Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Treffen mit der Forschungsgruppe in Marugame am 17.04.2012

von Hans K. Rode
 

Den folgenden Bericht hat unser Korrespondent Hans K. Rode zur Verfügung gestellt, der vor kurzem mit seiner Frau Brigitte in Japan weilte.

 

Das ehemalige Gefangenenlager Bando war uns vom Film "ODE AN DIE FREUDE" (Baruto no gakuen) und vom persönlichen Besuch mit der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Trier im Jahre 2008 in Naruto bestens bekannt. Aber von Marugame und dem dortigen Lager hatten wir nur geringe Kenntnisse. Erst die Nachforschungen über Siegfried Berliner führten uns auf die Spur des Lagers Marugame. Berichte des Forschers der Kriegsgefangenenlager Prof. Takahashi aus Okayama gaben uns den Hinweis, dass sich in Marugame etwas Wichtiges im Zusammenhang mit dem Gefangenen Siegfried Berliner, vorher Professor für Handelstechnik (Betriebswirtschaftslehre) an der Kaiserlichen Universität Tokyo, und seiner Frau Dr. Anna Berliner im Jahre 1915 ereignet haben könnte.

Prof. Takahashi - inzwischen emeritiert - war für längere Zeit verreist, und es war deshalb ein Glücksfall, dass wir direkt in Marugame Kontakt zu Kiyoyuki Kosaka knüpfen konnten. Der Germanist Kosaka san ist ein hervorragender Kenner der Geschichte des Lagers Marugame, spricht fließend Deutsch und ist an Hilfsbereitschaft nicht zu überbieten. Bereits seit Jahren versorgt er die Homepage www.tsingtau.info mit wertvoller Information und sendet die Newsletter der "Forschungsgruppe Deutsche Kriegsgefangene aus Tsingtau in japanischen Internierungslagern" an interessierte Leser in Japan und Deutschland.

Der vereinbarte Kurzbesuch in Marugame war für uns ein echtes Erlebnis. Wir wandelten auf den Spuren von Anna Berliner von ihrem angemieteten Haus im Ortsteil Shioya Shinhama zum Lager im Tempel, trafen zufällig den Enkel des seinerzeitigen Vermieters des Hauses von Anna Berliner und hörten, wie der damals 10-jährige Vater von Kosaka san die ausländische Frau vor 100 Jahren auf ihrem Weg zum Lager beobachtete. Vorab hatte Kosaka san bereits eine deutsche Übersetzung des Lagertagebuchs Marugame angefertigt, so dass wir eine Vorstellung hatten, wie sich das Leben vor 100 Jahren im Lager abgespielt hat.

Wir sahen die Tempelanlage von HONGANJI-BETSU-IN der buddistischen Shodojin Sekte so, wie sie von 1914-1917 als Lager für mehr als 300 deutsche Kriegsgefangene genutzt wurde.

Tempel

Den verfügbaren Platz für einen Gefangenen von einem Tatami (180 cm x 50 cm) konnten wir physisch durch eine Lageprobe nachvollziehen und bekamen dadurch umso mehr Respekt vor den Menschen, die dort drei Jahre ausharren mussten. Die verfügbaren alten Fotos bekamen angesichts der persönlichen Inspektion des Tempelgeländes eine ganz andere Dimension. Unbeschreiblich die Vorstellung: Dort an dem Platz vor dem Tempel hat bei gutem Wetter (oder innen im Tempel bei schlechtem Wetter) das Paul-Engel-Orchester gespielt, und Siegfried Berliner war der erste Geiger.

Wir sahen den Platz, wo früher das Lager der deutschen Offiziere mit Hauptmann Lancelle an der Spitze war. Wir wandelten auf dem Hof, wo die von den Gefangenen gefertigten Gegenstände nahezu 30.000 japanische Besucher aus Marugame und Umgebung angelockt hatten. Wir fuhren mit Kosaka san zum Fussballfeld, wohin die Gefangenen zu sportlichen Aktivitäten marschiert sind. Und schließlich fuhren wir zum Friedhof mit dem Grab von Amandus Temme, der als einziger Gefangener im Lager Marugame gestorben ist; an der Hakenwurmkrankheit soll er gestorben sein.

Am Abend schließlich hatte Kosaka san ein Treffen mit der Forschungsgruppe im Hotel Okura organisiert. Teilgenommen haben (von links aus gesehen) die Herren Nishikawa Yoshinari (ein Jahr in Baiersbronn als Trainee von einer Furnierholzfirma), Kosaka Kiyoyuki, Tamura Keizo (Geschichtslehrer, studierte an der Uni besonders über Preußen), Shimada Norito (Geschichtslehrer, spezialisiert sich über Ein- und Auswanderungsgeschichte von Japanern), Akagaki Hiroshi (Chemielehrer, Verwalter der Homepage der Forschungsgruppe), Yamashita Akira (von der JDG-Kagawa, Zweigstelle Marugame) und der Berichterstatter Hans K. Rode mit seiner Frau Brigitte Rode.

Forscher

Der Informationsaustausch war sehr rege, und das Engagement der Forschungsgruppe zur Aufarbeitung der Geschichte der Deutschen Gefangenen war beeindruckend. Wir konnten wertvolle Anregungen zur Fertigstellung des geplanten Vortrages über Siegfried Berliner mitnehmen. Vor allem aber sind wir mit dem Gefühl abgereist, über das Schicksal der seinerzeitigen Gefangenen hinweg neue Freunde in Japan gewonnen zu haben und jederzeit wieder in Marugame willkommen zu sein.

Hans K. Rode
Vorstandsmitglied Deutsch-Japanische Gesellschaft Trier e.V.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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