Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Ablieferung von Kriegsschiffen an Japan 1918/19
 

I. Deutsche U-Boote in Japan?!

Der Redakteur staunte nicht schlecht, als vor kurzem von dem Nachkommen des ehemaligen Gefangenen Josef Jung einige Bildpostkarten vorgelegt wurden, welche deutsche U-Boote im Hafen von Nagoya zeigen (siehe die folgenden Abbildungen, die beim Anklicken im Großformat erscheinen). Mit etwas Verzögerung fiel dann der Groschen: Es handelt sich um »Beute-U-Boote«, die aufgrund des Waffenstillstandsabkommens von 1918 an Japan abgeliefert worden waren. (Herzlichen Dank an unseren Freund Kiyoyuki KOSAKA für die Übersetzung der Beschriftung!)
 
U-Boot U-Boot
U-Boot

Der Rundstempel auf allen Karten bedeutet: »zur Erinnerung an das Einlaufen des Beute-U-Bootes, Nagoya-Hafen« im November 1919.
Die Fotos oben und links tragen die Inschrift: »Beute des Weltkrieges: deutsches U-Boot (fotografiert beim Einlaufen in den Nagoya-Hafen).«
Das Foto unten ist beschriftet mit: »U-Boot-Flotte, fotografiert beim Einlaufen in den Nagoya-Hafen (Mutterschiff Yugiri Maru).«
 
U-Boot


 
U-Boot U-Boot
U-Boot

Zu den abgebildeten »Beute-U-Booten« sind folgende technische Daten angegeben:1
a) oben: »Pferdestärke auf dem Meer: 2000; Länge: 213 shaku 6 sun; Breite: 21 shaku 2 sun; 1 Kanone mit der Länge 41 sun; 6 Torpedorohre mit der Länge 197 sun
b) links: »Pferdestärke auf dem Meer: 600; Länge: 175 shaku; Breite: 18 shaku 6 sun; 1 Kanone mit der Länge 41 sun; 6 Seeminen; Torpedorohre mit der Länge 197 sun, eines auf jeder Schiffsseite, eines auf dem Schiffsheck«


 
U-Boot U-Boot
U-Boot

Die Beschriftung dieser Fotos ist etwas reißerisch, als Konzession an das Publikum sozusagen:
a) Bei den beiden Fotos oben heisst es: »Das deutsche U-Boot, das als Satan auf dem Meer die ganze Welt schaudern ließ (zensiert von Marinebasis Yokosuka).«
b) Auf den Fotos links und unten ist, noch blumiger, vermerkt: »Der entlarvte Satan: das deutsche U-Boot, das während des Weltkrieges so grausam und blutdurstig unsere Kriegsschiffe quälte (zensiert von Marinebasis Yokosuka).«

U-Boot U-Boot

 

II. Zu den einschlägigen Bestimmungen des Waffenstillstandsabkommens und des VersaillerVertrages

Die vom alliierten Oberkommandierenden Marschall Foch am 11.11.1918 diktierten Waffenstillstandsbestimmungen enthielten auch »Bestimmungen hinsichtlich der [deutschen] Seemacht«.
Der U-Boot-Waffe wurde dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt:2

»XXII. — Den Alliierten und den Vereinigten Staaten sind alle zur Zeit vorhandenen Unterseeboote (alle Unterwasserkreuzer und alle Minenleger einbegriffen) mit ihrer vollständigen Bewaffnung und Ausrüstung in den von den Alliierten und den Vereinigten Staaten bezeichneten Häfen auszuliefern. Diejenigen, welche nicht auslaufen können, werden, was Personal und Material anbetrifft, abgerüstet und verbleiben unter der Bewachung der Alliierten und der Vereinigten Staaten.
Die fahrbereiten Unterseeboote sollen seeklar gemacht werden, um die deutschen Häfen zu verlassen, sobald Befehl für ihre Reise nach dem für ihre Auslieferung bestimmten Hafen durch Funkspruch eingegangen ist. Die übrigen folgen sobald als möglich. Die Bestimmungen dieses Artikels sind innerhalb 14 Tagen nach Unterzeichnung des Waffenstillstandes durchzuführen.«

Darüber hinaus wurde festgelegt:

»XXIII. — Die Kriegsschiffe der deutschen Hochseeflotte, welche die Alliierten und die Vereinigten Staaten bezeichnen, werden sofort abgerüstet und alsdann in neutralen Häfen oder in deren Ermangelung in Häfen der alliierten Mächte interniert. Die Häfen werden von den Alliierten und den Vereinigten Staaten bezeichnet werden. Sie bleiben dort unter der Überwachung der Alliierten und der Vereinigten Staaten; es werden nur Wachkommandos an Bord belassen. Die Bezeichnung der Alliierten erstreckt sich auf: 6 Panzerkreuzer, 10 Linienschiffe, 8 kleine Kreuzer (davon 2 Minenleger), 50 Zerstörer der neuesten Typen.«
 

Durch den Versailler Vertrag vom 28.06.1919 wurde das (vorläufige) Ende der deutschen U-Boot-Waffe besiegelt.3 Artikel 181 legte fest, dass sich unter den künftigen Seestreitkräften »kein Unterwasserfahrzeug« befinden dürfe. Artikel 188 ergänzte:

»Nach Ablauf einer Frist von einem Monat nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags müssen alle deutschen Unterseeboote ebenso wie die Hebeschiffe und Docks für Unterseeboote einschließlich des Druckdocks den alliierten und assoziierten Hauptmächten ausgeliefert sein. Diejenigen dieser Unterseeboote, Schiffe und Docks, die nach Ansicht der genannten Regierungen imstande sind, mit eigener Kraft zu fahren oder geschleppt zu werden, sind von der deutschen Regierung in die hierfür bezeichneten Häfen der alliierten Länder zu überführen. Die anderen Unterseeboote sowie die im Bau befindlichen hat die deutsche Regierung unter Aufsicht der genannten Regierungen vollständig abbrechen zu lassen. Der Abbruch muß spätestens drei Monate nach Inkrafttreten des gegenwärtigen Vertrags vollendet sein.«

III. Abgelieferte Schiffe und deren Verbleib

In Ausführung des Waffenstillstandsabkommens wurden bis Anfang Dezember 1918 folgende 10 Schiffe an Großbritannien zur Weitergabe an Japan abgegeben:
 
Datum Schiff Verbleib
19.11.1918 Torpedoboot S 60 1920 zum Abbruch verkauft
19.11.1918 Torpedoboot V 80 06.1920 zum Abbruch verkauft
19.11.1918 Torpedoboot V 127 zum Abbruch verkauft
21.11.1918 Küsten-Unterseeboot UB 125 als O 6 unter japanischer Flagge, jedoch 1921 abgebrochen
22.11.1918 Untersee-Minenleger UC 99 als O 5 unter japanischer Flagge, jedoch 1921 abgebrochen
26.11.1918 Unterseeboot U 46 als O 2 unter japanischer Flagge, jedoch 1922 abgebrochen
26.11.1918 Unterseeboot U 55 als O 3 unter japanischer Flagge, jedoch 1922 abgebrochen
26.11.1918 Untersee-Minenkreuzer U 125 als O 1 unter japanischer Flagge, jedoch 1922 abgebrochen
01.12.1918 Küsten-Unterseeboot UB 143 als O 7 unter japanischer Flagge, jedoch 1921 abgebrochen
01.12.1918 Untersee-Minenleger UC 90 als O 4 unter japanischer Flagge, jedoch 1921 abgebrochen

Nach Inkrafttreten des Versailler Vertrages erhielt Japan darüber hinaus weitere 5 Schiffe zugesprochen:
 
Datum Schiff Verbleib
07.04.1920 Linienschiff Nassau Schiff B, 06.1920 zum Abbruch verkauft
13.05.1920 Linienschiff Oldenburg Schiff M, 06.1920 zum Abbruch verkauft
20.08.1920 Torpedoboot T 181 zum Abbruch verkauft
03.09.1920 Kreuzer Augsburg Schiff Y, zum Abbruch verkauft
30.09.1920 Torpedoboot A 70 zum Abbruch verkauft

 

IV. Die Unterseeboote

Während die abgelieferten Überwasserschiffe ausnahmslos in Europa blieben und bald – meist in die Niederlande – zum Abbruch verkauft wurden, wurden die Unterseeboote »im Februar 1919 ... von japanischen Kriegsschiffen in England abgeholt, die mit ihnen über Portsmouth und Brest nach Japan fuhren« (Sander-Nagashima S. 52)4 – eine beachtliche Leistung angesichts der zurückzulegenden Entfernung!

Japan hatte zwischen 1905 und 1918 etwa zwei Dutzend eigene Unterseeboote überwiegend kleineren Typs in Dienst gestellt (Friedman S. 245 ff.). Weil die Absicht bestand, leistungsfähigere Boote zu bauen, schaute man sich die Kriegsbeute sehr genau an. Aber nicht nur das (Sander-Nagashima S. 52 f.):

»Als die übergebenen deutschen Boote am 18.06.1919 in Yokosuka eintrafen, wurden sogleich die Marine- und Militärattachés alliierter und assoziierter Mächte zu einer informellen Besichtigung eingeladen. Auch der Öffentlichkeit wurden die deutschen Beuteboote zugänglich gemacht. Hierbei wurden sie nicht einfach für Schaulustige im Marinehafen Yokosuka [an der Bucht von Tokyo] zur Besichtigung freigegeben, sondern liefen auch weitere Häfen ohne Marinestützpunkte an. ... Sie waren das Motiv von Ansichtskarten (teilweise sogar von kleinen Läden [feilgeboten,] die nichts anderes verkauften) und sie wurden von Besuchern überschwemmt.«

Wie die hier gezeigten Ansichtskarten belegen, kamen die Boote auch nach Nagoya, und entsprechende Ansichtskarten nebst Sonderstempeln wurden sogar an die Insassen des örtlichen Gefangenenlagers verkauft.

Jedenfalls sollen die Boote »von großem Einfluss auf die [künftige] japanische U-Bootkonstruktion« gewesen sein (Sander-Nagashima S. 53, siehe auch Friedman S. 249). Die folgende Tabelle nennt die wichtigsten technischen Daten (nach Gröner).
 
NameWasserver-
drängung netto
Länge*Breite
*Tiefgang
PS
O 1 ex U 1251.163 ts82,00*7,42*4,22 m2.400
O 2 ex U 46    725 ts65,00*6,20*3,74 m2.000
O 3 ex U 55   715 ts65,20*6,44*3,64 m2.400
O 4 ex UC 90
O 5 ex UC 99
   491 ts56,51*5,54*3,77 m   600
O 6 ex UB 125   512 ts55,85*5,80*3,72 m1.060
O 7 ex UB 143   523 ts55,85*5,80*3,75 m1.060

Der Vergleich mit den oben angegebenen Daten lässt vermuten, dass auf den Karten die Boote/Typen U 46 bzw. UC 90/99 abgebildet bzw. angesprochen sind.
 

Anmerkungen

1.  Umrechnung: 1 shaku = 30,3 cm, 1 sun = ein Zehntel shaku; siehe Abschnitt IV.

2.  Zitiert nach der deutschen Fassung: http://germanhistorydocs.ghi-dc.org/pdf/deu/armistice_germany_ger.pdf; französische Fassung: http://mjp.univ-perp.fr/traites/1918armistice.htm.

3.  Zitiert nach der deutschen Fassung: http://www.documentarchiv.de/wr/vv05.html.

4.  Angeblich mit Ausnahme eines Bootes, welches in Europa abgewrackt wurde (ebd. mit Verweis auf Jentschura).
 

Literaturhinweise


 

©  Hans-Joachim Schmidt
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