Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Tsingtauer Militärangehörige in außerjapanischen Lagern

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Behandlung der Nichtkombattanten nach Kriegsrecht
 

Inhalt
1. Unterscheidung von Kombattanten und Nichtkombattanten
2. Sonderstellung des Ärzte- und Sanitätspersonals
 

1. Unterscheidung von Kombattanten und Nichtkombattanten

Gemäß Artikel 3 Satz 1der Haager Landkriegsordnung setzt sich die »bewaffnete Macht« einer Kriegspartei aus (a) Kombattanten und (b) Nichtkombattanten zusammen. Ullmann (S. 477) definiert die Begriffe wie folgt:

  1. »Kombattanten sind nach den landesrechtlichen Normen über das Wehrsystem und die Organisation der staatlichen Streitkräfte [...] verschiedene Gruppen von Personen, im allgemeinen jedoch immer nur vom Staate zum Kampf beauftragte bezw. autorisierte Personen. Hieher gehören die Mitglieder des eigentlichen Heeres (die Land- und Seetruppen), die Milizen, die Landwehr und der Landsturm.«1
  2. »Zur bewaffneten Macht gehören als Nichtkombattanten die Beamten der Militär-Intendantur, andere Militärbeamte, die Militärgeistlichen, Ärzte, Vertreter neutraler Mächte usw. Man rechnet zu dieser Kategorie auch die Lieferanten, die Marketender und die mit Erlaubnis des Oberkommandos dem Heere folgenden Zeitungskorrespondenten.«2

Kombattanten wie Nichtkombattanten haben Anspruch auf Behandlung als Kriegsgefangene (Artikel 3 Satz 2).
 

2. Sonderstellung des Ärzte- und Sanitätspersonals (sowie der »Feldprediger«)

Die Sonderstellung des Ärzte- und Sanitätspersonals ist eine der herausragenden Festlegungen, die durch die Genfer Konvention (1864) geschaffen wurde. In den Worten Lueders (S. 403 f.):

»Für den Schutz und die Hülfe, welche die Genfer Convention den verwundeten Soldaten sichern will, ist das Sanitätspersonal wichtig oder vielmehr unentbehrlich. Es kam deshalb der Convention vorzugsweise darauf an, dieses Personal der Angreifbarkeit durch die feindliche Macht und den Wechselfällen des Krieges möglichst zu entziehen und der ungestörten Ausübung seines Berufes zu erhalten. Das Sanitätspersonal ist demnach für ›neutral‹ erklärt worden, d. h. es ist nicht nur unverletzlich und darf nicht combattantenmäßig behandelt, also nicht angegriffen, getödtet, gefangen genommen, noch in seiner wie seiner persönlichen Diener Ehre, Freiheit, Habe irgendwie geschädigt werden, sondern es kann – denn hierauf kommt es ja gerade an – die Ausübung seines Berufes im Herrschaftsgebiet des feindlichen Heeres unbehelligt fortsetzen.«

Die Grundgedanken fanden auch Eingang ins überarbeitete Genfer Abkommen von 1906 (Artikel 9)

»Das ausschließlich zur Bergung, zur Beförderung und zur Behandlung von Verwundeten und Kranken sowie zur Verwaltung von Sanitätsformationen und -anstalten bestimmte Personal und die den Heeren beigegebenen Feldprediger sollen unter allen Umständen geachtet und geschützt werden; wenn sie in die Hände des Feindes fallen, dürfen sie nicht als Kriegsgefangene behandelt werden.«

und über dieses in die Haager Landkriegsordnung von 1907 (Artikel 21). Es lag freilich in der Natur der Sache, dass dabei ein Interpretationsspielraum verblieb, insbesondere hinsichtlich der Fragen, (1) welche Personen im Einzelnen besonderen Schutz genießen und (2) wie das Zurückschicken vor sich gehen sollte.

Zu Frage (1) betonte Ullmann (S. 485) die Nützlichkeit einer einer weiten, offenen Formulierung:

»Die Verschiedenheit der Organisation des nationalen Sanitätsdienstes schließt eine erschöpfende Aufzählung der Personen oder Personenkategorien, die mit der Pflege der Verwundeten betraut sind, aus. Die [Haager] Konferenz entschied sich daher für eine allgemeine Formel, unter welche alle jene Personen subsumierbar sind, die im Sinne der Konvention Anspruch auf Unverletzlichkeit und Schutz erheben konnten.«

Ein typischer Konflikt bei der Gefangennahme der Tsingtauer ergab sich dadurch, dass einige (ältere) Männer zwar einen militärischen Dienstgrad hatten, aber ständig oder zeitweise ihren Dienst in den Sanitätsformationen verrichteten. Japan als »Haltestaat« war hierbei nicht kompromißbereit und führte diese Männer, jedenfalls bis zu einer gewissen Altersgrenze, in die Gefangenschaft ab – insoweit im Einklang mit Lueder (S. 407):

»Sie [= die Soldaten, die zum Sanitätsdienst herangezogen und vorübergehend aus der Combattantenstellung ausgeschieden sind, später aber wieder in die letztere zurückkehrten] sind unverletzlich, so lange sie für den Sanitätsdienst nöthig sind, brauchen aber nachher nicht zurückgesandt zu werden, sondern verfallen der Kriegsgefangenschaft.«

Zu Frage (2) waren sich alle Völkerrechtler darüber einig, dass das Zurückschicken des Personals in die Heimat in erster Linie von den militärischen Notwendigkeiten bestimmt ist, wobei für den Termin der Entlassung insbesondere »die Gefahr, dass das entlassene Personal Nachricht und Kundschaft [über den Feind] geben kann, mit in Betracht (kommt)« (Lueder S. 407). In dieser Hinsicht waren die Japaner großzügig, weil das, was die Entlassenen aus Tsingtau hätten berichten können, nicht militärisch relevant war.
 

Anmerkungen

1. Siehe hierzu auch die Unterscheidung von »regelmäßigen« und »unregelmäßigen Combattanten« bei Lueders (S. 373 ff.).

2. Der letzte Satz ist sinngemäß in Artikel 13 der HLKO enthalten.
 

Literatur


 

©  Hans-Joachim Schmidt
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