Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Japanische Gefangene in deutscher Hand 1914/18
 

1. Zivilinternierte

Als der erste Weltkrieg ausbrach, lebte und arbeitete eine relativ hohe Zahl von Japanern in Deutschland, nämlich mehr als 600.1 Der Mehrzahl gelang in den ersten drei Augustwochen die Ausreise. Wer das Land jedoch nicht verlassen wollte oder konnte, wurde um den 20.8.1914 interniert, d.h. in »diverse Polizeigefängnisse oder provisorische Gefangenenlager« eingeliefert.

Die Situation für die Betroffenen entspannte sich aber im Herbst rasch, und zwar vor allem deshalb, weil die in Japan lebenden Deutschen praktisch völlig unbehelligt blieben. Im Jahre 1915 gab es deshalb, von einem Einzelfall abgesehen, keine japanischen Zivilinternierten mehr in Deutschland.
 

2. Kriegsgefangene

Die Kapitulation von Tsingtau und der Untergang des deutschen Kreuzergeschwaders (07.11. bzw. 08.12.1914) beendeten die unmittelbare militärische Konfrontation zwischen beiden Nationen. Die Gefahr, in deutsche Gefangenschaft zu geraten, bestand für Japaner in gewissem Umfang fort, sofern sie nämlich mit einem Schiff unter der Flagge Japans oder einem seiner Alliierten auf den Meeren unterwegs waren, sei es als Besatzungsmitglied oder Passagier. In diesem Falle nämlich bestand das Restrisiko, auf einen der wenigen deutschen Hilfskreuzer zu treffen, die bis Anfang 1918 versuchten, den Schiffsverkehr des Feindes im Atlantischen, Indischen und Pazifischen Ozean zu stören.

Die folgenden Angaben über die Zahl der japanischen Kriegsgefangenen entstammen dem zeitnah erschienenen Band von Doegen2. Zum Stichtag 10.01.1919 wird darin (S. 56) die »Kopfstärke einschließlich der bis jetzt verstorbenen, freigelassenen (ausgetauschten) und entwichenen kriegsgefangenen Militärpersonen« mit 106 Japanern angegeben, davon 16 Offiziere und 90 Mannschaften.3 Weder unter diesen noch unter den Zivilgefangenen, deren Kopfstärke nicht angegeben ist, gab es Todesfälle. – Die Entwicklung im Zeitablauf zeigt die Tabelle.

Japanische Kriegsgefangene in Deutschland4
StichtagOffiziereMannschaften
10.01.191700
10.04.191702
10.07.191702
10.05.1918798
10.10.1918
    davon in Güstrow
    davon in Brandenburg
    davon in Wahmbeck
    davon entwichen
16


16
90
83
6

1
Quelle: Doegen (1921, S. 13, 15, 21)

Dass in der Statistik zum 01.05.1918 plötzlich 105 japanische Gefangene erschienen, hatte einen ganz bestimmten Grund: Am 26.9.1917 kaperte der deutsche Hilfskreuzer Wolf im Indischen Ozean den japanischen Dampfer Hitachi Maru, nahm Besatzung und Passagiere gefangen und kehrte mit diesen Ende Februar 1918 – d.h. knapp fünf Monate später! – nach Deutschland zurück.
 

3. Inspektion der Gefangenenlager durch die spanische Schutzmacht

Die Interessen der in Deutschland festgehaltenen japanischen Staatsbürger wurden 1918 durch das Königreich Spanien vertreten. So wie die USA sich 1916 um die deutschen Gefangenen in Japan kümmerten, verfuhren auch die Spanier: Sie inspizierten die einschlägigen Lager und überprüften die dortigen Verhältnisse am Maßstab der völkerrechtlichen Konventionen.

Güstrow war im Frühjahr 1918 eines der größten Lager überhaupt mit insgesamt 55.107 Mannschaften und Unteroffizieren, zwei Drittel davon Russen. Die spanische Delegation besuchte das Lager und seine Arbeits-Außenlager (-Detachements) im Hamburger Raum am 09./13.05.1918; zu Details siehe die folgende Tabelle.

Japanische Gefangene (Gef.) im Lager Güstrow und dessen Detachements (Det.)
DatumLagerGef.Bemerkungen
09.05.18Güstrow (Stammlager)22 Gef. nach Holzminden verlegt
09.05.18Det. Wandsbek17 
10.05.18Det. Tiefstack19darunter 1 Gef. von »Winslow«
10.05.18Det. Grasbrook5 
13.05.18Det. Billbrook33darunter 1 Gef. von »Dee«
13.05.18Det. Barmbek5 
Quelle: Berichte der Spanischen Botschaft in Berlin

Die Inspektoren fanden an allen Orten gute bis befriedigende Verhältnisse vor. Beschwerden bezogen sich am häufigsten auf Verzögerungen im Postverkehr, bisweilen auch auf zu kleine Essensrationen.
 

Anmerkungen

1.  Wippich (2007, S. 21) unter Hinweis auf Zeitungsberichte; hiernach auch die folgenden Sätze.

2.  Wilhelm Doegen (Bearbeiter und Herausgeber): Der Kriegsgefangenen Haltung und Schicksal in Deutschland. Mit 101 Abbildungen auf 59 Tafeln. Berlin: Verlag für Politik und Wirtschaft 1921. – Attribut der Japaner (S. 33): »auch in Gefangenschaft gleichmütig lächend".

3.  Eine Gesamtzahl von 107 nennt Jochen Oltmer: Unentbehrliche Arbeitskräfte. Kriegsgefangene in Deutschland 1914-1918, in: derselbe (Herausgeber): Kriegsgefangene im Europa des Ersten Weltkriegs, Paderborn: Ferd. Schöningh 2006, S. 69

4.  Genaue Bezeichnung im Original (S. 28): »Zahlentafel sämtlicher eingebrachten Kriegsgefangenen während der Kriegsdauer bis zum 10. Oktober 1918.«
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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