Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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»Begegnungen hinter Stacheldraht« – Symposium in Lüneburg am 2. Juni 2017


BegegnungenIm Rahmen der Bando-Gedenkausstellung (siehe Bild links), die vom 28. April bis 23. Juli 2017 im Museum Lüneburg gezeigt wird, fanden mehrere Sonderveranstaltungen statt.

Unter anderem wurde am 1. Juni 2017 im Beisein der Filmemacherin Brigitte Krause der Dokumentarfilm »Feinde|Brüder« aufgeführt, der darüber hinaus während der Ausstellung in Endlos-Schleife lief.

Tags darauf – am 2. Juni 2017 – fand von 14:00 bis 19:30 Uhr ein Symposium unter dem Arbeitstitel »Das Kriegsgefangenenlager Bando und die deutsch-japanischen Beziehungen« statt, über das hier kurz berichtet werden soll.


(1) In ihrer Begrüßung verwies die Leiterin des Museums, Frau Prof. Dr. Heike Düselder, auf die besonderen Beziehungen zwischen der Stadt Lüneburg und dem Land Niedersachsen einerseits, der Stadt Naruto und der Präfektur Tokushima andererseits; diese Beziehungen hätten das Museum veranlasst, mit Unterstützung vieler anderer Stellen die Ausstellung durchzuführen.
Im Anschluss daran führte Dr. Ulfert Tschirner, »Kurator Kultur« des Museums und Leiter des Symposiums, auf die Frage »Sonderfall oder Mythos?« hin: Welche besonderen Konstellationen lagen beim Gefangenenlager Bando (1917-1920) vor?

(2) Dr. Gerhard Krebs (Berlin) schlug unter dem Titel »Das Ende des ›goldenen‹ Zeitalters in den deutsch-japanischen Beziehungen (1894–1914)« einen weiten Bogen von der Aufnahme von Beziehungen 1861 zwischen Preußen (später: Norddeutscher Bund, dann Deutsches Reich) und Japan über die kritische Entwicklung ab 1894 bis zum Weltkrieg und zur Wiederaufnahme der Beziehungen in den 1920er Jahren.1
Der Referent hob besonders die prekäre Rolle deutscher Diplomaten (Max von Brandt, Felix von Gutschmid usw.) und des Kaisers Wilhelm II. hervor, die maßgeblich dazu beitrugen, dass sich die Beziehungen zwischen beiden Staaten verschlechterten und mit dem kurzen japanischen-deutschen Krieg 1914 ihren Tiefpunkt erreichten.

(3) Dr. Rolf-Harald Wippich (Luzern) nahm einen »Perspektivenwechsel« vor, indem er an das Schicksal der japanischen Zivilgefangenen im Herbst 1914 erinnerte.2 Die bislang wenig beachtete Problematik der »enemy aliens« wäre bei dieser Gelegenheit erstmals, danach aber noch in vielen anderen kriegführenden Ländern hervorgetreten. Der Referenz verwies auf die psychologischen Dispositionen, die zu der Entwicklung führten, und illustrierte das Geschehen anhand einiger Einzelschicksale.3

(4) Nach der Kaffeepause führte die Kuratorin der Ausstellung, Frau Jessica Leffers (Bremen), bei einem Rundgang in die Konzeption und die thematischen Schwerpunkte ein, wobei sie nochmals allen Personen und Institutionen dankte, die Exponate zur Verfügung gestellt oder sich in anderer Weise engagiert hatten.

(5) Anschließend hatte der Redakteur Gelegenheit, ausgewählte und aktuelle Aspekte seines »historisch-biographischen Internet-Projekts« darzustellen, und zwar in vier Abschnitten: (I) Rahmendaten zu Kriegsteilnehmern und Kriegsgefangenen; (II) Quellenlage, Vorgehensweise bei der Biographiearbeit; (III) Ausgewählte Portraits von deutschen Gefangenen (Eduard, Gerhard und Constantin Meyer; Christoph Freiherr von Tucher; Heinz van der Laan; Max Bunge; Clemens Felchnerowski, Heinrich Steinfeld, Adolf Haas, Friedrich Weber; Alfred Meyer-Waldeck); (IV) aktuelle Thesen und Fragen, die sich aus der Arbeit ergeben haben.

(6) Unterm Titel »Das Lager Bando – ein Sonderfall?« griff der letzte Referent, Dr. Frank Käser (Berlin), die eingangs gestellte Frage auf. Er monierte, dass die Verhältnisse in Bando häufig pars pro toto für die Gefangenschaft der Deutschen in Japan genannt würden; diese »rückwärtsgerichtete Deutung« würde aber durch die Fakten nicht gestützt. Eine differenziertere Betrachtung legten insbesondere die Erkenntnisse nahe, die bei »Inspektionen« neutraler Personen in den Jahren 1916 und 1918 gewonnen wurden.4 Insgesamt wäre die »Sonderfall«-Frage mithin zu bejahen.

(7) In der abschließenden Diskussion wurden einige Aspekte der beiden letzten Vorträge lebhaft diskutiert, insbesondere auch die Frage nach Kommunikations-Strukturen und -Barrieren zwischen Japanern und Deutschen. Herr Dr. Tschirner schloss das Symposium mit seinem Dank an Referenten und Zuhörer.

Hinweis: Frau Prof. Dr. Düselder hat am 19.06.1917 einen ausführlichen »offiziellen« Tagungsbericht veröffentlicht.
 

Anmerkungen

1. Der Referent lehnte sich stark an seinen 2011 erschienenen Buchbeitrag an (Krebs 2011).

2. Der Referent lehnte sich stark an seinen 2007 erschienenen Zeitschriftenaufsatz an (Wippich 2007).

3. In der Aussprache verwies der Redakteur ergänzend auf jene über 100 japanischen Passagiere der Hitachi Maru, die sich von Herbst 1917 bis Ende 1918 in deutschem Gewahrsam befanden.

4. Der Referent bezog sich insbesondere auf die Berichte von Sumner Welles (1916) und von Dr. Fritz Paravicini (1918), die im vorliegenden Projekt vollständig wiedergegeben sind.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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