Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Lager Nagoya

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Musik, Gesang, Malerei [in Nagoya]

von Max Schumann

Der Bericht von Max Schumann wurde über Hermann Voigtländer mit Brief vom 21. Dezember 1919 dem deutschen Pfarrer Schroeder in Tokyo übermittelt. Ein Durchschlag des maschinengeschriebenen Originals wurde dankenswerterweise von der Familie Voigtländer zur Verfügung gestellt.

Die Anmerkungen wurden vom Redakteur in [] oder als Fußnoten hinzugesetzt; er hat auch die beiden aus dem Nachlass von Voigtländer stammenden Fotos eingefügt
 

Musik

Musikalische Unterhaltung war vom ersten Tage an vorhanden. Eine kleine Schrammelkapelle wuchs von zwei Geigen nach und nach zu einem kleinen Streichorchester heran.1 Die Besetzung dieses Orchesters war:
   1 Bass
   2 Celli
   2 Violen
   4 II. Violinen
   4 Obligat-Violinen
   4 I. Violinen
   Flöte und G-Klarinette

Neun Monate stand dem Lager ein Piano zur Verfügung, das bei Orchesteraufführungen mit verwandt wurde. Ferner war im Lager eine Orgel mit zwei Registern, zwei Oktaven, Manual und Pedal erbaut worden, sie vertrat in Aufführungen klassischer Werke von Mozart (Ouvertüren) und Schubert (Rosamunde) Blech- und Holzinstrumente. Die Kosten der Instrumente wurden meist durch freiwillige Spenden im Lager gedeckt. Nur wenige Instrumente waren Liebesgaben.

Die Noten kamen zum Teil aus der Heimat, durch Bekannte von Lagerinsassen aus Geschäften und Kapellen daselbst vermittelt. Einen andern Teil der Noten vermittelte Professor Kron, Tokyo.2 Ouvertüren, Haydn'sche Symphonien, Operetten- und Opernstücke wurden aus Klavierstimmen umgeschrieben.

Das Orchester wirkte auch mit dem Lagerchor zusammen.3 Die sechs alt-niederländischen Volkslieder [von Adriaen Valerius] wurden zur Aufführung gebracht und Weihnachten 1918 die Weihnachtsbotschaft aus dem "Messias" [von Händel] mit dem Chor "Ehre sei Gott in der Höhe" für Männerchor umgesetzt.

Übungsraum war zunächst abwechselnd eine der Wohngruppen, später der Garküchenraum.

Das Orchester pflegte leichte und auch gute Musik: Operettenstücke, Tänze, Ouvertüren, Symphonien von Haydn.

Die laufenden Ausgaben wurden durch freiwillige Beiträge gedeckt.
 

Gesang

Ein Männerchor bestand während der ganzen Zeit der Gefangenschaft. Es wurden deutsche Volkslieder und Lieder von Beethoven, Mozart, Schubert, Schumann, Wagner, Mendelssohn und Weber gesungen.
 

Malerei

In Malerei, und zwar Ölmalerei, betätigten sich vier Angehörige des Lagers, einer in Malerei mit Wasserfarben. Leider mussten diese Leute ohne Anweisung und Lehrgang vorwärtskommen. Sie blieben deshalb durchgängig dabei zu kopieren und erreichten dadurch nur einige Technik im Nachzeichnen und der Farbenmischung. Zeichnen nach der Natur unterblieb, von einigen schüchternen Anfängen angesehen, ganz. Die meisten der Kopien wurden durch Vermittlung des japanischen Büros und in großer Zahl während der Ausstellung, Juni 1919, an das japanische Publikum verkauft. Es wurden dabei gute Preise erzielt.
 

Anmerkungen

1.  Leiter der Kapelle war Georg Scheffel (auf dem Foto zweiter von rechts, links neben ihm Hermann Voigtländer).

2.  Gustav Kron (*29.08.1874 Braunschweig) war Lehrer an der Musikakademie Tokyo; siehe den Bericht (in Japanisch) von Takehiko Seto in Beitrag Nr. 245 der Forschungsgruppe Marugame. 1924 leitete er drei Aufführungen von Beethovens Neunter Symphonie.

3.  Die Gesamtleitung hatte ebenfalls Georg Scheffel.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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