Die Dauer der ihnen hiernach obliegenden Reserve- bzw. Landwehrpflicht ist so zu berechnen, als wenn sie am 1. Oktober desjenigen Kalenderjahres, in welchem sie das 20. Lebensjahr vollendeten, zur Einstellung zum aktiven Dienst gelangt wären.
 
§ 14. Dienstpflicht in der stehenden Marine
1. Die Dienstpflicht in der stehenden Marine umfaßt die aktive Dienstpflicht und die Marinereservepflicht.
2. Die Dienstpflicht in der stehenden Marine dauert sieben Jahre.
3. Die aktive Dienstpflicht in der Marine dauert drei Jahre.
4. Nach abgeleistetem aktiven Dienste werden die Mannschaften zur Marinereserve beurlaubt.
 
§ 15. Aktive Dienstpflicht in der Marine
1. Die Bestimmungen des § 7 Abs. 1, 3 und 4 finden auf die aktive Dienstpflicht in der Marine sinngemäße Anwendung; die näheren Bestimmungen sind in der Marineordnung enthalten. [...]
3. Die aktive Dienstpflicht kann für Seeleute von Beruf und für das Maschinenpersonal, sowie für Lotsen und Lotsenknechte in Berücksichtigung ihrer technischen Vorbildung und nach Maßgabe ihrer Ausbildung für den Dienst in der Marine bis auf ein Jahr verkürzt werden.
4. Junge Seeleute von Beruf und Maschinisten, welche die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst oder das Zeugnis über die Befähigung zum Seesteuermann besitzen (§ 88 Abs. 3), genügen ihrer aktiven Dienstpflicht in der Marine durch einjährig-freiwilligen Dienst.
Dieselben sind nicht verpflichtet, sich selbst zu bekleiden und zu verpflegen. [...]
 
§ 16. Marinereservepflicht
1. Die Bestimmungen des § 11, Abs. 1 bis 5 finden sinngemäße Anwendung.
2. Ueber Marinereservepflicht ehemaliger Marine-Ersatzreservisten siehe § 18 Abs. 3 und 4.
 
§ 17. Seewehrpflicht
1. Die Bestimmungen des § 12, Abs. 1 bis 8 finden auf die Seewehr sinngemäße Anwendung.
2. Ueber Seewehrpflicht ehemaliger Marine-Ersatzreservisten siehe § 18 Abs. 3 und 4.
 
§ 18. Marine-Ersatzreservepflicht
1. Die Marine-Ersatzreserve dient bei Mobilmachungen zur Ergänzung der Marine.
Derselben werden alle in Betracht kommenden Mannschaften der seemännischen und halbseemännischen Bevölkerung (§ 23), sowie an Ersatzreservisten der Landbevölkerung alljährlich der siebte Teil des Mobilmachungsbedarfs für die Seebataillone, Weftdivisionen und Matrosen-Artillerie-Abteilugnen überwiesen.
2. Die Bestimmungen des § 13, Abs. 2 bis 4 finden auf die Marine-Ersatzreservisten sinngemäße Anwendung.
3. Marine-Ersatzreservisten, welche nach Uebungen als seemännisch bezw. militärisch ausgebildet zur Entlassung kommen, treten je nach ihrem Alter zur Marinereserve bezw. Seewehr ersten Aufgebots über.
4. Die Dauer der ihnen hiernach obliegenden Marinereserve- bzw. Seewehrpflicht ist nach den im § 13, Abs. 2 bis 4 enthaltenen Bestimmungen zu berechnen.
5. Mannschaften, welche nicht seemännisch bezw. militärisch ausgebildet sind, treten nach Ablauf der Marine-Ersatzreservepflicht zum Landsturm ersten Aufgebots über. [...]
6. Marine-Ersatzreservisten, welche im Falle der Mobilmachung zur Ergänzung der Marine einberufen werden, sind bei der Demobilmachung zu entlassen.
 
§ 20. Landsturmpflicht
1. Der Landsturm hat die Pflicht, im Kriegsfalle an der Verteidigung des Vaterlandes teilzunehmen; er kann in Fällen außerordentlichen Bedarfs zurErgänzung des Heeres und der Marine herangezogen werden.
2. Der Landsturm besteht aus allen Wehrpflichtigen vom vollendeten 17. bis zum vollendeten 45. Lebensjahre, welche weder dem Heere, noch der Marine angehören.
3. Der Landsturm wird in zwei Aufgebote eingeteilt.
4. Zum Landsturm ersten Aufgebots gehören die Landsturmpflichtigen bis zum 31. März desjenigen Kalenderjahres, in welchem sie ihr 39. Lebensjahr vollenden, zum Landsturm zweiten Aufgebots von dem eben bezeichneten Zeitpunkt bis zum Ablauf der Landsturmpflicht.
5. Personen, welche gemäß § 12, Abs. 6 vor dem im vorigen Absatz bezeichneten Zeitpunkte ihre Dienstpflicht in der Landweh (Seewehr) zweiten Aufgebots abgeleistet haben, treten sofort zum Landsturm zweiten Aufgebots über. [...]
 
§ 22. Militärpflicht
1. Die Militärpflicht ist die Pflicht, sich der Aushebung für das Heer oder die Marine zu unterwerfen.
2. Die Militärpflicht beginnt mit dem 1. Januar des Kalenderjahres, in welchem der Wehrpflichtige das 20. Lebensjahr vollendet, und dauert so lange, bis über die Dienstverpflichtung der Wehrpflichtigen entgültig entschieden ist (§ 28, Abs. 4).
3. Während der Dauer der Militärpflicht heißen die Wehrpflichtigen militärpflichtig.
 
§ 23. Militärpflicht der seemännischen und halbseemännischen Bevölkerung
1. Die seemännische Bevölkerung des Reichs ist nur der Aushebung für die Marine unterworfen.
Aus der halbseemännischen Bevölkerung wird der weitere Bedarf der Marine an Seeleuten gedeckt.
2. Zur seemännischen Bevölkerung des Reichs sind zu rechnen:
a) Seeleute von Beruf, d. h. Leute, welche mindestens ein Jahr auf Deutschen See-, Küsten- oder Hafffahrzeugen gefahren sind;
b) See-, Küsten- und Hafffischer, welche die Fischerei mindestens ein Jahr gewerbsmäßig betrieben haben;
c) Schiffszimmerleute, welche zur See gefahren sind;
d) Maschinisten, Maschinistengehülfen und Heizer von See- und Flußdampfern.
3. Zur halbseemännischen Bevölkerung sind zu rechnen:
a) Seeleute, welche als solche auf Deutschen oder außerdeutschen Fahrzeuen mindestens zwölf Wochen gefahren sind;
b) See-, Küsten- und Hafffischer, welche die Fischerei zwar weniger als ein Jahr aber gewerbsmäßig betreiben.
 
§ 24. Freiwilliger Eintritt vor Beginn der Militärpflicht
1. Um im Allgemeinen wissenschaftliche und gewerbliche Ausbildung so wenig wie möglich durch die Dienstpflicht zu stören, ist es jedem jungen Mann überlassen, schon nach vollendetem 17. Lebensjahre (d. i. nach Beginn der Wehrpflicht), wenn er die nötige moralische und körperliche Befähigung hat, freiwillig zum aktiven Dienst im Heere oder in der Marine einzutreten.
2. Wehrpflichtige der seemännischen Bevölkerung dürfen nur in die Marine freiwillig eintreten.
3. Wehrpflichtige, welche freiwillig in das Heer oder die Marine eintreten, sind der Aushebung nicht mehr unterworfen.
4. Die näheren Bestimmungen über den freiwilligen Eintritt in das Heer oder in die Marine sind in den Abschnitten XIII und XIV, sowie in der Marineordnung enthalten. 
§ 25. Meldepflicht
1. Nach Beginn der Militärpflicht (§ 22, Abs. 2) haben die Wehrpflichtigen die Pflicht, sich zur Aufnahme in die Rekrutierungsstammrolle (§ 3, Abs. 2) anzumelden (Meldepflicht).
Diese Meldung muß in der Zeit vom 15. Januar bis zum 1. Februar erfolgen. [...]
 
§ 26. Gestellungspflicht
1. Die Gestellungspflicht ist die Pflicht der Militärpflichtigen, sich behufs Herbeiführung einer endgültigen Entscheidung über ihre Dienstverpflichtung vor den Ersatzbehörden zu gestellen. Die Gestellung findet höchstens zweimal jährlich statt. [...]
 
§ 28. Entscheidungen der Ersatzbehörden über Militärpflichtige
1. Die Entscheidungen der Ersatzbehörden werden bedingt durch die Würdigkeit, die Tauglichkeit, die bürgerlichen Verhältnisse und die Rangierung der Militärpflichtigen.
2. Die Entscheidungen sind entweder vorläufige oder endgültige.
3. Die vorläufigen Entscheidungen bestehen in der Zurückstellung Militärpflichtiger von der Aushebung für einen bestimmten Zeitraum.
4. Die endgültigen Entscheidungen bestehen in der
a) Ausschließung vom Dienst im Heere oder in der Marine
b) Ausmusterung vom Dienst im Heere oder in der Marine
c) Ueberweisung zum Landsturm ersten Aufgebots,
d) Ueberweisung zur Ersatzreserve bezw. Marine-Ersatzreserve,
e) Aushebung für einen Truppen- oder Marineteil.
 
§ 29. Vorläufige Entscheidungen
1. Zurückstellung Militärpflichtiger von der Aushebung kann erfolgen:
a) wegen zeitiger Ausschließungsgründe (§ 30),
b) wegen zeitiger Untauglichkeit (§ 31),
c) in Berücksichtigung bürgerlicher Verhältnisse (§§ 32 und 33),
d) als überzählig (§ 34). [...]
3. In der Regel erfolgt Zurückstellung nur für die Dauer des laufenden Jahres, d. h. bis zum Termin für Anmeldung zur Stammrolle im nächsten Jahre.
Lassen besondere im Gesetz begründete Verhältnisse eine weitergehende Berücksichtigung gerechtfertigt erscheinen, so ist Zurückstellung durch die Ersatzkommission bis zum dritten Militärpflichtjahre zulässig.
4. Zurückstellung über das dritte Militärpflichtjahr hinaus ist durch die Ersatzkommission zulässig:
a) wegen zeitiger Ausschließungsgründe (§ 30 Abs. 2), und zwar bis zum fünften Militärpflichtjahre,
b) behufs ungestörter Ausbildung für den Lebensberuf (§ 32 Abs. 5) und zwar in ausnahmsweisen Verhältnissen bis zum fünften Militärpflichtjahre (vergl. §§ 33 Abs. 7 und 89 Abs. 7), [...]
 
§ 40. Ueberweisung zur Ersatzreserve
1. Der Ersatzreserve sind in erster Linie diejenigen Personen zu überweisen, welche zum Dienst im stehenden Heere tauglich befunden, aber als "Ueberzählige" bis zu dem auf das dritte Militärpflichtjahr folgenden 1. Februar nicht zur Einstellung gelangt sind. [...]
 
§ 41. Ueberweisung zur Marine-Ersatzreserve
1. Der Marine-Ersatzreserve sind alle diejenigen Personen der seemännischen und halbseemännischen Bevölkerung (§ 23) zu überweisen, welche zum Dienst in der stehenden Marine tauglich befunden, aber als "Ueberzählige" bis zu dem auf das dritte Militärpflichtjahr folgenden 1. Februar nicht zur Einstellung gelangt sind. [...]

Abschnitt XIX. Erfüllung der Dienstpflicht
 
§ 109. Erfüllung der Dienstpflicht im allgemeinen
1. Die Dienstpflicht wird teils im aktiven Heere bezw. in der aktiven Marine, teils im Beurlaubtenverhältnis abgeleistet.
2. Zum aktiven Heere gehören:
A. die Militärpersonen des Friedensstandes, und zwar:
a) die Offiziere, Aerzte und Militärbeamten des Friedensstandes vom Tage ihrer Anstellung bis zum Zeitpunkt ihrer Entlassung aus dem Dienst;
b) die Kapitulanten vom Beginn bis zum Ablauf oder bis zur Aufhebung der abgeschlossenen Kapitulation;
c) die Freiwilligen und die ausgehobenen Rekruten von dem Tage, mit welchem ihre Verpflegung durch die Militärverwaltung beginnt; Einjährig-Freiwillige von dem Zeitpunkt ihrer Einstellung in einen Truppenteil an – sämtlich bis zum Ablauf des Tages ihrer Entlassung aus dem aktiven Dienst.
B. a) Die aus dem Beurlaubtenstande zum Dienst einberufenen Offiziere, Aerzte, Militärbeamten und Mannschaften von dem Tage, zu welchem sie einberufen sind, bis zum Ablaufe des Tages der Wiederentlassung; [...]
3. Im Beurlaubtenverhältnis befinden sich alle Personen des Beurlaubtenstandes, welche nicht zum aktiven Dienst einberufen sind.
4. Zum Beurlaubtenstande gehören:
a) die Offiziere, Aerzte, Beamten und Mannschaften der Reserve, Marinereserve, Landwehr und Seewehr sowie die Mannschaften der Ersatzreserve und Marine-Ersatzreserve;
b) die vorläufig in die Heimat beurlaubten Rekruten und Freiwilligen;
c) die bis zur Entscheidung über ihr ferneres Militärverhältnis zur Disposition der Ersatzbehörden entlassenen Mannschaften;
d) die vor erfüllter aktiver Dienstpflicht zur Disposition der Truppen-(Marine-)teile beurlaubten Mannschaften.
 
§ 116. Uebungen der Reserve, Marinereserve, Land- und Seewehr
1. Jeder Reservist ist während der Dauer des Reserveverhältnisses zur Teilnahme an zwei Uebungen verpflichtet.
Diese Uebungen sollen die Dauer von je 8 Wochen nicht überschreiten.
Jede Einberufung zum aktiven Dienst im Heere oder in der Marine zählt für eine Uebung. [...]
2. Die Mannschaften der Landwehrinfanterie des ersten Aufgebots können während der Dienstzeit in der Landwehr ersten Aufgebots zweimal auf 8 bis 14 Tage zu Uebungen in besonderen Kompagnien oder Bataillonen einberufen werden.
Die Landwehrkavallerie wird im Frieden zu Uebungen nicht einberufen.
Die Mannschaften der Landwehr ersten Aufgebots der übrigen Waffen üben in demselben Umfange, wie die der Infanterie, jedoch im Anschlusse an die betreffenden Linien-Truppenteile.
3. Mannschaften der Landwehr ersten Aufgebots, welche das 32. Lebensjahr überschritten haben, können zu den gesetzlichen Uebungen nur ausnahmsweise, auf Grund besonderer Kaiserlicher Verordnung, einberufen werden. [...]
5. Die zur Landwehr zweiten Aufgebots gehörigen Personen dürfen im Frieden zu Uebungen nicht herangezogen werden, jedoch sind freiwillige Uebungen derselben zulässig.
6. Die Offiziere der Reserve können während der Dauer des Reserveverhältnisses dreimal zu vier- bis achtwöchigen Uebungen herangezogen werden. [...]
 
§ 117. Uebungen der Ersatzreserve und Marine-Ersatzreserve
1. Die Ersatzresevisten sind im Frieden zur Ableistung von drei Uebungen verpflichtet, von denen die erste zehn Wochen, die zweite sechs Wochen und die dritte vier Wochen dauert. [...]
 

* RV Art. 57 (siehe oben), WG § 1.
** mmm


 

©  Hans-Joachim Schmidt
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