Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Tätigkeit der Siemens Sohuckert Denki K.K. in Kriegsgefangenen-Angelegenheiten in Japan 1914-1919

Bericht vom 15. August 1919
 

Inhalt

  1. [Einleitung] [im Original S. 1-3]
  2. Allgemeines [im Original S. 3-7]
  3. Bankabteilung [im Original S. 7-11]
  4. Einkaufsabteilung [im Original S. 11-15]
  5. [Arbeitsverteilung] [im Original S. 15-17]

Der hier wiedergegebene Bericht stammt aus der ehemaligen Sammlung Walter Jäckisch. Der Redakteur hat Schreibfehler (in Original oder Abschrift) korrigiert, Abkürzungen ausgeschrieben, Anmerkungen in [...] oder als Fußnoten hinzugesetzt; die Zwischentitel II.-IV. entstammen dem Original.
 


[I. Einleitung]

Bei Ausbruch des Krieges wurden von den in Tokyo, Yokohama und Kobe lebenden Deutschen drei Hilfsausschüsse ins Leben gerufen, um die durch den Krieg zu erwartenden neuen Aufgaben zu erfüllen.

Im Hilfsausschuss Tokyo war die Firma Siemens durch ihren Leiter [Drenckhahn] vertreten. Da in Tokyo kein deutscher Klub besteht und den Deutschen der Besuch des Vereinsgebäudes der »Deutschen Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens« [OAG] polizeilich verboten wurde, standen dem Hilfsausschuss keine Räumlichkeiten zur Verfügung. Die Firma Siemens stellte daher ein Sitzungszimmer zur Verfügung und übernahm zugleich die zu erledigenden Arbeiten. Dies war umso wichtiger, als der Hilfsausschuss bis März 1917 aus praktischen Gründen polizeilich nicht angemeldet war und alle Arbeiten mit dem Namen der Firma gedeckt wurden.

Die erste Aufgabe war naturgemäss die Sorge für die in Not geratenen Residenten1, denen der Krieg die Möglichkeit genommen hatte, ihren Lebensunterhalt zu erwerben. Durch den Eintritt Japans in den Krieg und den Fall von Tsingtau entstand bald die weit größere Aufgabe: die Fürsorge für die Kriegsgefangenen.

Im Oktober 1914 kamen die ersten 70 Kriegsgefangenen nach Kurume. Der erste Deutsche, der sie besuchte, war ein Angehöriger unserer Firma [Drenckhahn]. Seine Berichte über wiederholte Besuche der Kriegsgefangenen und des japanischen Kommandos setzten uns instand, eine tatkräftige Hilfe einzuleiten. Es stellte sich heraus. dass die Japaner aus Mangel an Erfahrung nicht in der Lage waren, den Kriegsgefangenen eine erträgliche europäische Verpflegung zu liefern2, was zudem einem japanischen Unternehmer überlassen wurde. Die sofort von uns veranlassten Sendungen der drei Hilfsausschüsse von Schwarzbrot, Butter, Fett, Marmeladen und Barzuschüssen linderten die erste Not. Vor allem gelang es uns aber, das japanische Kommando zum Bau einer Mannschaftsküche zu veranlassen, in der das gelieferte Rohmaterial von den Kriegsgefangenen selbst besser ausgenutzt werden und eine erträgliche Beköstigung erzielt werden konnte. Im Anschluss daran wurde auch der Bau einer besonderen Bäckerei durohgesetzt.

Diese Erfahrungen in kleinem Maßstabe wurden für uns dadurch besonders wichtig, dass sie uns instand setzten, sofort an der richtigen Stelle mit dem Hilfswerk einzusetzen, als im Novembor 1914 weitere (ca.) 4.700 Kriegsgefangene kamen. Diese kamen nach langen, schweren Kämpfen direkt aus den Schützengräben. Nach der unregelmäßigen Verpflegung während der letzten Kämpfe erhielten sie auf dem etwa 10-tägigen Schiffstransport3 nur mangelhafte halbjapanische Kost und anfangs in den noch unfertigen Kriegsgefangenenlagern ungenügende Verpflegung. Hier tat schnellste Hilfe not, und es wurden sofort Lebensmittel in großem Maßstabe geliefert, namentlich Brot und Butter, und zwar so lange, bis die Einrichtung von Mannschaftsküchen und Bäckereien überall durchgeführt war. Bis März 1915 wurden 51.530 Pfund Schwarzbrot (Wert Yen 3130.-) und 6.520 Pfund Kochbutter (Wert Yen 5490.-) geliefert. Ferner wurden nach Bedarf Küchenzuschüsse gesandt und zu Weihnachten und Kaisers Geburtstag Spenden zur Barverteilung an die Mannschaften.

Im März 1915 kam dann die »Deutsche Spende II«4 mit monatlich Mark 24.000,- und später Mark 40.000.-, wodurch die gesamte Hilfstätigkeit für die Allgemeinheit auf eine breitere Grundlage gestellt werden konnte. Durch zahlreiche Rundreisen nach allen Kriegsgefangenenlagern wurden die Wünsche und Nöte der Lager festgestellt und eine zweckmäßige Verwendung der Mittel sichergestellt. Der Umfang der Arbeiten wuchs schnell an, so dass bald alle verfügbaren Kräfte in den Dienst der Kriegsgefangenen-Angelegenheiten gestellt werden mussten. Zu den Bedürfnissen der Allgemeinheit kamen zahllose Einzelwünsche, Bestellungen, Bitten um Unterstützungen, Darlehn usw. Die Bewältigung dieser Arbeiten war nur möglich durch zweckmäßige Organisation; es wurden drei große Abteilungen geschaffen, die Hand in Hand arbeiteten (aber räumlich getrennt und mit drei getrennten Aktensystemen). Diese Abteilungen sind:

  1. eine allgemeine Abteilung ohne besonderen Namen, welche alle Arbeiten erledigt, die mit den »Deutschen Spenden« zusammenhängen. Ferner gehören hierzu die Arbeiten für den Hilfsausschuss, den Verkehr mit den Lagern in Sachen der Allgemeinheit und alles, was nicht von den beiden Spezial-Abteilungen erledigt wird;
  2. die Bankabteilung, welche den gesamten Geldverkehr mit den Kriegsgefangenen vermittelt, soweit er nicht die »Deutschen Spenden« betrifft;
  3. die Einkaufsabteilung, welche in grossem Umfange Einkäufe für Kriegsgefangene gegen Bestellung vermittelt.

Es würde zu weit führen, die zeitliche Entwicklung der Arbeiten in diesen Abteilungen im Einzelnen zu verfolgen, wie sie sich aus den wechselnden Bedürfnissen einer fünfjährigen Kriegsgefangenschaft ergaben. Es sollen daher nur die wichtigsten Arbeiten aufgeführt werden, um die überraschende Tatsache zu erklären, dass unser gesamtes Personal nicht nur fünf Jahre lang beschäftigt, sondern sogar jahrelang überlastet war. Unsere Hauptarbeiten sind nachstehend geschildert.
 

[II.] Allgemeines

Wir führen die allgemeine Kasse und die Bücher des Hilfsausschusses Tokyo, durch die sowohl die regelmäßigen Beiträge der Zeichner5 als auch besondere Spenden aus dem In- und Ausland gehen. Die gesammelten Mittel werden teils für die Kriegsgefangenen in Japan, teils für die Kriegsgefangenen in Sibirien verwendet. Für in Not geratene Residenten waren nur geringe Mittel nötig, da das Reich die Fürsorge für diese übernommen hat.

Ebenso führen wir die Kasse und die Bücher für die »Deutsche Spende II«, welche im Namen des Hilfsausschusses Tokyo verwaltet wird. Daraus leisten wir die monatlichen Zahlungen an das Kriegsministerium zur Verteilung an die Lager, und zwar Barbeträge für Küche, Kranke, Invalide und (bis zum Eintreffen der »Deutschen Spende III«) Taschengeld. Die hierzu nötigen Angaben und Kopfzahlen erhalten wir teils monatlich vom Kriegsministerium, teils von den rangältesten deutschen Offizieren der Lager. Letztere übersenden uns auch die Bestellzettel, auf Grund deren wir die Materiallieferungen vornehmen. Diese erfordern einen großen Arbeitsaufwand, so dass mit der Verwaltung der »Deutschen Spende II« einer unserer Herren während der fünf Jahre dauernd beschäftigt war (außerdem japanische Angestellte für Einkauf und Versand). Durch Lagerbesuche und Briefwechsel unterrichteten wir uns über alle Wünsche, und es ist in weitestem Maße versucht und auch erreicht worden, alle berechtigten Wünsche der Allgemeinheit im Rahmen der vorhandenen Mittel zu befriedigen. Wenn trotzdem diese Spende nicht immer die richtige Anerkennung von seiten der Kriegsgefangenen gefunden hat, so liegt das an dem psychologischen Zustand der Kriegsgefangenen; ihre fünfjährigen Seelenleiden waren so groß, dass eben keine materielle Hilfstätigkeit dagegen ankämpfen konnte. Alle Einzelheiten über Verwaltung und Verwendung der »Deutschen Spende II« sind aus den einzelnen Jahresberichten zu ersehen.

Im engsten Zusammenhang mit der Verwaltung der »Deutschen Spende II« stehen unsere jahrelangen Verhandlungen mit dem hiesigen Kriegsministerium, die den Zweck hatten, Verbesserung in der Behandlung der Kriegsgefangenen zu bewirken. Vieles ist im Laufe der Jahre erreicht worden, vieles ist aber trotz größter Bemühungen nicht gebessert worden. Hindernd wirkte vor allem die altjapanische Anschauung, dass Kriegsgefangenschaft etwas Unehrenhaftes sei, und außerdem der Einfluss der alliierten Mächte.

Energische Unterstützung haben wir im Anfang des Jahres 1917 dem schwedischen Pfarrer Neander zuteil werden lassen, um durch neutralen Einfluss eine Verbesserung der Lage der Kriegsgefangenen zu bewirken, worüber ein besonderer Bericht vorliegt. Der Zweck wurde auch erreicht, indem nach diesem Besuche der Bau von Baracken für Lehr- und Unterhaltungszwecke erlaubt und der Entfaltung geistigen Lebens und Ausübung von Handwerk in den Lagern weniger Schwierigkeiten gemacht wurden.

Auch für die »Deutsche Spende III« führen wir die Kasse und die Bücher und leisten die monatlichen Zahlungen an das Kriegsministerium. Diese Spende verursachte dadurch einen ganz besonderen Aufwand von Arbeit, da die Bestimungen für die Verteilung von vornherein nicht klar waren und die Überweisungen zu spät eingingen. Hierdurch entstand eine große Unzufriedenheit in den Lagern, welche zu langen Briefwechseln und Verhandlungen führten, in denen sich der in der Heimat vollzogene politische Umschwung lebhaft bemerkbar machte.6 Hoch heute werden alle unsere Arbeiten und Dispositionen durch den unregelmäßigen Eingang dieser Spende sehr erschwert.

Ferner ist noch unsere Tätigkeit als Sammelstelle für Liebesgaben für den Hilfsausschuss Tokyo zu erwähnen, die zeitweilig großen Umfang annahm. Es wurde sowohl für Japan als auch für Sibirien gesammelt. Vor allem sind die jetzt viele Tausend Bände umfassenden Büchereien der hiesigen Lager aus diesen Sammlungen der drei Hilfsausschüsse entstanden. Später wurde auch ein Bücheraustausch zwischen den einzelnen Lagern eingerichtet, wobei wir auch als Vermittlungsstelle dienten. Für Sibirien wurde hauptsächlich warme Kleidung gesammelt, und hiermit wird jetzt, Ende 1919, wieder begonnen, wo das Elend in Sibirien seinen Höhepunkt erreicht zu haben scheint.

Außer dem gesamten Materialversand für den Hilfsausschuss und die »Deutsohe Spende II« haben wir auch den ganzen Briefwechsel bewältigt: In Kriegsgefangenen-Angelegenheiten sind insgesamt (von allen Abteilungen) über 30.000 Briefe herausgegangen, wofür im Laufe der Zeit über 300 Aktenstücke angelegt werden mussten. Wir führten nicht nur den Briefwechsel in Japan, sondern auch für die drei Hilfsausschüsse mit dem Ausland, z.B. den Hilfsvereinen in China und Amerika und früher den deutschen Behörden in China. In Japan verteilt sich der Briefwechsel auf die Lager, japanische Behörden, Hilfsvereine, Residenten und die Vertretung unserer Schutzmacht.

Seitdem die Schweizerische Gesandtschaft die Vertretung der deutschen Interessen übernommen hat, haben wir eine große Anzahl von Arbeiten übernommen, da diese wegen Personalmangel und wegen Schwierigkeiten im Briefwechsel mit den Lagern diese Arbeiten nicht ausführen könnte. Hierzu gehören folgende [im Original: Fließtext]:

Von den übrigen Arbeiten sind nur kurz aufgezählt: ausführliche Berichte über die Lage der Kriegsgefangenen auf Grund von Rundreisen an das Kriegsministerium und heimische Behörden; Jahresberichte über die Verwendung der »Deutschen Spende II«; Berichte über die gemeinsame Tätigkeit der drei Hilfsausschüsse; Aufstellung der Verlustlisten für Tsingtau; Auskunftsvermittlung für das Rote Kreuz; Briefbeförderung für Kriegsgefangene; Verteilung der Zeitungen aus Deutschland auf die Lager usw.

Endlich sei erwähnt, dass einer unserer Herren vorübergehend auf dem Kriegsministerium arbeitete zur Aufstellung eines Namensverzeichnisses der Kriegsgefangenen, das vom Kriegsministerium gedruckt wurde. Später arbeitete derselbe Herr vorübergehend auf der Schweizerischen Gesandtschaft in Stellvertretung des erkrankten Sekretärs.
 

[III.] Bankabteilung

Im Anfang der Kriegsgefangenschaft war die Notlage der Offiziere am schlimmsten. Sie kamen direkt aus dem Schützengraben mit dem, was sie auf dem Leibe hatten, und natürlich geringen Geldmitteln. Im Lager haben sie nur die Wohnung frei und müssen Essen, Kleidung, Heizung und Licht von dem geringen Gehalt der japanischen Regierung bezahlen. Außerdem mussten sie alle Anschaffungen wie tägliche Gebrauchsgegenstände, Einrichtung der Offiziersküche, Tischparzellen usw. selbst bezahlen. Aber infolge der Langsamkeit des japanischen Verwaltungsapparates dauerte es viele Wochen, bis die erste Gehaltszahlung kam. So kamen die Offiziere schnell in eine äußerst missliche Notlage, und bald kamen brieflich und telegraphisch Bitten um Vorschüsse. Wir stellten daher den rangältesten deutschen Offizieren der 12 Lager insgesamt Yen 72 .000.- zur Verfügung, wovon ca. Yen 30.000.- zum Einwechseln von Tsingtau-Noten und fremdem Geld dienten und nach zwei Monaten wieder eingingen. Der Rest ist zurückgezahlt bis auf Yen 319.50, welche in Deutschland zurückgezahlt werden.

Nach dieser ersten Notaktion setzten dann die von Ihnen7 vermittelten privaten Überweisungen an Kriegsgefangene ein, die vielen die Rückzahlung des Vorschusses ermöglichten. Der Auszahlungsverkehr an die Empfänger geschieht mit Formularen, deren Durchschlag als Empfangsbestätigung dient. Die Zahlung geschieht jetzt an unsere unten erwähnte Vermittlungsstelle in den Lagern; früher, als dieser Weg verboten war, musste an jeden einzelnen Empfänger Wertbrief oder Postanweisung gesandt werden. Die Auszahlung wurde vorübergehend durch das Post- oder Handelsverbot gehindert, kam aber nach Verhandlungen mit den Behörden immer wieder in Gang. Die Beschaffung des vielen Kleingeldes, welches die Postämter verlangten, und die Menge unserer Sendungen führten bald zu großen Schwierigkeiten und endlosen Verzögerungen. Da andererseits auch die kleinen Postämter bei den Gefangenenlagern Mangel an dem erforderlichen Kleingelde hatten, gestatteten die Lagerbehörden uns auf unser Gesuch hin, in jedem Lager eine Abrechnungsstelle einzurichten, welche unsere Zahlungen an die Kriegsgefangenen an uns und an den Hilfsausschuss Tokyo gegeneinander verrechnen. Unsere Zahlungen an die Kriegsgefangenen werden durch von uns aufgestellte Zahlungslisten bei der Vermittlungsstelle veranlasst, während wir von Geldeingängen bei der Vermittlungsstelle duroh nummerierte »Geldeingangskarten« Kenntnis erhalten, welche als vorgedruckte Postkarten, nur mit Betrag und Angabe über Verwendungszweck versehen, von einem Block in Form eines Scheckbuches abgetrennt an uns gesandt werden. Die Geldbestände in den Lagern werden von Vertrauensleuten verwaltet und von uns je nach Bedürfnis ergänzt.

Infolge der zeitweisen Unterbrechung des Postverkehrs mit der Heimat und der damit verbundenen Verzögerung in dem Eintreffen Ihrer Überweisungslisten einerseits und durch das allmähliche Versagen der meisten Hilfsquellen in Ostasien andererseits wandten sich die Kriegsgefangenen mit Bitten aller Art an uns, so dass unsere Korrespondenz einen beträchtlichen Umfang annahm und in schematisohe Formen für gleichartige Angelegenheiten gebracht werden musste. Durch Rundschreiben an die Lager über unsere prinzipielle Stellungnahme zu vielen Angelegenheiten beugten wir vielen Anfragen vor. Trotz der größten Einschränkung und Schematisierung beläuft sich die Anzahl der herausgegangenen Briefe der Bankabteilung einschliesslich Geldüberweisungen auf ca. 12.000. Hierbei ist in Betracht zu ziehen, dass die vielen Geldsendungen besondere Sorgfalt und Kontrollen erforderten, so dass auch japanisches Personal in höchstem Maße hinzugezogen werden musste. Im Anfang der Kriegsgefangenschaft übermittelten wir auch Anträge der Kriegsgefangenen an deren Angehörige in der Heimat auf Überweisung von Geldern. Des Weiteren vermittelte die Bankabteilung Überweisungen nach der Heimat duroh Herrn Dr. K. G. Frank, New York, und Überweisungen aus Amerika nach Japan durch dieselbe Stelle. In neuerer Zeit veranlassen wir auch mit unseren »Rücküberweisungslisten« Rückzahlungen durch das Stammhaus von hier – wegen des ungünstigen Kurses – zurückgewiesenen Geldüberweisungen. Nach Schließung der Deutsch-Asiatischen Bank in Japan und Tsingtau übernahmen wir Auszahlungen an Kriegsgefangene für die Deutsch-Asiatische Bank in Shanghai, ferner standen wir in ständigem Rechnungsverkehr mit der Hilfsaktion Tientsin, welche andererseits für uns Zahlungen an Kriegsgefangene in Sibirien ausführte. Ferner vermittelte die Bankabteilung bei dem Generalkonsulat in Shanghai die Gewährung von Vorschüssen auf Gehalts- und Löhnungsguthaben der Kriegsgefangenen, verwaltete Guthaben von Kriegsgefangenen und vermittelte die Einlösung von Schecks, Wechseln und fremden Geldsorten. Außerdem wurden Darlehn an 377 aktive Deckoffiziere, Feldwebel und Unteroffiziere gegen Sicherheiten gewährt. Die Ausarbeitung der hierzu erforderlichen »Darlehnskarten«, welche von in den Lagern gebildeten Darlehnskommissionen geführt werden, sowie die Schlussabrechnung verursachte viel Arbeit. Über die Einzelheiten und die Entwicklung dieser Aktion ist besonders berichtet worden. Außer den vorgenannten Darlehn wurden auch Darlehn an aktive Offiziere, rückzahlbar in Deutschland, desgleichen Darlehn gegen Bürgschaft, gegen Bankguthaben und gegen Hinterlegung von Wertpapieren gewährt.

In besonders dringenden Fällen zahlten wir nach Prüfung der Angelegenheit und Begutachtung durch die rangältesten Offiziere auch Vorschüsse auf Geldüberweisungen aus Deutschland. Bezüglich der Außenstände an Kriegsgefangene per 31. Oktober 1919 verweisen wir auf unseren besonderen Bericht, in welchem wir über die Notwendigkeit unserer Handlung näheren Aufschluss geben.

Infolge Knappheit unserer Geldbestände, welche wir für unsere Zahlungen an Kriegsgefangene reservieren konnten, versuchten wir, hier in Japan Gelder aufzunehmen. Auf unsere Umfrage in den Lagern wurden uns auch in Laufe der letzten Zeit Summen im Gesamtbetrage von ca. Mark 1.000.000.- aus China zur Verfügung gestellt, welche wir für unsere Auszahlungen an Kriegsgefangene benutzten. Die Rückzahlung dieser Summe erfolgt in Deutschland durch Vermittlung des Stammhauses in der Hauptsache an Hypothekengläubiger der in China verkauften Grundstücke und Gebäude. Die Erledigung der hierzu erforderlichen Formalitäten und Löschung von Hypotheken hat Herr Justizrat Dr. Zimmer in Berlin übernommen.

Endlich vermittelt die Bankabteilung für die Schweizerische Gesandtschaft die folgenden monatlichen Auszahlungen an die Kriegsgefangenen: Unterstützungen an frühere Angestellte der Deutschen Medizinschule Shanghai; Zahlungen der niederländischen Gesandtschaft in Peking an frühere Angestellte der Deutschen Post in China und an frühere Angestellte der Schantung Eisenbahngesellschaft; Auszahlungen der Reichsdarlehn von der Schweizerischen Gesandtschaft an Kriegsgefangene gegen Sicherheiten, ratenweise Auszahlung von Guthaben Kriegsgefangener bei englischen Banken in China. Diese Zahlungen betragen monatlich Yen 3.000 bis 5.000 und sind an ca. 100 bis 130 Empfänger zu verteilen.

All die vorstehend geschilderten Arbeiten wurden uns bedeutend erschwert durch scharfe behördliche Maßnahmen und Ausnahmegesetze, welche sich speziell auf die Geldwirtschaft erstreckten und Arbeiten zu komplizierten Aufgaben gestalteten, welche in Friedenszeiten ohne sonderliche Mühe erledigt werden konnten. Zahlreiche Gesuche mussten an die verschiedensten Behörden gerichtet werden, worauf langwierige Untersuchungen und Rückfragen folgten, bevor zur definitiven Erledigung geschritten werden konnte. Besondere Schwierigkeiten wurden uns durch die Yokohama Specie Bank und durch englische Banken bereitet, während die Mitsubishi Bank und andere japanische Banken uns in jeder Weise unterstützten und entgegenkamen.
 

[IV.] Einkaufsabteilung

Naturgemäß wandten sich unsere kriegsgefangenen Angestellten sofort an uns mit der Bitte um Ausführung von Privatbestellungon. Gleichzeitig baten die Offiziere um Lieferungen für ihre Messen. Weiter folgten Bitten von früheren Residenten Ostasiens und anderen Kriegsgefangenen, die über eigene Mittel verfügten und an eine bessere Lebenshaltung gewöhnt waren. Dazu kam, dass die Kriegsgefangenenlager fast alle in entlegenen Orten im Innern des Landes lagen, wo für Europäer wichtige Gebrauchsgegenstände und Nahrungsmittel entweder nur schwer oder überhaupt nicht zu erhalten sind. Besonders im Anfang, als die Kriegsgefangenen nach schweren Kämpfen und anstrengender Seereise erschöpft hier ankamen, wurden unsere eiligst angefertigten Sendungen von Lebensmitteln und Getränken als eine Erlösung von den Entbehrungen freudig begrüßt. Und alle die Jahre hindurch blieb die Lieferung von Lebensmitteln mit das Wichtigste bei den Privatbestellungen, denn jeder hatte das Bestreben, die eintönige und mit der Teuerung immer knapper werdende Lagerkost zu verbessern. Durch Abmachungen mit den Lieferanten waren wir in der Lage, umfangreiche Preislisten zu verwenden und alle Wünsche der Kriegsgefangenen zu günstigen Bedingungen zu erfüllen, und der beste Beweis, dass unsere Lieferungen preiswert sind, wird dadurch erbracht, dass die in den Lagern bestehenden Kantinen meist teurer lieferten und jahrelang immer wieder versucht haben, durch behördliche Entscheidungen unsere Lieferungen unmöglich zu machen.

Außer Lebensmitteln lieferte die Einkaufsabteilung im Laufe der Jahre wohl jeden überhaupt denkbaren Gegenstand wie Kleidung und Wäsche, Material für Körper- und Krankenpflege, Sportartikel, Malerei-Utensilien, Musikinstrumente und Noten, geliehene Klaviere und Harmoniums, Handwerkszeug, Werkzeugmaschinen und Rohmaterial aller Art für alle Handwerke, Lehrbücher und Unterhaltungslektüre usw.

Die Lieferung von Werkzeug und Rohmaterial hat namentlich in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Die Länge der Gefangenschaft wurde immer unerträglicher. Als endlich (besonders nach dem Besuch des Pfarrers Neander) für Kunst und Handwerk mehr Freiheit gewährt wurde, regte sich überall der lange unterdrückte Arbeitstrieb, und in mehreren Lagern wurden aus der Mitte der Kriegsgefangenen Ausstellungen für Kunst und Kunstgewerbe und Handwerk ins Leben gerufen. Einige dieser Ausstellungen haben wir dadurch finanziert, dass unsere Einkaufsabteilung alles nötige Werkzeug und Rohmaterial lieferte und die Bezahlung bis nach der Ausstellung, auf der ein großer Teil der Erzeugnisse verkauft wurde, stundete.

Seit Monaten hat die Einkaufsabteilung zahlreiche Bestellungen für die Heimreise der Kriegsgefangenen geliefert, nicht nur Reisekoffer usw., sondern auch alle Gegenstände, welche die Kriegsgefangenen mit in die Heimat nehmen wollen wie Wäsche, Kleiderstoffe, Schuhe, Wolle und dergleichen. Vorübergehend nahm die Arbeit derartig zu, dass wir versuchten, die Bestellungen aus einigen Lagern an die Hilfsausschüsse in Kobe und Yokohama zu übertragen. Diese Besteller traten aber immer wieder mit Bitten an uns heran, so dass wir schliesslich wieder aus allen Lagern die Bestellungen angenommen haben.

Für die Einkaufsabteilung haben wir ein getrenntes Einkaufskonto und eine besondere Buchhaltung eingerichtet. Die Zahlungen der Kriegsgefangenen erfolgen in der Regel pünktlich, so dass wir, von ganz wenigen Fällen abgesehen, keine sohlechten Erfahrungen gemacht haben. Da der Abtransport der Kriegsgefangenen nunmehr bevorsteht, liefern wir nur noch gegen Vorausbezahlung oder Nachnahme.

Insgesamt wurden gegen 10.000 Sendungen geliefert im Gesamtwert von ca. Yen 134.000.-. Der Wert der monatlichen Lieferungen ist aus nachstehender Tabelle zu ersehen, welche den erhöhten Umsatz im Weihnachtsmonat und in den Monaten vor dem Abtransport deutlich zeigt.
Siemens

Vor Bildung einer besonderen Einkaufsabteilung wurden von August 1914 bis Juli 1915 Privatbestellungen im Wert von Yen 6100.- ausgeführt.

Durch die vorstehend geschilderten Arbeiten ist unser gesamtes deutsches und japanisches Personal (nach Ausscheiden der japanischen Ingenieure) seit November 1914 dauernd stark belastet gewesen. Zur Bewältigung der Arbeit waren mehrfach monatelang Überstunden nötig, und wiederholt musste an Sonn- und Festtagen durchgearbeitet werden. Für die Bankabteilung musste sogar fremde Hilfe zugezogen werden.

Dabei ist zu beachten, dass diese Arbeiten in Feindesland stattfanden, in dem jede Transaktion feindlicher Untertanen einer Kontrolle unterliegt und vorheriger Genehmigung bedarf. Die Überwindung aller dieser Hemmnisse und Beschränkungen hat naturgemäss viel unproduktive Arbeit erfordert.

Wir hoffen hiermit einen Überblick über die wichtigsten Punkte unserer Kriegsgefangenen-Aktion gegeben zu haben, über die wir infolge des Postverbotes8 nicht imstande waren, laufend zu berichten.
 

[V. Arbeitsverteilung]

Über die Verteilung der Arbeiten an unser Personal ist noch kurz folgendes zu erwähnen [im Original: Fließtext].


 

Anmerkungen

1.  Der Begriff bezeichnet hier die in Ostasien ansässigen Vertreter deutscher Firmen.

2.  Bezüglich der mehr als 80.000 russischen Gefangenen, die 1904/05 in japanischer Gefangenschaft waren, sind derartige Mängel nicht bekannt geworden; offensichtlich rechnet der Bericht diese nicht zu den »Europäern«.

3.  Die eigentliche Seereise dauerte nur drei, maximal vier Tage, jedoch mussten die Gefangenen nach der Kapitulation noch einige Tage auf den Abtransport warten und auch in Japan teilweise noch eine Tagesreise bis zum Lager absolvieren.

4.  Der Hintergrund der »Deutschen Spenden« ist bisher nicht erforscht.

5.  Hier analog zum Zeichner einer Anleihe gemeint.

6.  Die Ungleichbehandlung von Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften war Teilen der letzteren nicht mehr zu vermitteln; auch hierzu ist weitere Forschung notwendig.

7.  Mit "Ihnen" ist vermutlich das deutsche Siemens-Stammhaus gemeint, d.h. der Adressat des Berichts.

8.  Zum Umfang des Postverbots während des Krieges für die in Japan ansässigen Deutschen besteht noch Klärungsbedarf.
 

© für diese Fassung: Hans-Joachim Schmidt
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