Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Lager Nagoya

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Besuch des Lagers Nagoya am 13.07.1918

Bericht von Dr. F. Paravicini
 

Inhalt

  1. Bericht [im Original S. 18-20]
  2. Liste von Invaliden und Kranken [im Original Anhang I, S. 32]

Der Redakteur hat Schreibfehler (in Original oder Abschrift) korrigiert, Abkürzungen ausgeschrieben, Anmerkungen in [...] oder als Fußnoten hinzugesetzt.
 


Bericht

Besteht seit 14. November 1914; besucht am 13. Juli. Liegt in der Nordostecke der Stadt gleichen Namens, der viertgrößten Japans und der wichtigsten Station zwischen Kyoto und Tokyo. Das Lager ist eines der älteren und war in manchem für Aonogahara und Bando vorbildlich.

Eine Offiziers- und vier Mannschaftsbaracken beherbergen die 494 Deutschen mit ihren 12 Offizieren, und nehmen ungefähr ein Zwanzigstel der 40.000 Quadratmeter, 4 Hektar, Lagerraum ein. Die üblichen Büros, Verwaltungsgebäude etc. lassen Raum für einen großen Spielplatz, 6 Tennisplätze und etwa ein halbes Dutzend kleinere und größere bewaldete Hügel mit von den Gefangenen erstellten Lauben. Es kommen auf den Mann etwa 3 Quadratmeter Barackenraum.

Der Kommandant bekannte sich zum Grundsatz, die Leute möglichst gut zu behandeln, aber Ungehorsam streng zu bestrafen.

Das Lager hat Anschluß an die städtische Wasserleitung.

Die Reinigung der Aborte und das Wegschaffen der Abfälle geschieht am Morgen durch Japaner.

Etwa 170 der Gefangenen gehen täglich auf Arbeit in die städtischen Eisenwerke, Färbereien, und eine Porzellanfabrik, deren Direktor deutsch spricht und die wir besuchten. Die Leute sind froh über die Abwechslung, und manchem kommt der Taglohn von 60 Sen bis ein Yen zugute. Sie bekommen an einigen Orten überdies noch das Mittagessen im Werte von etwa 25 Sen. Erholungspausen inbegriffen bleiben sie etwa 8 Stunden an der Arbeit. Die japanischen Arbeitgeber rühmen ihren Fleiß und ihre den Japanern weit überlegene Körperkraft.

Bäckerei ist im Lager. Das Rohmaterial für die Küche kommt von außen, abgesehen von etwas Geflügel, das im Lager gezüchtet wird.

Unter den Gefangenen befinden sich geschickte Handwerker. Wir sahen sogar eine noch nicht ganz fertige, im Lager entstandene Orgel und eine recht schön arbeitende, von einem Gefangenen erbaute Dampfmaschine.

An Sport wird neben Tennis besonders Fußball betrieben.

Die Lagerbibliothek umfaßt etwa 4.000 Bände.

Im Revier befanden sich 2 Magen-Darm- und 2 Geisteskranke. 2 Tuberkulosen sind im Lager ausgeheilt. Das Garnisonslazarett Nagoya nimmt schwerere Krankheitsfälle aus dem Lager auf; zur Zeit unseres Besuches waren keine dort. Im ersten Kriegsjahr war ich einmal telegraphisch zu einem letal endigenden komplizierten Typhus dorthin gerufen worden und hatte mich überzeugen können, dass die Arzte ihr Möglichstes für ihn getan. Außer diesem sind im Lager noch drei Todesfälle vorgekommen. Ursachen: Gehirnblutung, Diabetes, Lungen- und Kehlkopftuberkulose. Zweimal wöchentlich besucht ein Zahnarzt von Nagoya das Lager.

Von der Mannschaft liefen keine nennenswerten Klagen ein. Die Offiziere leiden unter zunehmender Abstumpfung und Erschlaffung. Sie sind in letzter Zeit strenger von der Mannschaft abgesondert als früher und beklagen sich, dass dadurch viel geistige Anregung für sie wegfällt, da sie sich untereinander nicht mehr viel mitzuteilen haben. Der Lagerkommandant gab disziplinarische Gründe für diese Massnahme an.
 

Liste von Invaliden und Kranken


 

©  für diese Fssung: Hans-Joachim Schmidt
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