Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Ein historisches Ereignis vor Tsingtau im September 1914:
S.M. Kreuzer Kaiserin Elisabeth erlebt die ersten bordgestützten Luftangriffe der Geschichte

von Wilhelm M. Donko

Quelle: Donko, Wilhelm M.: Österreichs Kriegsmarine in Fernost: Alle Fahrten von Schiffen der k.(u.)k. Kriegsmarine nach Ostasien, Australien und Ozeanien von 1820 bis 1914. Berlin: Verlag epubli, 2013, Seiten 4, 156-162 und 427.
 

Flugzeugträger gab es zu Beginn des Ersten Weltkrieges noch nicht, aber die Japaner versuchten sich schon mit einem Vorläufer, der Wakamiya. Es handelte sich um einen umgebauten Frachter, der bis zu vier Wasserflugzeuge aussetzen und starten konnte (Flugzeugmutterschiff).

Die Japaner flogen mit der Wakamiya nicht nur Aufklärung, sondern auch Angriffe, insgesamt 49 Einsätze, bei denen sie 190 Bomben abwarfen. Sie griffen dabei auch das größte Kriegsschiff im Hafen [Tsingtau] an, die Kaiserin Elisabeth. Erst durch einen kurzen Vermerk in Wikipedia, basierend auf Quellen der traditionell sehr geschichtsbewussten Japaner, wurde ich darauf aufmerksam, dass es sich bei diesen Angriffen wohl um die ersten bordgestützten Luftangriffe der Geschichte handelte. Auch mir wäre kein früherer Angriff dieser Art bekannt. Das bedeutet aber auch, was umgekehrt noch nicht beachtet wurde, dass der alte österreichisch-ungarische Kreuzer Kaiserin Elisabeth das erste Schiff war, das aus der Luft von bordgestützten Flugzeugen angegriffen wurde.

Dazu schreibt der k.u.k. Matrose Valentin Perkonig:1 »Am 5. September erfolgte der erste Fliegerangriff auf die Elisabeth.« Ihm ist natürlich nicht bekannt, dass das Wasserflugzeug von einem japanischen Schiff ausgesetzt wurde. Er berichtet, dass die Kaiserin Elisabeth gerade beim Kohlen war, sie stand aber unter Dampf, so dass der Kommandant erfolgreich Ausweichmanöver gegen den Abwurf von Bomben anordnen konnte. Perkonig weiter in seiner Beschreibung des Geschehens: »Fliegerabwehrgeschütze hatten wir nicht an Bord, wohl aber schossen wir mit den Gewehren nach den Fliegern, ohne zumal damit irgend etwas zu erreichen, zumal die feindlichen Flieger viel zu hoch flogen und wir in diesem Abwehrfeuer auch gar keine Übung hatten. Der ganze ›Erfolg‹ bestand darin, dass wir von unserem Maste bei diesen Salven die Antenne für die Funktelegraphie herunterschossen, worauf der Kommandant die unnütze Schießerei einstellen ließ. Auch später wurde die Elisabeth wiederholt von feindlichen Fliegern angegriffen und beschossen, ohne dass es dem Feinde jemals gelungen wäre, uns einen Treffer beizubringen.«

Ein wahrlich historisches Ereignis: S.M. Kreuzer Kaiserin Elisabeth wurde in Tsingtau im September 1914 Ziel des ersten seegestützten Luftangriffes in der Geschichte. Es handelte sich um in Frankreich gebaute Maurice-Farman-Doppeldecker-Wasserflugzeuge, die mit einem 70-PS-Motor ausgestattet waren; vier Stück waren an Bord der Wakamiya. Am 30.9. wurde die Wakamiya durch eine deutsche Mine außer Gefecht gesetzt, aber ihre vier Flugzeuge setzten die Angriffe danach von Land aus fort.

Wann genau fand der erste bordgestützte Luftangriff in der Marinegeschichte (auf S.M. Kreuzer Kaiserin Elisabeth) statt?

Meines Wissens hat bisher nur der der Marineautor R. D. Layman im Buch »Before the Aircraft Carrier« (London 1989) grundsätzlich richtig festgestellt, dass es sich bei den Einsätzen der Wakamiya vor Tsingtau um die »first air-sea battle« [»erste Luft-See-Schlacht«] in der Geschichte handelte; völlig falsch ist allerdings sein Datum 27.11.1914. Die Kaiserin Elisabeth wurde bereits am 02.11.1914 von der Besatzung selbstversenkt, am 07.11.1914 erfolgte die formelle Kapitulation von Tsingtau, der 27.11. ist daher weit außerhalb jeder reellen Möglichkeit für diesen ersten Angriff.

Der Kärntner Matrose Perkonig schreibt in seinem Tagebuch, dass der erste japanische Luftangriff auf S.M.S. Kaiserin Elisabeth am 05.09.1914 erfolgt sei. Der österreichische Marinehistoriker Erwin Sieche verweist aber zu Recht darauf, dass er seine Tagebucherinnerungen erst viel später niederschrieb und sich dabei mehrfach in der Zeitabfolge irrte.

Waldemar Vollerthun schreibt im Buch über seine Erlebnisse in Tsingtau,2 dass am 05.09.1914 erstmals ein japanischer Flieger auftauchte und Bomben auf Landziele abwarf. Am »nächsten Tag« (d.h. 06.09.) tauchte erneut ein Flugzeug auf (»wir saßen gerade beim Mittagessen«) und griff erfolglos die Kaiserin Elisabeth und die Jaguar an. Ich tendiere dazu, diese Zeitangabe als richtig zu betrachten.

Ich habe auch den offiziellen »Vorfallenheitsbericht«, den Schiffskommandant Makoviz noch erfolgreich nach Wien schicken konnte, in meinem Buch auszugsweise abgedruckt (S. 159-161). Demnach sei erstmals am 04.09.1914 ein japanisches Flugzeug über Tsingtau gesichtet worden (»Als erster Feind zeigte sich am 4./9. ein Flieger, der unbehelligt blieb; ein paar Tage darauf kam er wieder.«). Der österreichisch-ungarische Kreuzer »war besonders als Ziel ausersehen«. Insgesamt ist im offiziellen Aktenstück zum ersten Angriff zwar kein genaues Datum genannt, aber indirekt ist damit der 06.09. von Vollerthun als realistisch zu interpretieren.

Die »first air-sea battle« in der Geschichte fand also am 05. oder 06.09.1914 vor Tsingtau statt. Mit hoher Wahrscheinlichkeit am 06.09.1914 zur Mittagszeit.

Ergänzung: Der Autor hat diese Episode in seinem Anfang 2014 erschienenen neuen Buch nochmals aufgegriffen unter Benutzung auch japanischer Quellen.
 

Anmerkungen des Redakteurs

1.  Zitat aus Perkonig, S. 47.

2.  Zitat aus Vollerthun, S. 88 f.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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