rkb Vereinigung ehemaliger Japan-Kriegsgefangener 1919 Merkbuch (080509#)

Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Vereinigung ehemaliger Japan-Kriegsgefangener

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Die Vereinigung ehemaliger Japan-Kriegsgefangener

Merkbuch Die "Vereinigung ehemaliger Japan-Kriegsgefangener" bildete sich noch während der letzten Wochen der Gefangenschaft. Sie verstand sich als die Interessenvertretung der gefangenen Unteroffiziere und Mannschaften und setzte sich zum Ziel, deren ideelle und vor allem materielle Interessen nach der Entlassung zu vertreten. Seinen Ausgangspunkt nahm die Gründung offenbar im Lager Kurume.

Hintergrund waren jahrelang sich hinziehende Diskussionen und Auseinandersetzungen zu der Frage, wie die von der Heimat und von den Unterstützungs-Organisationen aufgebrachten Gelder ("Liebesgabengelder") an die Gefangenen verteilt wurden. Die Mannschaften und ein Teil der Unteroffziere sahen sich hierbei benachteiligt gegenüber Offizieren und Beamten.

Das hier abgedruckte Merkbuch der Vereinigung stammt aus dem Nachlass von Johann Klassmann und wurde dankenswerterweise von der Familie Klassmann zur Verfügung gestellt.

Inhaltsverzeichnis (nicht im Original!):
SeiteInhalt
1-2Denkschrift an die Reichsregierung
2-4Forderungen an die Regierung (nebst Anmerkungen)
5-6Anfragen an die Regierung
7-8Anlage: Liebesgabengelder, Wechselkurse Mark/Yen
9-13Satzung der Vereinigung
14Vorstandsmitglieder
15-16Hinweise zu Ansprüchen bei Entlassung in der Heimat

 
Mit diesem Büchlein will der "Mannschafts-Ausschuß Kurume" den Kameraden in kurzen Worten einiges über die Zwecke und Ziele sagen, die zur Entstehung der "Vereinigung ehem. Japan-Kriegsgefangener" geführt haben und in der Heimat den Behörden gegenüber verfolgt werden sollen.

Der Regierung soll eine Denkschrift überreicht werden, die unsere Forderungen unter eingehender Begründung und unsere Anfragen enthält. Die endgültige Abfassung der Denkschrift erfolgt daheim durch die Vertreter der verschiedenen Japan-Lager, die sofort nach Eintreffen der letzten Heimkehrenden in der Heimat zusammentreten. Die gedruckte Denkschrift wird jedem Mitglied unserer Vereinigung sobald als möglich zugehen.


Unsere Forderungen lauten:

  1. Rückerstattung der für unseren Lebensunterhalt aufgewandten notwendigen Mittel in Höhe von Yen 15.- monatlich für jeden Kriegsgefangenen mit Ausnahme der Offiziere und Beamten.
  2. Ersatz der im Interesse des Staates aufgewandten Gelder: für Reise nach Tsingtau u.s.w.
  3. Entschädigung für das infolge des Falls von Tsingtau verloren gegangene Eigentum.
  4. Entschädigung für das durch Beschlagnahme seitens der feindlichen Regierungen oder durch andere Kriegs-Umstände verloren gegangene Eigentum.
  5. Bezahlung der Lagerkosten und frachtfreie Heimbeförderung des geborgenen Eigentums.
  6. Ärztliche und zahnärztliche Behandlung (Aufnahme in Krankenhäuser und Erholungsheime) für die in der Gefangenschaft oder infolge der Gefangenschaft Erkrankten, und Zahlung von Renten gemäß den bestehenden Bestimmungen.

Anmerkungen:
Zu Punkt 2: Die Forderung der Tsingtau-Reisegelder ist zwar bewilligt, aber da die Auszahlung bisher nicht erfolgt ist, muss umgehende Erledigung dieser Angelegenheit gefordert werden.
Zu Punkt 3: Es wird als Entschädigung eine Pauschalsumme verlangt werden und zwar
    für aktive Mannschaften des III. S.B. Goldmark 150
    für aktive Mannschaften der M.A.K. und Marine Goldmark 250
Für Reservisten eine Pauschalsumme festzusetzen war nicht möglich, da die Beträge zu verschieden von einander sind. Der Regierung wird eine Liste überreicht werden, die die Entschädigungsansprüche in Mex.-Dollar-Währung enthält und auf Grund der ausgefüllten Verlust-Nachweise aufgestellt wird.
Zu Punkte 4 und 5: Es wird empfohlen, die Einzelheiten über Verluste nicht militärischer Natur beim "Ostasiatischen Schutzverband Berlin" einzuziehen.


Unsere Anfragen an die Regierung beziehen sich auf:

  1. Liebesgabengeld: Aufbringung der Gelder, Art der Verteilung, Gründe für Nichtgewährung in den ersten Jahren der Gefangenschaft, Gründe der ungerechten Staffelung, Gründe für Verweigerung der Nachzahlung an Mannschaften.
  2. Tsingtau-Unterstützungsfonds: Befugnisse, Vorzugskurse für Beamte usw. (1 Mex.-Dollar = 2,10 Mark), Verweigerung von Vorschüssen auf Spareinlagen.
  3. Darlehnsgewährung durch Schweizer Gesandschaft: Kurs zeitweise höher als S.Sch.- und Post-Kurs.
  4. Kurs-Verluste: Versäumnis der Regierung, auch den Mannschaften günstige Überweisungs-Möglichkeit zu verschaffen.
  5. Lange Dauer der Gefangenschaft: Aufklärung darüber, ob Versuche angestellt wurden, Auslieferung (besonders der Kranken und Zivilisten) nach 18 monatlicher Gefangenschaft zu erreichen.
  6. Hilfs-Ausschuß Tokyo: Vorschriften betreffs Spende III und Rückzahlungen. Abrechnung über alle Einnahmen und Ausgaben.

Die Anlagen zur Denkschrift bestehen unter anderem aus einer Aufstellung über empfangenes Liebesgabengeld und über den Kursstand zu gewissen Zeitpunkten.

Liebesgabengelder:
Es wurde durchschnittlich monatlich gezahlt (einschließlich Nachzahlung) an:
  bis Sept. 1917 bis Febr. 1918 bis Sept. 1918 bis Febr. 1919 ab März 1919
Mannschaften 1,30 1,30 1,55 6,55 5,00
Unteroffiziere 1,50 11,50 13,10 13,10 10,00
Feldwebel und Deckoffiziere (a) 2,00 22,00 24,65 24,65 20,00
(a) dazu für aktive Feldwebel ein monatlicher Zuschuß von Yen 4.00 aus dem Lager-Liebesgabenfonds

Außerdem erhielten alle Dienstgrade eine einmalige Monatslöhnung (Mai 1917).

Kurse (annähernd) von Mark zu Yen: 1
Auszahlung in Japan Siemens-Schuckert Postanw. Bern D.A.B. Tientsin Deutsche B. 2
Okt/Nov. 1916 226 270-280 240-243
Okt./Nov. 1917 280 327-413 225
Okt./Nov. 1918 300 302-417 300 277
Januar 1919 360 414 273-285
März 1919 440 453-477
Juni 1919 640 600
Juli 1919 640 800
September 1919 640 848
Oktober 1919 751 802
November 1919   1680    
Kurse für Spende III Februar 1919:  440
Mai 1919:  722
Juli 1919:  775
August 1919:  770/832
Oktober 1919:   751


Der "Vereinigung ehemaliger Japan-Kriegsgefangener" haben sich in Kurume von 845 Mannschaften 830 als Mitglieder angeschlossen. In den anderen Lagern ist das Verhältnis ähnlich günstig. Es ergeht hiermit die Bitte an alle Mitglieder, zu ihrem eigenen Vorteil jetzt zur Vereinigung zu halten, bis unsere Forderungen, die in Übereinstimmung mit den Mannschafts-Ausschüssen aller Japan-Lager aufgestellt wurden, bewilligt sind.

Die Satzungen der Vereinigung lauten im vorläufigen Entwurf wie folgt:

I. Zweck der Vereinigung
§ 1. Die Vereinigung vertritt der deutschen Regierung gegenüber die Interessen ihrer Mitglieder aufgrund des während der Gefangenschaft aufgestellten und von den Mitgliedern unterschriebenen Programms; sie hat keinerlei politische Bestrebungen.
§ 2. Wenn der beabsichtigte Zweck erreicht ist, löst sich die Vereinigung auf.

II. Mitgliedschaft
§ 3. Mitglied der Vereinigung kann jeder ehemalige Japan-Kriegsgefangene werden.
§ 4. Die Mitgliedschaft erlischt erst mit der Auflösung der Vereinigung.

III. Vorstand
§ 5. Der Vorstand setzt sich aus 6 Mitgliedern zusammen, die aus den Mannschafts-Ausschüssen der einzelnen japanischen Kriegsgefangenenlagern gewählt werden. Von diesen führt ein Mitglied den Vorsitz, ein weiteres Mitglied leitet die Rechnungsführung, ein drittes die Schriftführung und ist gleichzeitig stellvertretender Vorsitzender. Der Vorstand ist ermächtigt, nach Erfordernis sich durch Beisitzer zu erweitern.
§ 6. Der Vorstand ist befugt, selbständig nach bestem Wissen und Gewissen die Verhandlungen mit der Reichsregierung zu führen.
§ 7. Im Falle des Ausscheidens eines Vorstandsmitgliedes tritt der ebenfalls aus den Mannschafts-Ausschüssen der japanischen Kriegsgefangenenlager gewählte Ersatzmann an seine Stelle. Scheidet auch dieser Ersatzmann aus, so ergänzt sich der Vorstand aus den übrigen Ersatzleuten ohne Rücksicht auf Lagerzugehörigkeit.
§ 8. Die Mitglieder des Vorstandes üben ihre Tätigkeit ehrenamtlich aus. Für Reisen im Dienste der Vereinigung steht ihnen freie Bahnfahrt 3. Klasse zu. In besonderen Fällen können auf Antrag einem Vorstandsmitglied die Kosten für den Lebensunterhalt nach schlicht bürgerlichen Grundsätzen während der Dauer der Verhandlungen (einschl. Reise) von den übrigen Vorstandsmitgliedern bewilligt werden.

IV. Organisation
§ 9. Die Vereinigung schließt sich als Sondergruppe der Reichsvereinigung ehemaliger Kriegs- und Zivilgefangener an, vorausgesetzt, daß diese die Sonderforderungen der Japan-Kriegsgefangenen als berechtigt anerkennt.

V. Beiträge und Rechnungsführung
§ 10. Es wird ein Eintrittsgeld von Mark 1,- erhoben. Die nicht am Heimtransport teilnehmenden bezahlen Yen 0,50. Die monatlichen Beiträge richten sich nach denen der Reichsvereinigung ehemaliger Kriegs- und Zivilgefangener.
§ 11. Die Ortsgruppe am jeweiligen Wohnsitze des Rechnungsführers bestimmt 3 Mitglieder zur Rechnungsprüfung, die mindestens jedes Vierteljahr stattzufinden hat. Berichterstattung hat halbjährlich zu erfolgen.
§ 12. Bei Auflösung der Vereinigung werden etwa vorhandene Barmittel gemäß Beschluß des Vorstandes einem wohltätigen Zweck zugewandt.


Die Vertreter der verschiedenen Lager, die zu Vorstandsmitgliedern der Vereinigung gewählt wurden, sind:
Kurume:
P. Wübbeling, Bremen, Rembertistr. 101
Ersatzvertreter: K. Müller, Harburg, Marienstr. 64
Narashino:
P. Cohnen, Mönchengladbach, Viersener Landstr. 36
Ersatzvertreter: F. Schrader, Derenburg am Harz
Bando:
K. Bähr, Radebeul-Oberlößnitz, Louisenstr. 12
Ersatzvertreter: F. Matthes, Bötersen Bez. Bremen
Aonogahara:
Gustav Erdmann, Cuxhaven, Amerikastr. 15
Ersatzvertreter: [...]
Nagoya:
R. Nothnagel, Freiberg in Sachsen, Moritzstr. 10
Ersatzvertreter: [...]
Ninoshima:
[...]
Ersatzvertreter: [...]
(Die fehlenden Namen werden noch bekannt gegeben.)


Nach Ankunft in der Heimat werden wir im Durchgangslager endgültig aus dem Heeresdienst entlassen und abgefunden. Jeder Kriegsgefangene hat nach den bisher bekannt gewordenen Bestimmungen Anspruch auf

  1. einen Entlassungs-Anzug
  2. 50 Mark Entlassungsgeld
  3. Löhnung mit Gebührnissen für 56 Tage vom Tage der Entlassung ab (Mark 280)
  4. eine Beihilfe für die Übergangszeit von mindestens 100-300 Mark
  5. Löhnung von dem Monatsdrittel ab, in dem bei Rückkehr aus der Gefangenschaft die Landesgrenze des Staates überschritten wird, in dem er gefangen war

Bei Anerkennung seiner Stammrolle muß jedes Mitglied unserer Vereinigung zu seinem eigenen Nutz und Frommen folgenden schriftlichen Vorbehalt machen:
"Meine weiteren Entschädigungs-Ansprüche, deren Vertretung die 'Vereinigung ehemaliger Japan-Kriegsgefangener' übernommen hat, erhalte ich aufrecht."

Zum Abschied allen Kameraden, auch denen, die nicht mir uns heimkehren, ein herzliches "Glück Auf!" in der Zuversicht, daß jeder stets des schönen Dichterwortes eingedenk bleiben wird:
  "Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an,
  das halte fest mit deinem ganzen Herzen,
  hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft."
    (Schiller, Tell)



Anmerkungen:
1  Lies: 1916 wurden einem Gefangenen für 226 Mark, die er über die Firma Siemens-Schuckert aus der Heimat erhielt, 100 Yen ausgezahlt (1 Mark = 0,44 Yen); im Oktober 1919 mussten 751 Mark eingezahlt werden, damit er 100 Yen erhalten konnte (1 Mark = 0,13 Yen).
2  Im Original: "Deutsche B. Pris. of W. Relief Comit. Yok. Sp. B" – Es ist nicht ganz klar, was hiermit gemeint ist, evtl: "Deutsche Botschaft, Kriegsgefangenen-Entlassungs-Komitee, Spalte B"?
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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