Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Lager Oita

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Das Lager Oita am 7. März 1916

Aus dem Bericht von Sumner Welles

Auf diplomatischen Druck erlaubte die japanische Regierung 1916 einem Vertreter der US-amerikanischen Botschaft in Tokyo, die Gefangenenlager zu inspizieren. Aus dem Bericht des Botschaftssekretärs Sumner Welles wird hier der das Lager Oita betreffende Teil wiedergegeben.
Quelle: Bundesarchiv/Militärarchiv; die Übersetzung wurde 1916 vom Auswärtigen Amt besorgt. Unterstreichungen wurden weggelassen, Fußnoten (in rot) vom Redakteur hinzugesetzt.
 

Am 7. März [1916] morgens um 10 Uhr traf ich im Gefangenenlager in Oita ein und wurde am Eingang zum Offizierslager vom Kommandanten Oberst Katori und seinem Stab empfangen.

Die Offiziere sind in einem europäischen Hause untergebracht, das von einem großen Garten umgeben ist. Das Gebäude ist hell und luftig und wird durch Gasöfen geheizt. Von den 13 hier untergebrachten Offizieren bewohnen 7 Einzelzimmer, von den übrigen 6 teilen je zwei ein Zimmer in einem benachbarten japanischen Hause. Die Wohnräume und das Speisezimmer befinden sich jedoch in dem für Europäer bestimmten Teil des Gebäudes. Die Aufwartung und die Küche für die Offiziere wird von ihren Burschen besorgt; es ist den Offizieren gestattet, ihren Bedarf in Nahrungsmitteln oder anderen Dingen durch Bestellungen außerhalb des Lagers zu decken. Lesestoff steht ihnen in reichlichem Maße zur Verfügung. Gelegenheit zu den nötigen körperlichen Übungen bietet das Lagergelände, auch Spaziergänge in die Umgebung werden häufig unternommen. Die Offiziere hatten sämtlich ein gesundes Aussehen.

Ohne daß ich ihn darum ersucht hätte, gab mir Oberst Katori Gelegenheit, mit den Offizieren ohne Anwesenheit eines Dolmetschers zu sprechen. Bei diesen Unterredungen erklärten alle Offiziere ihre vollkommene Zufriedenheit mit der Behandlung und sprachen sich gut über die Leitung des Lagers durch Oberst Katori aus.

Ich besuchte darauf die Unterkunftsräume der Gemeinen und Unteroffiziere, die sich in einem etwas entfernt liegenden alten Schulgebäude befinden. Dieses Gebäude ist in eine Anzahl mittelgroßer Räume geteilt, von denen jeder zur Aufnahme von 14 Mann bestimmt ist, und in einen großen Raum, wo etwa 40 Leute schlafen. Von den älteren Landsturmleuten wohnen die meisten in den kleineren Räumen, in denen sie mehr für sich sein können. Insgesamt befinden sich 128 Gefangene in dem Gebäude.

Das Essen ist gut und ausreichend, die Bade- und sanitären Einrichtungen sind ausgezeichnet. Eine Kantine ist täglich geöffnet, auch ist den Leuten gestattet, sich viele Sachen aus der Stadt zu bestellen. Jeder Gefangene erhält 6 Decken, die Matratzen sind die vorschriftsmäßigen Strohmatratzen. Betten sind nicht gestattet. Spiele können auf dem genügend großen Platze am Hause vorgenommen werden, und Spaziergänge in die Umgebung werden häufig erlaubt. Alles in allem sind die Verhältnisse, in denen sich die Leute hier befinden, gut.

Ich unterhielt mich mit mehreren Gefangenen, die mir alle sagten, daß ihre Behandlung ausgezeichnet sei. Diese Angabe wurde auch von den Unteroffizieren bestätigt, diese wünschten indessen auch die Botschaft auf folgende Dinge aufmerksam zu machen:

1. daß den Unteroffizieren keine Betten gestattet werden, selbst nicht, wenn sie besonders dafür bezahlen wollen, was von den Leuten als unbillig empfunden wird;

2. daß den Gefangenen nicht gestattet ist, Lebensmittel auf anderen Wege als durch die Kantine zu bestellen, was mitunter eine Mehrausgabe von 30 bis 40 v.H. bedeutet;

3. daß sich im Garnisonshospital ein an Tuberkulose schwer erkrankter Gefangener befinde, auf dessen Zustand die fort verfeuerte Holzkohle schädlich einwirke, und daß er zugrunde gehen müsse, wenn er nicht von dort fort und in eine höher gelegene Gegend gebracht werden könne. Die Gefangenen baten deshalb, ihn in eine geeignetere Umgebung zu verbringen.1

Man meldete mir nur einen vereinzelten Fall, in dem ein Gefangener geschlagen worden war, und zwar handelte es sich um einen Gefangenen, der vorsätzlich und ohne irgendwie dazu herausgefordert zu sein, den Kommandanten selbst beleidigt und dies nachher ihm ins Gesicht geleugnet hatte, worauf er vom Kommandanten geschlagen worden war. Die anderen Gefangenen schienen in diesem Falle nichts für den Mann zu empfinden und das Verhalten des Kommandanten für gerecht zu halten.2

Die Leitung des Lagers von Oita ist in jeder Hinsicht besser und es herrscht dort eine bessere Stimmung als in den meisten anderen Lagern. Die Verhältnisse sind äußerst gut. Die Zahl der hier untergebrachten Gefangenen ist verhältnismäßig klein, und die Aufgabe ihrer Behandlung infolgedessen leichter zu lösen.

Ich verließ das Lager von Oita um 1 Uhr. Ich erlaube mir noch, eine Eingabe des Gefangenen Sommer nebst Übersetzung beizufügen, der sich nach seiner Angabe einer schweren Ohroperation unterziehen muß.


Oita, 6. März 1916

Sr. Exzellenz dem mit der Vertretung der deutschen Interessen betrauten Botschafter der Vereinigten Staaten. Tokio.

Ich gestatte mir, Euerer Exzellenz die folgenden Tatsachen zu unterbreiten:

Ich, Eugen Sommer, Matrose der 3. Kompanie des Ostasiatischen Marine-Detachements, erkrankte während der Belagerung von Tsingtau an einer Entzündung des inneren Ohres, die sich derart verschlimmerte, daß der Warzenfortsatz des Schläfenbeins (mastoid bone) entfernt werden mußte, weswegen ich mich vom 19. Mai bis zum 22. November im Garnisonhospital in Oita aufhielt und dort von dem Zivilarzt behandelt wurde.

Jetzt setzt mich der japanische Stabsarzt Dr. Shynomia davon in Kenntnis, daß die Entfernung eines weiteren Knochens aus dem Ohr notwendig geworden sei, da er bereits in Zersetzung übergegangen sei. Um eine Heilung herbeizuführen, müßte der Knochen mittelst einer sehr gefährlichen Operation entfernt werden.

Nach meinen bisherigen Erfahrungen kann ich mich einer zweiten Operation hier nicht unterziehen; ich gestatte mir deshalb, Eure Exzellenz zu bitten, für mich beim japanischen Ministerium die Behandlung in einer Klinik in einer der größeren Städte zu erwirken, zumal ich dienstuntauglich bin.

In tiefster Ehrerbietung.   gez. Matrose E. Sommer
 

Anmerkungen

1.   Die Identität des Kranken ist nicht bekannt.

2.   Die Identität des Soldaten ist nicht bekannt.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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