Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Lager Nagoya

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Der "Lagerbericht"

von Hermann Voigtländer

Im Folgenden ist ein Brief abgedruckt, den Hermann Voigtländer unter dem 21. 12 1919 aus dem Lager Nagoya an Pfarrer Schroeder in Tokyo richtete. (Wir bedanken uns bei Familie Voigtländer für die Überlassung des Durchschrift des maschinengeschriebenen Originals.)

Offenbar ist der Schreiber kurz vor dem Ende der Gefangenschaft gebeten worden, einen zusammenfassenden Bericht über die Zeit im Lager Nagoya zu erstellen.1 Er hat es jedenfalls geschafft, noch einige Helfer unter seinen Mitgefangenen zum Schreiben zu animieren. Das Resultat, welches er dem Brief an Schroeder beifügte, nannte er "Lagerbericht". – Die Texte wurde nicht verändert, die Anmerkungen hat der Redakteur hinzugefügt.

  1. Brief vom 21.12.1919
  2. Verzeichnis der Anlagen (soweit bekannt)
  3. Brief vom 23.12.1919
  4. Anmerkungen

 

[1. Brief vom 21.12.1919]

Sehr geehrter Herr Pfarrer!

Beiliegend finden Sie die gewünschte Übersicht über die Tätigkeit im Lager, soweit sie für die Allgemeinheit von Bedeutung und in der Kürze der Zeit erfassbar war. Ich bedaure recht sehr, dass erst in so später Stunde der Wunsch nach einer derartigen Zusammenstellung in meine Hände kam. Zeit und Gedanken sind in den letzten Wochen vor dem seit 5 Jahren ersehnten Abreisetag derart in Anspruch genommen, dass für die zu derartigen Arbeiten notwendige Vertiefung wenig übrig bleibt.

So bilden die einzelnen Aufsätze nicht derart ein ganzes, wie ich es gewünscht hätte. Auch fehlt ein Abriss der Lagergeschichte, den Sie aber, wenn auch sehr kurz, im Ausstellungskatalog finden. Sehr gerne hätte ich auch beigefügt einen Versuch der Darstellung des japanischen Charakters, wie er sich uns in den 5 Jahren der Gefangenschaft gab, und Gedanken über die Möglichkeiten und Grenzen eines Näherkommens beider Völker. Solche kritischen Studien können, wenn sie sich der Objektivität befleissigen, persönliche Verbitterung (die ja nur allzu verständlich, aber eine große Gefahr ist) ausschließen, dagegen eine ehrliche Selbstkritik enthalten, nach mancher Richtung von Wert sein. – Der Aufsatz ist nicht geschrieben worden, geht Ihnen aber vielleicht später noch zu.2

Eines werden Sie und etwaige Bearbeiter des beifolgenden Stoffes trotz seiner Mängel erkennen: dass es nicht an Leuten fehlte, die trotz unserer schwierigen Lage, trotz vieler Enttäuschungen und niederdrückenden Erfahrungen den Kopf hoch hielten und, bewusst oder unbewusst, den Drang in sich fühlten, nicht nur sich selbst gesund zu erhalten, sondern auch an der Gesunderhaltung anderer mitzuarbeiten. In diesem Streben, nicht in den erreichten Zielen, liegt der grösste, vielleicht der einzige Wert unserer Arbeit. Dass solchem Streben Erfolge nicht versagt blieben, dass sich für alle in dieser Richtung liegenden Anregungen willige und schaffensfreudige Helfer, ein dankbares Publikum fand, erfüllt uns mit festem Vertrauen zu den Kräften unseres Volkes, mit der Hoffnung auf eine Entwicklung, die mehr, als es bislang der Fall war, alle schaffenden Kräfte zu positiver Mitarbeit heranzieht.
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Monatsschrift für Ostasien. Eine Liste derjenigen, die sich in irgend einer Weise für die Mitarbeit bezw. Gründung dieser Zeitschrift interessieren, füge ich hier bei. Hoffentlich wird die Gründung Wirklichkeit, und Sie finden Mittel und Wege, in einem Deutschland, dessen nächste Zukunftsaufgaben so sehr viel mehr nach innen als nach außen den Blick lenken, die nötige Unterstützung, Leser- und Mitarbeiterschaft dem Unternehmen zu sichern.3

Persönlich möchte ich Ihnen, sehr geehrter Herr Pfarrer, wie Ihrer Frau Gemahlin in den nächsten Tagen noch ein paar Abschiedsworte schreiben. Einstweilen grüße ich Sie herzlich.
Ihr sehr ergebener
[Unterschrift] Hermann Voigtländer
 

[2. Verzeichnis der Anlagen (soweit bekannt)]4
Abt.Nr.TitelBerichterstatter
I.a; b; c
d
Unterrichtsfächer; Unterrichtsbeteiligung; Zeugnisse
Allgemeine Vorträge und Beteiligung daran
Max Schumann
 fTierhaltung, PflanzenzuchtHermann Voigtländer
 g–pGewerbe im LagerHermann Voigtländer
 rMusik, Gesang, MalereiMax Schumann
? Die Ausstellung von KriegsgefangenenarbeitenHermann Voigtländer
? Das deutsche TurnenPaul Hartung
? Spiel und SportErnst von Raussendorff
? Theater im LagerHermann Voigtländer
III.Tätigkeit der Kriegsgefangenen ausserhalb des LagersLeo Koenig

 

[3. Brief vom 23. Dezember 1919]

Herr Pfarrer Schroeder, Tokio.

Sehr geehrter Herr Pfarrer!

Für unsere gefangenen Kameraden in Sibirien habe ich heute die Freude ihnen folgende Beträge senden zu können:
Kassenbestand des Theater-Vereins des Nagoya-Lagers bei seiner Auflösung:Yen 100.-- 
Gabe des Turnvereins, Restkassenbestand:Yen 5.60
Gabe des Ausschusses für Turn-Wanderpreise, nicht ausgetragener Wanderpreis:Yen 10.-- 
Nachtrag zu der großen Lagerspende, mir von Hauptmann Bringmann übergebenYen 10.-- 
zusammen   Yen 125.60

Ich bitte Sie, diese Spende nach Ihrem Gutdünken zum besten unserer Kameraden in Sibirien zu verwenden.

Mit herzlichen Grüßen
Ihr ergebener

[Anlage:] Geldbrief. Yen 125.60
 

Anmerkungen

1.  Aus dem ersten Absatz des Briefes könnte man schlussfolgern, dass zunächst der Lagerälteste oder jemand sonst angesprochen wurde und die Sache dann, recht spät, zu Voigtländer kam.

2.  Ob der "Aufsatz" geschrieben wurde, ist nicht bekannt.

3.  Die erwähnte Liste liegt nicht vor, weitere Informationen zur "Monatsschrift" sind nicht bekannt.

4.  Die (nur zum Teil vorhandene) Nummerierung lässt vermuten, dass es noch weitere Beiträge geben könnte.

©  Hans-Joachim Schmidt
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