Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Lagerbesuche Paravicini

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Bericht über den Besuch der Gefangenenlager (1918)

von Dr. F. Paravicini
 

Das »Internationale Komitee vom Roten Kreuz« (IKRK) engagierte sich – gemeinsam mit den nationalen Rote-Kreuz-Gesellschaften – seit Beginn des Ersten Weltkriegs nicht nur in Bezug auf die Verwundeten und Kranken, sondern wirkte auch koordinierend im Bereich des Gefangenenwesens. Die Objektivität der Einrichtung und ihrer Delegierten stand dabei weitgehend außer Zweifel.

In vielen Lagern wurden entsprechende Besuche des IKRK angefordert, auch von den deutschen Gefangenen in Japan. Dies galt insbesondere, nachdem die USA im April 1917 in den Krieg eingetreten waren und ihre Rolle als Schutzmacht – siehe die Besuche die Botschaftsrats Sumner Welles im Frühjahr und Herbst 1916 – aufgegeben hatten.

Die Schweiz als neue Schutzmacht sowie das IKRK stellten 1918 auf deutsches Drängen den Antrag, die japanischen Lager inspizieren zu dürfen. Der dazu ausersehene Delegationschef Dr. Fritz Paravicini war auch insoweit ein Glücksfall, als er vielen Japan-Deutschen bereits vor dem Kriege als Allgemeinarzt und Chirurg bekannt war.1

Der Bericht wurde im September 1918 abgeschlossen, die links abgebildete Broschüre im Januar 1919 veröffentlicht.
 

Übersicht

  1. Einleitung
  2. Allgemeine Bemerkungen
  3. Lager
    1. Aonogahara (07.07.1918)
    2. Bando (09.07.1918)
    3. Kurume (30.06.1918)
    4. Nagoya (13.07.1918)
    5. Narashino (16.07.1918)
    6. Ninoshima (04.07.1918)
    7. Oita (02.07.1918)
    8. Shizuoka (13.07.1918)
  4. Anhänge I bis IV

Der Redakteur hat Schreibfehler (in Original oder Abschrift) korrigiert, Abkürzungen ausgeschrieben, Anmerkungen in [...] oder als Fußnoten hinzugesetzt.
 


I. Einleitung [S. 1 des Originals]

Am 21. Juni 1918 wurde mir seitens des Japanischen Kriegsministeriums, auf Verlangen der Schweizerischen Bundesregierung und des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, die Erlaubnis erteilt, die Kriegsgefangenenlager in Japan zu besuchen.

Dank der guten Einführung durch unseren Gesandten, Herrn Minister [Botschafter] von Salis, fand ich beim Japanischen Roten Kreuz, im Kriegsministerium und im Auswärtigen Amt die beste Aufnahme. Die Herren vom hiesigen Roten Kreuz, die mir zur Begleitung beigegeben wurden, sowie die Begleitoffiziere und Lagerkommandanten waren in jeder Hinsicht entgegenkommend und hilfreich, sodass es mir eine angenehme Pflicht ist, ihnen auch an dieser Stelle für ihre Freundlichkeit und ihre guten Dienste bestens zu danken.
 

II. Allgemeine Bemerkungen [S. 2-9 des Originals]

Vor dem Besuch der einzelnen Lager wurde ich jeweilen durch den begleitenden Offizier an Hand von Plänen und Notizen kurz orientiert. Im Lager fand dann zunächst eine eingehende Darstellung der Lagerverhältnisse durch den Lagerkommandanten statt und es wurden schriftliche Antworten auf vorher schriftlich von mir gestellte Fragen allgemeiner Natur überreicht, und nähere Auskunft über spezielle Punkte mündlich erteilt. Darauf erfolgte ein Rundgang von ein bis zwei Stunden, und entweder schon bei dieser Gelegenheit oder nachher wurde den Sprechern der Gefangenen Gelegenheit geboten, ihre Klagen und Wünsche vorzubringen. Sie taten dies meistens trotz der anwesenden Dolmetscher in durchaus freier Weise, und ich hoffe, dass ihnen ihre durch die Umstände erklärlichen, oft etwas gereizten Äußerungen nicht übel genommen wurden. Die Lagerkommandanten machten alle den Eindruck ruhiger, verständiger und wohlmeinender Leute und versicherten mir, sie versuchten den Gefangenen ihr Los erträglich zu machen und ihnen soviel Freiheit zu gewähren, als mit den internationalen Bestimmungen und den Verfügungen des Kriegsministeriums sich vereinen lasse.

Nach der Zählung vom April 1918 befanden sich in den Lagern 4627 Gefangene, davon 4338 Deutsche mit 186 Offizieren und 289 Österreicher mit 9 Offizieren. 37 Mann waren bis dahin gestorben. Näheres darüber findet sich in den folgenden Berichten über die einzelnen Lager. Es kamen natürlich von Tsingtau eine Anzahl Verletzter und Kranker hierher in Gefangenschaft, von denen einige starben, einige Invalide blieben. Für die letzteren muss ich auch auf eine eigene folgende Zusammenstellung verweisen.

Entlassen wurden 33, davon 32 gegen Ehrenwort. Entflohen sind 6. Die Gefangenen sehen im ganzen gesund und wohlgenährt aus. Die regelmäßig vorgenommenen Wägungen haben überall Gewichtszunahme feststellen lassen. Freude an Arbeit und Bewegung läßt sich allgemein beobachten.

Für die Verköstigung wird von der japanischen Regierung Rohmaterial geliefert im Werte von 30 Sen pro Kopf für die Mannschaft, 34 für die Unteroffiziere, 40 für Offiziersdiensttuende. Darin ist auch der Betrag für Heizung mit japanischen Kohlenbecken vom 10. Dezember bis 10. März inbegriffen, während für Bekleidung und Gebrauchsgegenstände außerdem noch pro Monate 50 Sen für die Mannschaften, 1 Yen für Unteroffiziere und 5 Yen für Offiziersdiensttuende ausgesetzt sind. Die Offiziere beziehen den Gehalt der entsprechenden japanischen Chargen, in letzter Zeit etwas mehr, und beköstigen sich selber; gewöhnlich kochen die Burschen für sie. Bei den rasch ansteigenden Lebensmittelpreisen hat sich der Übelstand ergeben, dass für die oben angegebenen Beträge zur Zeit bedeutend weniger Waren erhältlich sind als früher. Lieferung nach bestimmtem Maß und Gewicht, statt nach Preiseinheiten, wäre daher jetzt und wohl noch mehr für die Zukunft zweckmäßiger.

In Oita erhielt ich eine Zusammenstellung der von der japanischen Behörde im Juni 1918 an die Küche gelieferten Nahrungsmittel, die sich auf rund 200 Mann verteilen, Es wurde in runden Zahlen abgegeben (stets in Kilogramm ausgedrückt): Rindfleisch 274, Rinderfett 44, Rinderknochen 202, Schweinefleisch mit Knochen 244, Eier 30, Kartoffeln 2831, Zwiebeln 101, Zucker 55, Salz 96, Mehl 157, Fisch 53, grüne Bohnen 26, Tee und Eichelkaffee je 4-5 Kilo, Erbsen 130, Graupen 22, Bohnen 79, Reis 283, Milch 180 Liter, Pfeffer 33 Flaschen und Essig 46 Flaschen. Dazu kommen noch 94 Kilogramm Brot pro Tag.

Es ergeben sich aus diesen Zahlen, bei Benutzung der mir zur Verfügung stehenden Tabellen von Atwater und Bryant und von Seiffert und Müller, etwa 2050 Reinkalorien pro Mann und pro Tag. Nicht inbegriffen sind hier die aus der Spende des deutschen Hülfsfonds monatlich gekauften Nahrungsmittel, die Liebesgaben von Hilfsvereinen und Einzelnen, und das, was die in diesem Lager zahlreichen Bemittelten sich in der Kantine und außerhalb des Lagers kaufen.

In den folgenden Angaben aus Bando und Niinoshima [Ninoshima] sind die aus dem Hülfsfond bestrittenen Zulagen inbegriffen, nicht aber die Spenden anderer Hilfstätigkeit und die Privateinkäufe. Die 900 Mann in Bando erhielten in der Woche vom 1. bis 6. Juli 1918, in Kilogramm ausgedrückt: Brot 2655, Kartoffeln 2887, Rindfleisch 450, Schweinefleisch 75, Kohl 375, Bohnen und Erbsen 510, Zwiebeln 105, Porree 11, Butter 41, Reis 285, Eier 101, Fisch 137, Rüben 187. Es ergeben sich daraus etwa 2400 Reinkalorien pro Tag und Mann. Eine Zusammenstellung für die rund 500 Mann auf Niinoshima ergibt für dieselbe Woche, hier für den einzelnen Mann in Gramm angegeben: Brot 2962, Reis 427, Kartoffeln 2062, Zwiebeln 122, Rüben 37, Kohl 187, Rindfleisch 281, Schweinefleisch 675, Maccaroni 169. Daraus lassen sich auf den Mann pro Tag etwa 2520 Reinkalorien berechnen.

Aus dem Acker- und Gemüsebau, der in einzelnen Lagern in ausgedehntem Maße betrieben wird, ergeben sich weitere Zuschüsse. Ein Gefangener in Niinoshima [Jarling] überreichte mir eine Berechnung, wonach auf einen Mann im Tag durchschnittlich 56 Gramm Eiweiß kommen. (Dies bezieht sich nur auf das von der japanischen Regierung Gelieferte und enthält das Eiweiß der Zuschüsse nicht.) Einige von den nahrhaften, gesunden und billigen einheimischen Speisen, wie die Satsumaimo (süße Kartoffeln), Soba (japanische Maccaroni), Nasubi (Eierpflanze), können leider für die Gefangenenernährung nicht verwendet werden, da sie den Gefangenen nicht munden.

Aus anderen als den angegebenen Lagern erhielt ich keine Speisezettel mit Gewichtsangaben, doch wird die Ernährung ziemlich allgemein nach demselben Muster durchgeführt. Der Lagerkommandant von Aonogahara gab an, daß sich seine Leute auf 3300 Kalorien stellen. Dort ist, wie in Bando, Schweinezucht eine sehr ökonomische Art der Kostaufbesserung, und es wird Gemüsebau in größerem Maße getrieben. Die für Oita, Bando und Niinoshima errechneten Kalorien scheinen etwas im Widerspruch zum guten Ernährungszustand zu stehen, jedenfalls aber weisen sie darauf hin, dass die Zuwendungen der japanischen Behörde allein kaum genügen würden, und dass für Unbemittelte die Ernährung wohl etwas knapp ist, besonders in Lagern wie Kurume, wo wenig Gelegenheit zu Nebenverdienst und Erzeugung von Bodenprodukten geboten ist. Zum Vergleich ziehe ich hier eine Angabe aus der Deutschen Medizinischen Wochenschrift, 1916, S. 1334, herbei, die ich im Korrespondenzblatt für Schweizerärzte, 1918, S. 851, finde, und wonach in Deutschland 1916 die Gefangenenkost 2600 Kalorien, die Lazarettkost 1858 Kalorien mit etwa 50 Gramm Eiweiß enthielt.

Die Verwaltung der einlaufenden Hilfsgelder und Liebesgaben erfolgt in den meisten Lagern durch die deutschen Offiziere und Feldwebel.

Jedes Lager enthält eine Kantine, wo Lebens- und Genußmittel und allerlei Gebrauchsgegenstände zum Verkauf kommen.

Mannschaften und Unteroffizieren ist nur Bier erlaubt, die Andern sind im Ankauf alkoholischer Getränke nur durch die vorhandenen Mittel und Vorräte eingeschränkt. In Narashino wird besonderes, nach deutscher Art gebrautes Bier ausgeschenkt. In Bando sollen sich die Ausgaben für Bier im letzten Jahre auf 50.000 Yen belaufen haben.

An Kleidern besitzen die Gefangenen zwei Winter- und zwei Sommeranzüge, die zum Teil noch aus Tsingtau stammen und nun ersatzbedürftig geworden sind. Mit dem Ersatz scheint es in den meisten Lagern zu hapern, besonders Deckoffiziere und Offiziersdiensttuende, die mit ihrer knapp bemessenen Geldzulage doch anständig angezogen sein möchten, beklagen sich darüber.

Waschen können die Mannschaften nach Belieben; da und dort wird auch Wäsche, wohl besonders solche der Offiziere, außer Lager von Japanern besorgt.

Das Wasser wird im allgemeinen durch Ziehbrunnen geliefert, in einigen Lagern durch Wasserleitung; zu Reinigungszwecken kommt auch Flußwasser zur Verwendung.

Die Offiziere haben Betten, die höheren Einzelzimmer, die niedern sind zu zweit, dritt und viert einquartiert, oft ziemlich eng. Die Mannschaften haben dieselben Strohsäcke wie japanische Soldaten. Sie können sie nach Belieben sonnen, gründlich gewechselt aber scheinen sie nur sehr selten zu werden.

Die Offiziere können nach Belieben warm baden, die andern 1-3 mal pro Woche, auf eigene Kosten öfter. Kaltes Baden ist immer erlaubt. In Kurume baden die Mannschaften zur Zeit nur kalt.

Aborte, auch die der Arrestlokale, in einigen Lagern recht primitiv und im Arrestlokal ungedeckt stehend, werden täglich gereinigt, Abfälle täglich weggeführt. In Kurume wurde geklagt, daß die Küchenabfälle oft zu lange im Hof zwischen den Baracken stehen bleiben und einen üblen Geruch verbreiten.

Geheizt wird in japanischen Hibachis (Kohlenbehältern) vom 10. Dezember bis 10. März, in Narashino vom 1. Dezember an, je nach Umständen auch sonst, aber dann auf eigene Kosten. Öfen sind an einigen Orten vorhanden, zumal für Offiziere.

Aufstehen, Appell, Mahlzeiten, ärztliche Untersuchung. Lichterlöschen sind ungefähr nach dem Muster der japanischen Soldaten geregelt, im übrigen aber verfügen die Gefangenen über ihre Zeit für ihre eigenen Arbeiten, Sport, Lektüre und Ruhe.

In allen Lagern wurde den Ärzten von den Kranken mit wenigen Ausnahmen freiwillig Anerkennung und Lob gezollt. Der Gesamtkrankenbericht für 1917 verzeichnet: Amöbendysenterie 2 Fälle, wovon 1 Todesfall, Tuberkulose 12, mit 2 Todesfällen, andere Infektionskrankheiten 51, mit 1 Todesfall, Nervenkrankheiten 78, Brustfellentzündungen 8, Erkrankungen der Atmungsorgane 150, Erkrankungen der Kreislauforgane 63, Bandwürmer 78, Magen- und Darmkrankheiten 239, Erkrankungen der Harn- und Geschlechtsorgane 18, Syphilis 23, Augenkrankheiten 12, Ohrenleiden 33, Hautkrankheiten 226, Erkrankungen der Bewegungsorgane 60, Verletzungen und Unfälle 357, Selbstmord 1 (dies war der unglückliche Hauptmann S. [= Kapitänleutnant von Saldern], der sich aus Verzweiflung über die Ermordung seiner Frau das Leben nahm). Todesfälle im Ganzen bis zu unserem Besuch seit Anbeginn 38.

Fluchtversuche, von denen sechs im Anfang der Gefangenschaft glückten, sind seit Chinas Eintritt in den Krieg wohl aussichtslos, werden aber immer noch von Zeit zu Zeit gemacht und ziehen Zuchthausstrafe bis zu drei Jahren nach sich. Zur Zeit unseres Besuches waren nur in den Zuchthäusern Hiroshima und Takamatsu, das wir wegen seiner Abgelegenheit auf der Insel Shikoku nicht besuchen konnten, deutsche Gefangene in Haft. Unterbringung, Verpflegung und Behandlung sollen dort sehr zu wünschen übrig lassen.

Die Hauptklagen beziehen sich auf die lange Dauer der Gefangenschaft. Nach fast vier Jahren sehnen sich besonders die Alteren – es sind mehrere über fünfzig – und die Verheirateten und Familienväter nach dem Austausch, von dem sie nun in den Zeitungen lesen, dass er in Europa den Gefangenen schon nach anderthalb Jahren zu Teil wird. Obwohl nun ja Deutschland keine japanischen Gefangenen auszutauschen hat, denken die hier in den Lagern Eingesperrten, es müsste sich eine Art und Weise des Ausgleichs finden lassen, oder man könnte wenigstens für sie hier im Lande mehr Freiheit erwirken. Sie fühlen sich vergessen. Auch der Hinweis darauf, dass hier die Ernährung leichter sei, tröstet sie nicht; sie wollen lieber in ihrem Lande hungern, als hier fett werden. Die lange Dauer macht auch Kleinigkeiten unerträglich und steigert die Reizbarkeit mehr und mehr, so dass sich bei vielen das Gefühl entwickelt, statt Milderung trete überall Verschärfung ein. Deutsch und Japanisch sind grundverschieden, gute Dolmetscher in genügender Zahl für die Lager schwer aufzutreiben, und so gibt es eine Menge von Mißverständnissen, die gelegentlich sogar zu gewaltsamen Auftritten geführt haben. Verbote und Einschränkungen erfolgen ohne Erklärung und erbittern dann doppelt. Auch die oft sehr langsame Auslieferung von Postsachen hängt hauptsächlich mit sprachlichen Schwierigkeiten bei der Zensur zusammen. Es soll einige Male Geheimschrift verwendet worden sein, was die Zensoren nun noch vorsichtiger und langsamer macht. In Kurume scheinen verschiedene Vorkommnisse auf eine deutschfeindliche Stimmung der dortigen Bevölkerung hinzuweisen, an anderen Orten läßt sich eher das Gegenteil wahrnehmen, die draußen arbeitenden Gefangenen stellen sich meistens gut mit ihren einheimischen Arbeitgebern und deren Leuten.

Auf den stark entwickelten Nationalstolz der Japaner ist wohl nicht immer Rücksicht genommen worden. Besonders deutsche Offiziere, die an den Verkehr mit den ja grundverschiedenen Chinesen gewohnt waren, mögen den richtigen Ton nicht leicht finden und sich und ihren Schicksalsgenossen dadurch schaden. Die Japaner sind ungemein empfindlich gegen Verstöße in dieser Richtung. Dazu kommt nun erschwerend die altjapanische Auffassung, dass der Krieger den Tod der Gefangenschaft vorziehen müsse, der Gefangene daher verächtlich sei. Die Japaner von heute, zumal die Offiziere, wissen natürlich gut, dass diese Anschauung kaum noch haltbar ist, doch soll sie, zur Erhöhung der Kriegstüchtigkeit beim Militär, noch so gut wie möglich gepflegt werden, und ihr entsprechend wird der Gefangene behandelt, besonders, wo japanische Garnisonen in der Nähe liegen. Trotzdem haben in den meisten Lagern Takt und einige Klugheit ein ganz erträgliches Verhältnis zu schaffen gewußt, und die Lagerkommandanten scheinen im allgemeinen so viel Entgegenkommen zu zeigen, als ihnen in ihrer oft recht schwierigen Lage, zwischen den Anforderungen und Wünschen auf dieser und den Verfügungen und Einschränkungen auf der anderen Seite, möglich ist.

Was die Hauptwünsche der Gefangenen sind, läßt sich zum Teil aus dem Gesagten ableiten. Sie möchten mehr Freiheit haben, womöglich ganz frei werden. Am ehesten wäre dies ja den Invaliden und Kranken zu gönnen. Ein eigenes Lager für solche wird seit einiger Zeit angestrebt und wäre wenigstens ein Notbehelf. Sie beklagen sich nicht über ihre Arzte, aber über die äußeren Verhältnisse. Besonders die Tuberkulösen und Nervenkranken leiden unter der Enge, der Unruhe, dem Staub und dem Eingeschlossensein.

Ein mächtiges Mittel, die Qualen der Gefangenen zu vergessen, ist körperliche und geistige Beschäftigung, Arbeit, Unterricht, Anregung. Daran fehlt es noch in einigen Lagern, während in andern, besonders den größeren, recht viel geschieht. Dahingehende Wünsche verdienen sicher Beachtung und Anerkennung, da sie ja beiden Seiten Nutzen bringen.
 

III. Lager [S. 10-29 des Originals]

[Hinweis des Redakteurs: Jedes Lager wird gesondert abgehandelt; siehe das Inhaltsverzeichnis.]
 

IV. Anhänge [S. 30-42 des Originals]

Anhang I: Liste von Invaliden und Kranken [S. 30-33]
Nicht vollständig, da sich nicht überall gerade die am meisten Leidenden am lautesten bemerkbar machen können, und nicht objektiv, da die Zeit eigene Untersuchungen nicht gestattete. Aus den einzelnen Lagerberichten und den hier und da enthaltenen, aus japanischen Rapporten übersetzten Angaben über Kranke lässt sich einiges entnehmen; in Bando wurde mir eine ausführliche Liste von dem sehr einsichtigen rangältesten deutschen Offizier übergeben. Im Übrigen aber musste ich mich auf die Aussagen und den allgemeinen Eindruck derjenigen verlassen, die ich überall in den Revieren und Spitälern besuchte, oder die sich mir bei den Besprechungen als Invalide und Kranke vorstellten. Ein großer Teil dieser leidet naturgemäß sehr unter Verhältnissen, die schon für Gesunde schwer erträglich sind und es wäre die erste und schönste Aufgabe des Roten Kreuzes, hier Erleichterung zu schaffen. Die Leute, wie ja alle Gefangenen, hoffen immer noch auf einen Heimtransport. Sie wissen, dass zu Hause Austausch schon nach 18 Monaten erfolgt und sind erbittert, dass für sie, die jetzt bald 4 Jahre ihr schweres Los tragen, anscheinend in dieser Richtung nichts geschieht. Einige Abhilfe ließe sich schon hier schaffen dadurch, dass z.B. schwer und unheilbar Kranke befreit oder in gesundheitlich günstige gelegene eigene Kranken- und Invalidenlager verbracht würden.2 Besonders für Tuberkulöse besitzt Japan ja herrliche Plätze an der See und im Gebirge. Es müsste da natürlich eine Sichtung mit Hilfe der größtenteils sehr guten und gewissenhaften Lager- und Lazarettärzte erfolgen, durch deren Zusätze und Streichungen die hier folgende Liste einigermaßen maßgebend würde.
[Hinweis des Redakteurs: Die Listen werden bei den einzelnen Lagerberichten wiedergegeben.]

Anhang II: Liste beförderter Eingaben [S. 34-35]
[Hinweis des Redakteurs: Wird jeweils bei den einzelnen Lagerberichten wiedergegeben.]

Anhang III [S. 36]
[Hinweis des Redakteurs: Es folgen zunächst Daten zu Eröffnung, Schließung von Lagern usw., die hier weggelassen sind. Zu den Todesfällen heißt es abschließend:]
Todesfälle sind seit unserem Besuch bis anfangs September 1948 zwei vorgekommen, einer in Aonogahara (Selbstmord durch Ertränken im Ziehbrunnen) und einer im Lazarett Hiroshima, aus dem Lager Niinoshima, an Magenkrebs und Diabetes mellitus. Dadurch kommt die Gesamtzahl der Todesfälle in allen Lager von Anbeginn bis Anfang September 1918, also in einem Zeitraum von fast 4 Jahren, auf 40. Die in den einzelnen Lagerberichten angegebenen Todesfälle beziehen sich natürlich nur auf diese Lager und schließen die der zur Zeit unseres Besuchs schon aufgehobenen Lager nicht ein, weshalb aus ihnen die Gesamtzahl nicht ersichtlich ist.

Anhang IV: Krankenbericht des Lagers Bando [S. 38-42]
[Hinweis des Redakteurs: Dieser Bericht wird beim Bericht zu Bando wiedergegeben.]
 

Anmerkungen

1.  Karl Vogt beschreibt ihn in seiner Lebenschronik (S. 139) als »alten Freund aus Yokohama«; der Besuch dieses »mir sehr nahestehenden Freund(es)« im Lager habe ihn »erschüttert«.

2.  Eine Besserstellung der Invaliden und Kranken ist bis zum Ende der Gefangenschaft nicht erfolgt; die Gründe hier sind bislang kaum erforscht.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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