Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Lager Oita

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Besuch des Lagers Oita am 02.07.1918

Bericht von Dr. F. Paravicini
 

Inhalt

  1. Bericht [im Original S. 26-28]
  2. Liste von Invaliden und Kranken [im Original Anhang I, S. 32]
  3. Liste beförderter Eingaben [im Original Anhang II, S. 35]
  4. Anmerkungen

Der Redakteur hat Schreibfehler (in Original oder Abschrift) korrigiert, Abkürzungen ausgeschrieben, Anmerkungen in [...] oder als Fußnoten hinzugesetzt.
 


Bericht

[Oita:] Hauptstadt der Präfektur gleichen Namens, im Nordosten der Insel Kyushu an der Beppu-Bucht der Inlandsee gelegen, mit etwa 40.000 Einwohnern. Sie macht in einer eher dorfartigen Anlage inmitten fruchtbarer Felder und in der Nähe des Meeres und waldiger Höhenzüge einen ganz ländlichen Eindruck. Am 2. Juli 1918 besuchten wir das am 4. Dezember 1914 gegründete Lager im Auto von dem etwa 12 Kilometer westlich davon gelegenen Beppu, einem durch seine einzigartige Vereinigung von Meer- und Thermalbad berühmtem Kurort aus.

Es sind 215 Deutsche hier untergebracht, davon 20 Offiziere, diese im Roten-Kreuz-Gebäude, die Mannschaft in einem Teil des Schulhauses, ziemlich eingeengt, im Ganzen auf etwa 8.000 Quadratmeter Fläche, wovon über 1.200 auf die Unterkunftsräume entfallen. 1-2 mal wöchentlich findet Fußball außerhalb des Lagers oder Spaziergang in die Hügel, oder ans Meer zum Baden, statt. Seit 1 Offizier und 2 Soldaten in einer Regennacht entwichen und dann im Bordell wieder eingefangen wurden,1 was eine Bestrafung des Lagerkommandanten durch das Kriegsministerium nach sich zog, sind einige Verschärfungsmaßregeln eingetreten. Die hier untergebrachten Gefangenen sind zum größeren Teile bemittelt, und da sie viel von außerhalb beziehen, haben die Händler Oita's einen beträchtlichen Verdienst durch sie; nach einer Zeitungsmeldung soll im Betrag von über 2.000 Yen monatlich bei ihnen eingekauft werden. Die Offiziere vertreiben sich die Zeit so gut es geht mit Fach- und anderen Studien, einer befaßt sich eingehend mit Buddhismus, bei einem andern sah ich umfangreiche Vorarbeiten zu einem großen Wörterbuch der verschiedensten asiatischen Sprachen. Die Mannschaft hält unter sich sehr strikte Disziplin und turnt fleißig.

Über einen tuberkulösen Offizier und andere im Lager befindliche Leidende gibt das Verzeichnis der Invaliden und Kranken Auskunft. Lungentuberkulose [Klein] und Aortenaneurysma [Kiesewetter] haben die beiden Todesfälle im Lager verursacht.

Die Wünsche der Offiziere bezogen sich auf: Erlaubnis der früheren Anzahl von Spaziergängen und Seebädern. Bessere Reinigung, Desinfektion und Instandhaltung von Aborten und Abflußrinnen. Kleine Verbesserungen der Heizung und Beleuchtung. Mieten von Gartenland. Vergrösserung des Spielplatzes. Beschaffung von Turngeräten. Erleichterung des Verkehrs mit der Mannschaft, um Orchestermusik betreiben zu können. Möglichst rasche Absendung der Post. Entsprechende Antwort auf ordnungsmäßig gestellte Bitten und Anträge. Hinzuziehung eines deutschen Offiziers zum Übersetzen von Befehlen aus dem Japanischen ins Deutsche, wodurch häufige Missverständnisse verhütet werden könnten. Unbedingte Wahrung des Briefgeheimnisses. Erlaubnis, in den heißen Sommermonaten sich bis abends 11 Uhr im Freien aufhalten zu dürfen. Erlaubnis, statt wie bisher nur auf eine englische Tageszeitung, auf zwei derselben abonnieren zu dürfen.

Die Mannschaft beschwert sich über: allzu starke Einengung, nur 2,2 Quadratmeter Platz pro Mann.2 Verschlechterung des Essens, Reduktion der Fleischration um 50-60 % gegen früher. Einschränkung der Spaziergänge, die früher wöchentlich, jetzt nur noch monatlich stattfinden. Anbringung von Holzblenden auf Veranlassung der Schulbehörden, wodurch den ohnehin schon stark belegten Räumen Luft und Licht benommen werden. Missverständnisse beim Übersetzen von Gesuchen und Befehlen. Missachtung des Briefgeheimnisses. Weigerung, offizielle Briefe an japanische Behörden weiterzugeben. Ungenügende Lieferung von Bekleidungsstücken an Unbemittelte. Öffnen von Postpaketen nicht wie früher im Beisein der Gefangenen, sondem im Bureau, wodurch Verwechslungen vorkommen. Gelegentliches tätliches Eingreifen der japanischen Soldaten unter Duldung der Lagerverwaltung. Mangel an Badewannen und Duschen.3

Das Lager wurde am 25. August 1918 nach Narashino verlegt.
 

Liste von Invaliden und Kranken


 

Liste beförderter Eingaben


 

Anmerkungen

1.  Zu den Namen der Betreffenden siehe Rüfer/Rungas (S. 73).

2.  Dies war auch bedingt durch die Verlegung von 69 Gefangenen aus dem Lager Fukuoka nach Oita am 18.10.1916.

3.  Im Vergleich zu dem Bericht von Welles scheint sich seit 1916 die Lage im Lager spürbar verschlechtert zu haben.
 

©  für diese Fassung: Hans-Joachim Schmidt
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