Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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"Tübinger vor 100 Jahren in Fernost: Tübingen – Tsingtau – Ninoshima"


Am Abend des 05.07.2007 fand im Stadtmuseum der Universitätsstadt Tübingen eine Soiree im Rahmen der Ausstellung "Hin und weg. Tübingen in aller Welt" statt. Im Mittelpunkt des Abends standen Männer aus Tübingen, die im Ersten Weltkrieg in japanische Gefangenschaft geraten waren.

Der Leiter des Museums, Dr. Karlheinz Wiegmann, hatte unter anderem eingeladen:

Moderator Dr. Thomas Vogel, Leiter der Kulturredaktion des Studios Tübingen des Südwestrundfunks (SWR) und Honorarprofessor an der Universität Tübingen, begrüßte die zahlreichen Besucher der Veranstaltung und führte sodann Interviews mit den Referenten durch. (Die Veranstaltung wurde für den SWR aufgezeichnet.)

Foto Gabriela Andre-SchmidtAm Tisch: Thomas Vogel, Hans-Joachim Schmidt;
sitzend: Ursula Flache, Udo Rauch, (Zuhörer), Ulrich Theobald; links unten eingeblendet: Wilhelm Matzat

Wilhelm Matzat berichtete über die Entwicklung von Tsingtau (heute: Qingdao), wo er 1930 geboren wurde. Bald nach dem Erwerb des Pachtgebiets Kiautschou (1897) begannen die Deutschen damit, die Stadt am Reißbrett zu planen und zu erbauen; die dabei geschaffene Infrastruktur (Kanalisation usw.) war für die damalige Zeit vorbildlich. In neuerer Zeit entstand daraus eine Mehrmillionenstadt mit einem der größten Häfen Asiens.

Ulrich Theobald bestätigte, dass die deutsche Entwicklungsleistung in China heutzutage durchaus anerkannt würde; die historischen Ereignisse vor 100 Jahren stellten insoweit keine Belastung der gegenseitigen Beziehungen dar.

1914 wurde Kiautschou von den Japanern besetzt, die deutsche Besatzung nach der Kapitulation in die Gefangenschaft gebracht. Die etwas mehr als fünf Jahre, in denen die Soldaten dort bleiben mussten, charakterisierte Hans-Joachim Schmidt "eine etwas andere Gefangenschaft": Jedenfalls in den gut geführten Lagern hatten die Deutschen Gelegenheit, reichhaltige und umfangreiche kulturelle, musikalische und sportliche Aktivitäten zu entfalten, als deren Höhepunkt allgemein die Erstaufführung von Beethovens 9. Sinfonie im Lager Bando angesehen wird. Vergleichbares fand auch im Lager Ninoshima (nahe Hiroshima) statt, wo zwei Tübinger – Hermann Henssler und Hugo Klaiber – untergebracht waren. Das größte Ereignis war dort sicherlich die umfangreiche Ausstellung von Arbeiten der Gefangenen, die im Frühjahr 1919 in der Industrie- und Handelskammer in Hiroshima stattfand – besser bekannt als das Gebäude, über dem am 06.08.1945 die erste Atombombe gezündet wurde und das heute zum Weltkulturerbe gehört.

Ursula Flache kam von Berufs wegen mit dem Thema in Berührung: Sie leitete die Bibliothek des Deutschen Instituts für Japanstudien (DIJ) in Tokyo und organisierte eine virtuelle Ausstellung über das Kriegsgefangenenlager Bando. Nach wie vor bestünde in Japan, so erklärte sie, ein ungewöhnliches großes Interesse an den damaligen Ereignissen. (Siehe auch die Internetseite der japanischen Forscher.)

Das Stadtarchiv Tübingen war schon Ende 2004 von Hans-Joachim Schmidt im Zuge seiner Recherchen angesprochen worden. Richtig spannend wurde es dann, so berichtete Stadtarchivar Udo Rauch, als im Sommer 2005 ein japanisches Film-Team in Tübingen auftauchte: Hugo Klaiber nämlich hatte zu der Gefangenen-Mannschaft gehört, die im Januar 1919 das erste "internationale" Fußballspiel auf japanischem Boden gegen eine einheimische Mannschaft austrug. Im Zusammenhang hiermit gerieten dann auch andere Gefangene aus Tübingen ins Blickfeld, insbesondere Fritz Riekert; dessen Enkelin war ebenso zur Soiree erschienen wie der Enkel von Dr. Bruno Meyermann und der Großneffe von Viktor Walzer.

Museumsleiter Dr. Karlheinz Wiegmann dankte abschließend Mitwirkenden und Gästen. Die Einladung zum weiteren informellen Meinungsaustausch wurde gern wahrgenommen.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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