Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Religiöse Arbeit unter Japan-Deutschen und deutschen Kriegsgefangenen

Aus den Halbjahrsberichten des Missions-Superintendenten D. Emil Schiller zu Kyoto
 

Superintendent D. Emil Schiller befand sich seit 1895 in Japan und blieb dort über 40 Jahre (bis 1936). Nach Kriegsausbruch fiel ihm und seinen Mitgeistlichen die Aufgabe zu, die Kriegsgefangenen "bei der Ausübung ihrer Religion" (Artikel 18 Haager Landkriegsordnung 1907) zu unterstützen. Infolgedessen besuchten sie mehr oder weniger regelmäßig - soweit das von den japanischen Behörden gestattet wurde -, die einzelnen Lager. In seinen Halbjahresberichten ist Schiller hierauf besonders eingegangen. Die Berichte, welche auch die Arbeit unter den Japan-Deutschen mit umfassen, stammen aus den ersten beiden Kriegsjahren, weitere sollen folgen.

Die Abschrift der Dokumente hat unser leider verstorbener Korrespondent Dirk van der Laan besorgt. Der Redakteur hat Schreibfehler (in Original oder Abschrift) korrigiert, Abkürzungen aufgelöst, Zwischenüberschriften eingefügt und Ergänzungen in [...] oder als Fußnote hinzugesetzt.
 

Übersicht

  1. Ende Februar 1915: Die religiöse Arbeit unter den Deutschen in Kobe und Umgegend
  2. Ende Februar 1915: Die Arbeit unter den deutschen Kriegsgefangenen
  3. 15.10.1915: Die religiöse Arbeit unter den deutschen Landsleuten im Westen Japans
  4. 15.10.1915: Die religiöse Arbeit unter den Kriegsgefangenen
  5. 15.10.1916: Die religiöse Arbeit unter den Deutschen in Westjapan
  6. 15.10.1916: Die Arbeit unter den deutschen Kriegsgefangenen
 

1915 (abgeschlossen Ende Februar);
[8.] Die religiöse Arbeit unter den Deutschen in Kobe und Umgegend

Wenn auch unsere deutschen Landsleute in Japan den Schutz von Leben und Eigentum, wie im Frieden, genießen, so leiden sie doch als Kaufleute darunter, dass ihnen der Kriegszustand die Möglichkeit des Handels (Import und Export) in der Hauptsache genommen hat. Da ist kaum einer, der jetzt nicht schwere finanzielle Verluste erlitte.

Auch die kleine Kobe-Kolonie hat ihre waffenpflichtigen Männer, so lange es noch möglich war, zur Verteidigung Tsingtaus entsandt, von denen zwei den Heldentod gestorben sind,1 während die anderen in japanische Gefangenschaft gerieten. Dadurch, wie auch durch viele Abreisen, ist die Kolonie arg zusammengeschmolzen. Aber im Gegensatz dazu ist der Kirchenbesuch gestiegen. Auch hier hat der Ernst der Zeit, die Sorge um Vaterland und Lieben, wie auch wegen des Aufenthalts in Feindesland die Verurteilung zur Untätigkeit trotz des Wunsches nach größerer aktiver Beteiligung zum Wohle des Vaterlandes, die religiösen Gefühle, welche vielfach im Herzen geschlafen hatten, wieder wachgerufen. Einen solchen Kirchenbesuch hätte ich mir niemals träumen lassen. Besonders besucht waren die Gottesdienste zur Weihnachtsfeier, zu Silvester und am Geburtstage des Kaisers. Fehlten beim letzteren naturgemäß die Ausländer, so doch nicht bei den anderen. Bei dem ersten, der liturgisch und musikalisch ausgebaut war, nach dem Thema "Unser vaterländisches Weihnachten in dieser Zeit der Not, der Sorgen und großen Aufgaben", war das Gotteshaus selbst in den Gängen und auf der Galerie gefüllt.

Die Kollekte für die Kriegsgefangenen betrug bei der Weihnachtsfeier 750 Mark, am Kaisergeburtstag ca. 300 Mark. Diese Leistung war um so erstaunlicher, als ja viele kaum noch Einnahmen haben und schon außerdem mit den übrigen Deutschen dem Hilfsverein angehören, der monatlich 8-10.000 Mark für die Kriegsgefangenen, zuerst in Japan und nachher in Sibirien, aufbringt. Kasualien fanden nur in geringer Anzahl statt: 5 Taufen und 2 Beerdigungen.

Die deutsche Volksschule, welche auch finanzielle Aufwendungen der deutschen Kolonie nötig macht, konnte ungefährdet weiter bestehen und wurde mehrmals von mir revidiert. Ein lange sich hinziehender Krieg würde den meisten Landsleuten hier in Japan die Existenzmöglichkeiten rauben. Aber die deutsche Ausdauer und Vaterlandsliebe wie auch das Vertrauen in den Sieg unserer gerechten Sache hat sich auch bei den Deutschen in Japan in schönster Weise offenbart.
 

1915 (abgeschlossen Ende Februar);
[9.] Die Arbeit unter den deutschen Kriegsgefangenen

Das ist eine neue Arbeit, welche uns der Krieg gebracht hat. Die mehr als 4000 deutschen Kriegsgefangenen sind auf 12 Plätze über das ganze Land hin verteilt worden. Ein Lager befindet sich in Tokyo, keins in Kyoto; um zu den anderen zu gelangen, sind immer längere Reisen nötig. Für mich befindet sich das nächste in Osaka. Aber es ist auch so ungünstig jenseits Osaka gelegen, dass allein die Reise hin und zurück 6 bis 7 Stunden in Anspruch nimmt. Andere liegen so weit entfernt, dass allein zur Hinreise zwei Tage nötig sind. Die Erlaubnis der Behörde zur Pastorierung der Gefangenen wurde nur zögernd erteilt und immer wieder hinausgeschoben, so dass ich erst von Januar an etwas für die Leute tun konnte. Dann musste noch ein Eid geleistet werden, dass ich nur über Religion und das, was zur Tröstung gereiche, sprechen würde. Die Erlaubnis zur Einzelunterhaltung nach der Predigt wird meist verweigert. Bisher habe ich verschiedene Male in Osaka gepredigt, außerdem in Himeji, Marugame und Tokushima. Am letzteren Orte erschien ein Auszug aus meiner Predigt folgenden Tages in der Zeitung. Die anderen Plätze im Westen Japans werden auch bald besucht werden.

Ich fand, dass die Kriegsgefangenen überall im Wesentlichen zufrieden waren und keinen besonderen Grund zu Klagen hatten. Die sanitären Einrichtungen waren vor allem gut, so dass Krankheiten kaum vorkommen. Die Unterbringung ist nach den lokalen Verhältnissen verschieden, am besten in den kleineren Orten, wo auch häufig Märsche in die Umgegend veranstaltet werden. Die Behandlung war überall da, wo ich war, eine freundliche, woran auch die Verschärfungen nichts geändert haben, die eintraten, nachdem zurückgekehrte Japaner von ihrer langen Haft in Deutschland berichtet hatten.2 Es scheint tatsächlich, als ob Japan unter allen kriegführenden Ländern die in seinen Händen befindlichen Angehörigen der gegnerischen Nationen, Zivilisten wie Kriegsgefangene, am menschenfreundlichsten behandele. Der deutsche Hilfsverein in Japan hat auch für die Kriegsgefangenen getan, was er konnte. Zu Weihnachten sind allein von der kleinen deutschen Kolonie zu Kobe, die doch jetzt höchstens 150 Glieder zählt, 29 große Kisten an die Gefangenenlager gesandt worden, die unter anderem 1800 Paar Strümpfe enthielten. Hinzu kamen dann noch die Gaben von Tokyo, Yokohama und anderen Orten. Auch in meinem Hause wird gestrickt und werden andere Handarbeiten angefertigt, wobei auch die amerikanischen Damen Kyotos in freundlicher Weise mitgeholfen haben. Außerdem wurden in meinem Hause Notenbücher für die Gefangenenlager geschrieben mit religiösen Weisen und mit Volksliedern. Gearbeitet wurde übrigens nicht nur für die hiesigen Kriegsgefangenen und die nach Japan geflüchteten oder in Japan in Not befindlichen Landsleute, sondern vor allem auch für die in Sibirien in der Gefangenschaft befindlichen deutschen Soldaten und Zivilisten.

In Osaka fand ich beim Gottesdienste ein Klavier und einen Sängerchor vor, in Tokushima ein Streichorchester und einen Sängerchor.3 In Marugame werden von den internierten Missionaren zuweilen Gottesdienste gehalten; dort wird auch jeden Abend gemeinsam ein Choral gesungen, und der die Aufsicht führende Feldwebel bat mich, dies auch den anderen Lagern mitzuteilen. Ein Harmonium war dort auch vorhanden. In Tokushima ist zwar kein Missionar, aber der rangälteste Offizier [Dümmler] hält dort zuweilen einen Gottesdienst; dem englischen Missionar der bischöflichen Kirche, der sich dort für die Weihnachtsfeier anbot, wurde die Antwort zuteil, dass sie als Protestanten keines Priesters bei ihrer religiösen Feier bedürften. Weihnachtsbäume brannten in allen Lagern; sie waren von den amerikanisch-japanischen Jünglingsvereinen gestiftet worden. Auch der Geburtstag unseres Kaisers konnte in den Lagern festlich begangen werden. Mit den amerikanisch-japanischen Jünglingsvereinen, die mich um Rat fragten, habe ich vereinbart, dass sie nach Möglichkeit auch Unterhaltungsabende veranstalten möchten. Die japanische Bevölkerung hat sich bisher den Gefangenen gegenüber immer korrekt und teilnehmend verhalten, wie ja dem japanischen Charakter überhaupt Freundlichkeit und Liebenswürdigkeit in hohem Maße zu eigen ist. Die buddhistischen Jünglingsvereine haben dies zum Ausdruck gebracht, indem sie den Kriegsgefangenen in Tokio ein Trostschreiben übersandten, das folgenden Wortlaut hatte:

"Der japanische Verein der jungen Buddhisten beehrt sich, die ruhmvollen Verteidiger von Tsingtau zu begrüßen.
Von Feindschaft kann zwischen Ihnen und uns keine Rede sein. Zwischen Deutschen und Japanern besteht überhaupt kein Hass. Leider hat der furchtbare europäische Krieg seinen Schatten bis nach Japan geworfen und unsere fünfzigjährige Freundschaft auf eine harte Probe gestellt. Die bloße Erinnerung, dass Freunde das Schwert gegeneinander gezückt haben, erfüllt das Herz junger Buddhisten, die das buddhistische Gebot der gleichen Liebe gegen alle ohne Unterschied als ihr höchstes Ideal zu verwirklichen suchen, mit tiefem Schmerz.
Sie, meine Herren, haben im Dienste des Vaterlandes wie Helden bis aufs Äusserste die Feste Tsingtau verteidigt. Erst dann sind Sie gewichen. Bewunderung und Teilnahme erfüllt unser Herz. Ein jeder von Ihnen hat mit Todesverachtung seine Pflicht getan. In unseren Augen heisst das, durch die Tat das höchste Gebot des Buddhismus erfüllen; die treue Hingabe an die Pflicht ist die einzige Grundlage, auf der einmal der ewige Weltfriede sich verwirklichen lässt. Diese Überzeugung kann Ihnen eine tröstende Genugtuung geben.
Wir bezeugen Ihnen aus dem tiefsten Herzensgrunde unsere bewundernde Hochachtung und verbinden damit den Ausdruck der frohen Hoffnung, dass die alte Freundschaft bald wiederum in ungetrübtem Glanze erstrahlen wird!"

Das ist vielleicht allzu sentimental. Aber das Urteil wird doch richtig sein, dass ohne Zweifel noch die Grundlagen vorhanden sind, auf denen eine neue Verständigung zwischen den beiden Völkern nach Beendigung des Krieges erzielt werden könnte, die dann neue Beziehungen auf dem Gebiete des Handels, der Wissenschaft, des Unterrichts, der Kulturbestrebungen überhaupt, sowie auch insbesondere der Religion herbeiführen könnten. Die Lage des Deutschtums in Japan ist trotz des Krieges nicht hoffnungslos. Doch müsste eine gesunde Diplomatie eine fruchtbare Basis der Verständigung finden. Das wolle Gott geben zum Segen der beiden Völker. Wir als Mission erhoffen, dass auch wir an unserem Teile auf sittlich religiösem Gebiete einen Beitrag zur Wiederherstellung freundschaftlicher Beziehungen zwischen Japan und unserer Heimat leisten können.
 

15.10.1915 [gedruckt 1916];
[7.] Die religiöse Arbeit unter den deutschen Landsleuten im Westen Japans

Der lange sich hinziehende Weltkrieg bewirkt, dass die Zahl der Deutschen in Kobe und Umgegend immer mehr zusammenschmilzt. Eine Anzahl von Männern sind Kriegsgefangene in Japan, andere sind ausgewiesen. Immer mehr Einzelne und Familien verlassen das Land, da die Firmen der Alliierten alle ihre deutschen Angestellten entlassen haben und die deutschen Firmen wohl in der Theorie ihren kaufmännischen Beruf ungehindert betreiben können, in der Praxis aber durch die Kriegslage verhindert sind, Handel zu treiben, zumal auch die japanische Regierung, dem Drängen der Verbündeten nachgebend, den japanischen Schifffahrtsgesellschaften den "Rat" erteilt hat, Frachten von Deutschen nicht mehr anzunehmen, und andere Schiffe als die der Alliierten kaum noch die japanischen Häfen anlaufen. Auch die Frauen der Kriegsgefangenen werden nicht mehr ins Land gelassen, wie überhaupt keinem vom Auslande kommenden Deutschen die Landung in Japan erlaubt wird, und die aus Wladiwostok und Sibirien nach Japan geflüchteten Deutschen haben wohl alle wieder das Land verlassen müssen.

Das muss sich allmählich auch in der Zahl der Besucher der Gottesdienste fühlbar machen, die aber immer noch besser besucht werden als vor dem Beginne des Krieges. Auch für die Deutschen in Japan bedeutet die Religion jetzt mehr als zuvor. Die Gottesdienste finden, wie früher, von Zeit zu Zeit im Gebäude der Union Church zu Kobe statt. Die Orgel wird meist von meiner zweiten Tochter gespielt. An Kasualien sind im Berichtszeitraum überhaupt nur 2 Taufen vorgekommen. Die deutsche Volksschule in Kobe besteht weiter und wird von Zeit zu Zeit von mir inspiziert, aber die Schülerzahl ist ziemlich zurückgegangen. Die Fürsorge für die Kriegsgefangenen, sowie vor allem für die in Sibirien Internierten, wird von den Kobe-Deutschen unermüdlich fortgesetzt. Auch in unserem Hause ist die Sommerferien hindurch jeden Vormittag für die nach Sibirien übergeführten Ostpreußen genäht worden. Ebenso sind Geld und Kleidungsstücke von uns in Kyoto und auf dem Lande gesammelt worden. Auch Bibeln und Testamente hat der deutsche Hilfsverein nach Sibirien gesandt. Zu seiner Hilfsarbeit gehört auch, dass er bisher immer meine Reisekosten zu den verschiedenen Kriegsgefangenenlagern getragen hat, wofür ihm ein besonderer Dank gebührt.
 

15.10.1915 [gedruckt 1916];
[8.] Die religiöse Arbeit unter den Kriegsgefangenen

Durch die Errichtung von mehreren Barackenlagern auf dem Lande und die daraufhin erfolgte Verlegung einer Anzahl von Kriegsgefangenen ist die Zahl der Kriegsgefangenenlager in Japan auf 11 zusammengeschmolzen. Sie liegen aber weit auseinander und sind zum Teil, z. B. die sechs auf den Inseln Shikoku und Kyushu, nur schwer zu erreichen. Doch konnten wir es einrichten, dass im Durchschnitt in jedem Lager einmal im Monat ein evangelischer Gottesdienst von uns gehalten wird. Mehr würde der Behörde auch nicht willkommen sein. An der Abhaltung der Gottesdienste nimmt außer uns drei Missionaren auch der Freimissionar Gundert4, der gerade eine Lehrerstelle am Obergymnasium zu Kumamoto angenommen hat, in dankenswerter Weise teil. Auch einige amerikanische Missionare nehmen sich der Kriegsgefangenen an; doch bildet bei ihnen die Sprache ein großes Hindernis. In einigen Lagern halten die kriegsgefangenen Missionare zuweilen weitere Gottesdienste; so predigen z.B. in Kurume unser Missionar Seufert und der rheinische Missionar Gräf abwechselnd alle 14 Tage. An einem Orte veranstalten auch die Offiziere selber Gottesdienste mit den Mannschaften. Auch die Frauen der Kriegsgefangenen, die an einigen Orten in großer Einsamkeit, fern von allem europäischen Verkehre leben, werden nach Möglichkeit von uns besucht. Sie wohnen in der Nähe ihrer internierten Männer, können dieselben aber alle Wochen nur eine Stunde lang, an einigen Orten auch nur alle 14 Tage eine Stunde lang unter Aufsicht sehen. In ähnlicher Weise wie von uns wird auch von der katholischen Kirche die Seelsorge in den Lagern gehandhabt.

Wenn auch der Instanzenweg zur Erlangung der Erlaubnis für jeden einzelnen Gottesdienst in jedem einzelnen Lager umständlich und zeitraubend und der Wunsch der japanischen Offiziere nach freien Sonntagen manchmal der Festlegung der Gottesdienste hinderlich ist, so kann ich doch im allgemeinen nur über höfliches und freundliches Entgegenkommen der japanischen Leitung reden. An einem Orte versicherte mir der Lagerkommandant sogar, dass er sich jedesmal über meinen Besuch freue, da er nach der Predigt eine Besserung in der Haltung der Leute bemerke. Es ist ja nur zu natürlich, dass die Kriegsgefangenen infolge der langen, eintönigen Internierung ohne Berufstätigkeit allmählich geistig und leiblich schlapp werden. An manchen Orten konnte ich auch die Kranken im Hospitale besuchen, vor allem in Osaka, wo auch noch Verwundete von Tsingtau her sich befinden, die im Garnisonlazarette eine gute ärztliche Behandlung erfahren. Da die hygienischen Verhältnisse im allgemeinen gut sind, so kommen verhältnismäßig wenig Erkrankungen vor. Die japanische Kaiserin hat auch diesmal wieder, wie schon in den früheren Kriegen, künstliche Gliedmaßen gestiftet; es sind aber nur wenige, welche derselben bedürfen. Erwünscht wäre es, wenn die dauernd Kriegsuntauglichen entlassen werden könnten.5 An Unterhaltung untereinander fehlt es in den meisten Lagern nicht. Überall ist ein Sportplatz angelegt, doch werden von einigen Lagern aus niemals oder doch kaum Märsche in die Umgebung veranstaltet. Zeitungen, Briefe und Pakete an die Kriegsgefangenen kommen ungehindert an, so dass man in den Lagern über die Verhältnisse daheim gut unterrichtet ist.

Manche Leute sind sehr fleißig mit ihrer Weiterbildung beschäftigt; namentlich Sprachen und Mathematik werden getrieben. Ein kriegsgefangener Gymnasiast aus Tsingtau [Walter], der leider getrennt von seinem ebenfalls kriegsgefangenen Vater interniert ist, erhält von seinen älteren Kameraden regelmäßigen Unterricht. Andere bereiten sich auf spätere Examina vor. In einem Lager halten die Offiziere mit ihren Leuten regelmäßige Klassen. Da ein großer Teil der Kriegsgefangenen eine höhere Bildung hat, so könnte in dieser Beziehung noch mehr geschehen, wenn nicht das Organisieren solcher Dinge mit der Lagerordnung im Widerspruch stände. Daran scheiterte z.B. die geplante Einrichtung einer Art Handelsschule in einem Lager.6 Auch Sängerchöre und Musikkapellen sind verschiedentlich gebildet worden. Ein ganz vorzügliches Orchester, das Künstler zu seinen Mitgliedern zählt, befindet sich in Tokushima. Es hat kürzlich bei der Einweihung einer neuen katholischen Kirche in dieser Stadt mitgewirkt. Aber auch meine Gottesdienste werden dort gesanglich und musikalisch immer sehr sorgfältig vorbereitet. Alles dies verhindert natürlich nicht, dass die Internierten unter der Eintönigkeit des Lagerlebens leiden, je nach dem Temperament in verschiedenem Maße. Das führt dann zu Fällen von Insubordination, zu zwecklosen Fluchtversuchen und nachfolgender Bestrafung. Am besten sind die Verhältnisse in den kleinen Lagern, namentlich da, wo die eigenen Offiziere nicht von den Mannschaften getrennt sind. In einem solchen Lager fand ich z. B. bei meinem letzten Besuche, dass auch noch nicht eine einzige Bestrafung vorgekommen war. Stellenweise sind die Leute auch allzu eng untergebracht. So hatte ein Universitätsprofessor mit 47 Leuten einen Raum von 42 Matten [Tatami] zur Verfügung, so dass auf jeden zum Wohnen und Schlafen 2,2 Quadratmeter Bodenraum kam. Als er nach einem halben Jahre mit elf anderen einen Raum von 18 Matten erhielt, so dass auf jeden 3 Quadratmeter kamen, war das schon eine gewaltige Verbesserung. Die Verpflegung ist nach anfänglichen andersartigen Versuchen, die wenig befriedigend waren, da die Japaner in der europäischen Küche unerfahren sind, schließlich überall so geregelt worden, dass die Kriegsgefangenen selber sich die Lebensmittel, die ihnen dargereicht werden, zubereiten.

Es ist dafür fast doppelt so viel Geld ausgeworfen wie für die japanischen Soldaten, die ja hauptsächlich von Reis leben. Außerdem erhalten die einzelnen noch kleinere Geldzulagen, die von privater Seite wesentlich erhöht worden sind. Leider haben gerade die im Hospital befindlichen Leute an der wohlschmeckenderen Lagerkost keinen Anteil. Wenn auch das Los eines Kriegsgefangenen kein beneidenswertes ist, so darf man doch mit gutem Gewissen sagen, dass die Angehörigen in der Heimat sich keine Sorgen zu machen brauchen. Die Zahl und der Umfang der Briefsendungen, welche den Leuten zustehen, ist beschränkt und verschieden nach dem militärischen Range der Internierten; doch hat jeder der Kriegsgefangenen die Möglichkeit, sich mit seinen Angehörigen in Verbindung zu setzen. Ich darf wohl mein Urteil dahin zusammenfassen, dass ich bei den japanischen Behörden den guten Willen gefunden habe, die Kriegsgefangenen nicht nur korrekt, sondern auch freundlich zu behandeln. Verschiedenheit des Klimas, der Sitten und der Lebensweise bringen manches mit sich, was als hart erscheinen mag, aber nicht so gemeint ist. Aber auch hier verleugnet sich die Freundlichkeit nicht, die ein Charakterzug des japanischen Volkes ist. Immerhin ist es ein Schmerz, so viele gesunde, rüstige Männer zur Untätigkeit verurteilt zu sehen. Möge ihnen allen bald die Freiheit wiedergegeben werden!
 

15.10.1916
[9.] Die religiöse Arbeit unter den Deutschen in Westjapan

Die Lage der Deutschen in Japan wird durch die Länge des Krieges immer schwieriger, da die meisten Großkaufleute [... (unleserlich) ...] und nun an jeder Arbeit verhindert sind. Formell ist ja bisher kein Verbot ihrer Berufsarbeit ergangen, und die zu Anfang des Krieges gegebene Erklärung der japanischen Regierung, dass kein Deutscher an der Ausübung seines Berufs gehindert werden solle, besteht noch zu recht. Aber das ist nur Theorie. In der Praxis hat der von England aus inszenierte Boykott und die Aussperrung vom Frachtverkehr zur See sowie auch die kürzlich erfolgte Suspendierung der Deutsch-Asiatischen Bank und viele andere indirekte Mittel dieses anfängliche Versprechen wirkungslos gemacht und den Deutschen ihre geschäftliche Betätigung fast ganz genommen. Weitere Maßregeln gegen dieselben stehen bevor. Es nimmt darum die Anzahl der in Japan wohnenden Deutschen, die ohnehin schon klein ist, immer mehr ab. Andere befinden sich auch in japanischer oder englischer Kriegsgefangenschaft. Zu rühmen ist die fleißige Liebestätigkeit, welche den Kriegsgefangenen in Japan und Sibirien internierten Landsleuten aus Ostpreußen und Russland wie auch den in Not befindlichen Landsleuten in Japan zugute kommt. Sie wird in Kobe ausgeübt durch die organisierten Vereine "Deutscher Hilfsverein" und "Deutsche Frauenhilfe". Erwähnt möge hier werden, dass der erstere Verein die nicht unbeträchtlichen Kosten meiner Reise zu den Kriegsgefangenen trägt.

Deutsche Gottesdienste werden weiter von mir von Zeit zu Zeit in der Union Church zu Kobe gehalten. Es nehmen auch jetzt noch Glieder anderer Nationen, selbst Russen, daran teil. Die Versammlungen finden aber stets unter Überwachung eines polizeilichen Dolmetschers statt. Da die religiöse Sprache missdeutig und für nichtchristliche Ausländer schwer verständlich ist (vergleiche auch den folgenden Abschnitt), so ist es wohl daher zu erklären, dass mir einmal polizeilicherseits eine Mahnung zur Vorsicht zuging, die mir allerdings auf indirektem Wege vermittelt wurde, wie man das in Japan so sehr liebt. Die Gottesdienste sind trotz der Verminderung der Zahl der Deutschen und trotzdem die meisten jetzt außerhalb Kobes auf dem Lande wohnen, besser besucht als in Friedenszeiten, was ja durch den Ernst der Zeit, der die Gedanken auf Gott richtet, erklärlich ist. Meine zweite Tochter spielt in Kobe, wie auch in Kyoto, bei den Gottesdiensten das Harmonium. Fünf Kinder sind im Berichtszeitraum getauft worden; sonst fanden keine Kasualien statt.

Erfreulich ist, dass die deutsche Volksschule in Kobe ungestört ihre stille Arbeit weiter tun konnte. Es hat dort zu Ende des Sommers ein Lehrerwechsel stattgefunden, und es ist für die älteren Kinder, die wegen des Krieges nicht in Schulen der Heimat übergehen können, obwohl es nur sehr wenige sind, eine weitere Lehrkraft eingestellt worden, so dass jetzt für 29 Kinder drei Lehrer vorhanden sind, von denen zwei akademisch gebildet sind (einer ist ein Theologe). Das soll natürlich nur ein Provisorum sein. Auf die dringende Bitte des Schulvorstandes übernahm ich selber den Religionsunterricht, mit dem es früher immer etwas gehapert hatte, und reise darum jeden Montag nach Kobe, um vormittags und nachmittags 23 in drei Klassen eingeteilten Kindern drei Religionsstunden zu geben. Die Kleinsten haben besonderen Religionsunterricht bei ihrem Klassenlehrer, so dass die Frage jetzt zur Zufriedenheit der Eltern erledigt ist. Leider nimmt die Zahl der Kinder bei der Länge des Krieges durch Wegzug allmählich ab.
 

15.10.1916
[10.] Die Arbeit unter den deutschen Kriegsgefangenen

Über die Lage der Kriegsgefangenen in Japan gilt dasselbe, was schon früher berichtet worden ist. Die Leute haben das, was zum Leben notwendig ist, aber wenig mehr. Sie werden human behandelt, aber die Behandlung ist je nach den Lagern und den ausübenden Persönlichkeiten verschieden. In manchen Lagern erkennt man deutlich das Wohlwollen der Verwaltung; in anderen tritt das mehr zurück. Aber manchmal fassen die Kriegsgefangenen selber die Absichten der Vorgesetzten nicht richtig auf, da ihre Stimmung durch die lange Gefangenschaft verbitterter ist. Einige bleiben guten Muts und sind zufrieden, andere lassen sich durch die Verhältnisse niederbeugen und leiden an nervöser Depression. Das letztere ist nun aber etwas, wofür die Japaner weniger Verständnis haben. Im allgemeinen ist der Gesundheitszustand aber nach wie vor ein guter, da die Japaner großen Wert auf sanitäre Einrichtungen legen.

Fluchtversuche werden mit großer Strenge bestraft, bis zu 3 1/2 Jahren Gefängnis. Teilnahme von außen her wird den Kriegsgefangenen außer von den deutschen Landsleuten und zu Weihnachten von Seiten der japanischen Jünglingsvereine kaum zuteil. Namentlich versagen in dieser Beziehung die Neutralen, darunter die vielen amerikanischen Missionen. Doch kann man hier zur Erklärung die Unkenntnis der deutschen Sprache hinzunehmen. Um so anerkennungswerter sind einzelne Ausnahmen. Von der amerikanischen Botschaft ist einmal ein Beamter zu den Lagern gereist.7 Die ganze Behandlung der Internierten ist strenger als seinerzeit die der Russen im russisch-japanischen Kriege; doch bemüht man sich, dieselben der in den deutschen Kriegsgefangenenlagern ähnlich zu gestalten, um welche Berichte einer internationalen Kommission vorliegen. Ein Kriegsgefangener berichtet zweimal in der New Yorker Staatszeitung in einer die Absichten der japanischen Behörden anerkennenden Weise. Andere Stimmen würden allerdings die Lagerzensur auch nicht passieren. Da die Gefangenschaft in oft recht primitiven Räumen, in ziemlicher Enge in einem ungewohnten Klima so lange dauert, so wäre es wohl erwünscht, wenn jeder, der es könnte, durch Briefe, Postkarten und auch kleine Geschenke den Leuten Teilnahme zeigte, ohne dass er eine Antwort erwartete, welche wegen der engen Grenzen der Brieferlaubnis nicht immer möglich ist. Ein Internierter klagte mir einmal: "An uns hier denkt niemand. Wir sind ganz vergessen!" Er befand sich allerdings mit anderen in einem Garnisonslazarett, das vom eigentlichen Lager weit entfernt ist.

Wir haben unsere monatlichen evangelischen Gottesdienste in den jetzt elf, über das Hauptland und die Inseln Shikoku und Kyushu weit verstreuten Lager nach Möglichkeit fortgesetzt. Pfarrer Schröder8 bat um seiner Gesundheit willen, während der heissesten Zeit von den Lagerreisen entbunden zu werden. Pfarrer Hunziker9 übernahm darum den Monat Juli. Im August reiste Professor Gundert vom Obergymnasium in Kumamoto, ein württembergischer Theologe, musste aber die Reise in der Mitte abbrechen, weil er bei der furchtbaren Hitze von der üblichen Sommerkrankheit befallen war. Er hilft uns auch zu anderen Jahreszeiten, so weit es sein Beruf ihm möglich macht. Ich selbst besuchte dann im August die östlichen Lager. Im September und Oktober waren fast alle Lager wegen der in Japan herrschenden Cholera-Epidemie gegen die Außenwelt, auch für uns Prediger, gesperrt, so dass z.B. auch die wenigen in der Nähe ihrer internierten Männer wohnenden deutschen Frauen ihre wöchentlichen oder 14-tägigen Besuche nicht ausführen konnten.

Da jetzt im Herbste die Cholera-Epidemie nachlässt, so hoffen wir bald wieder mit den Besuchen beginnen zu können. Bei solch einer Predigtreise ist man nicht nur unter ständiger Überwachung durch Polizei und noch mehr durch Geheimpolizisten, wie auch sonst stets, sondern es sind auch in den Lagern viele Beschränkungen gezogen. Es ist schon allein schwer, den Reiseplan aufzustellen, da eine Reihe von Lagern den Gottesdienst am Sonntag nicht zulässt, weil die überwachenden Beamten Ruhe haben wollen - dieses Stück des Christentums leuchtet ja den Japanern am allerschnellsten ein -, weil wieder andere nur bestimmte Tage der Woche gestatten. Für die Predigt selbst sind Grenzen gezogen, weshalb an den meisten Orten der Predigtentwurf vorher der Zensur übersandt werden muss. Worte wie "Kaiser, Vaterland" sind zu vermeiden. Einer unserer biblischen Predigttexte "...dass dir niemand deine Krone nehme" musste geändert werden in "...dass dir niemand deinen Schatz nehme", weil der Ausdruck "die Krone nehmen" sich für Japan nicht eigne. Eine Predigt über die herrliche Freiheit der Kinder Gottes erregte starke Bedenken, und man schlug mir statt des ominösen Wortes "Freiheit" vor, die buddhistische Redewendung "anshin ritsumei", d.h. "Seelenruhe und Hinnahme des vom Himmel bestimmten Schicksals" zu gebrauchen. Ja, selbst das Thema "Kampf wider die Sünde" erschien bedenklich. Man merkt da den buddhistischen Einfluss, unter dem die Japaner stehen, der sie vor dem Männlichen und Tatkräftigen im Christentume erschrecken lässt. Auch ist die christliche Ausdrucksweise dem nichtchristlichen Japaner zunächst nicht ganz verständlich, so dass der an den kriegerischen Redewendungen bildlicher Art Anstoß nimmt und auch politische Andeutungen darin vermutet. So hat mich ein im übrigen sehr liebenswürdiger überwachender japanischer Hauptmann tatsächlich gefragt, welches Reich ich eigentlich meine, wenn ich bete: "Dein Reich komme!" Gar vieles, was man den Hörern in dieser Zeit am liebsten sagen möchte, ist darum leider von der Verwendung in der Predigt ausgeschlossen. Doch muss ich anerkennen, dass ich, ein einziges Lager ausgenommen,10 bisher überall höflich und freundlich und, soweit die Bestimmungen es gestatten, auch entgegenkommend behandelt worden bin.

Einmal konnte ich auch eine Beerdigungsfeier eines Kriegsgefangenen halten. Es war ein Landwehrmann [Klein], der im Lager Oita fern von seiner Heimat weilenden Familie gestorben war. Das Lagerkommando hatte alles getan, um die Feier so würdig als möglich zu gestalten. Das ganze Lager nahm an dem Gottesdienst in der Methodistenkirche der Stadt, die uns von der Gemeinde freundlichst zur Verfgung gestellt und die mit Blumen reich geschmückt war, wie auch an dem Leichenzuge teil, ebenso wie der Lagerkommandant und die Lagerbeamten, der Oberbürgermeister der Stadt, Vertreter des dort garnisonierenden Regimentes und der methodistische Geistliche.

Im allgemeinen ist das Lagerleben nicht geeignet, religiöse Bedürfnisse der Insassen zu nähren oder gar zu wecken. Es fehlt den Leuten an Stille dazu, da sie ja niemals alleine sind und allzu eng beieinander hausen. Auch ist ein großer Teil der angesessenen Ostasiaten, namentlich der Chinaleute, religiös indifferent oder gar anti-religiös und äussern sich in diesem Sinne. Das erfahren die in den Lagern internierten Missionare, die gern mehr in religiöser Beziehung für ihre Kameraden tun möchten. Doch können sie wenigstens gelegentlich, wenn auch nicht regelmäßig, Gottesdienste halten. In einem Lager pflegte jeden Abend unter Leitung des Feldwebels um 9 Uhr ein Choral gesungen zu werden. Doch fiel das später weg, weil ein paar anwesende Katholiken dagegen protestierten. Der japanische Kommandant selber drückte mir sein Bedauern darber aus, da er, obwohl selber kein Christ, doch einsehe, dass für Leute in solcher Lage die Religion eine Quelle des Trostes und ein Mittel zur Erhaltung der geistigen und moralischen Frische sein müsse. Aus einem Lager kam einmal die Bitte an mich, dafür zu wirken, dass einer der an anderen Orten internierten Missionare zum Zwecke der religiösen Versorgung dorthin verlegt würde; leider wurde mein Gesuch vom japanischen Kriegsministerium zunächst abschlägig beschieden. Tatsächlich ist aber nachher doch ein Missionar dorthin geschickt worden.11

Die eingetroffenen Büchersendungen sind meist zur Aufstellung von Lagerbibliotheken verwandt worden. So hat z.B. Hauptmann Grabow im Lager zu Kurume eine solche Leihbibliothek eingerichtet. Die Lager sind verschieden reich bedacht worden, das in Narashino, früher Tokyo, befindliche offenbar am meisten, denn von dort schrieb man mir, dass der Bücherbedarf gedeckt sei. Das steht aber einzig da. Im Lager zu Matsuyama, wo unser Missionar Dr. Bohner weilt, und wo viele Leute mit tieferer Bildung zusammen sind, wünscht man tiefere Lektüre, z.B. Philosophie, Psychologie, Sprachforschung, Mathematik zu treiben. Leider lassen sich nicht die Bücher von Lager zu Lager austauschen, um die mannigfaltigsten Bedürfnisse der Leute zu befriedigen. Vom internationalen Jünglingsbund zu Genf erhielten wir für die Kriegsgefangenen eine Anzahl Pakete mit Evangelienharmonien (Jesus von Nazareth von Alexander Westphal, Dr. theol. zu Toulouse, deutsche Ausgabe, herausgegeben wom Weltkomitee der christlichen Jünglingsvereine zu Genf für die Kriegsgefangenen und Internierten deutscher Zunge). Ein Marineoffizier schrieb mir nach dem Empfange, dass er sofort das ganze Buch durchgelesen habe.

Die Internierten beschäftigen sich auch nach Möglichkeit mit ihrer Weiterbildung. In manchen Lagern sind dazu Unterrichtsklassen für Sprachen, Werkmeisterunterricht und dergleichen eingerichtet. Am besten steht alles in dieser Beziehung da, wo die deutschen Offiziere mit ihren Leuten im selben Lager untergebracht sind und man ihnen erlaubt, die Leute zu solchen Zwecken zu organisieren. Bemerkenswert ist, das der japanische Lagerkommandant zu Nagoya einen Vortrag hat drucken und an alle japanischen Offiziere versenden lassen, in welchem er auf allerlei vorbildliche Züge im täglichen Leben der deutschen Kriegsgefangenen hinwies, z.B. auf ihre Sparsamkeit in der Benutzung von Staatseigentum wie Licht, Papier, Streichhölzern usw. Die in Osaka erscheinende Tageszeitung Asahi Shimbun fragte darauf, warum man den Vortrag nicht der Öffentlichkeit zur allgemeinen Nachachtung übergeben wolle.

Schon aus dem Vorhergehenden ergibt sich, dass uns durch die Tätigkeit unter den Kriegsgefangenen mancherlei Mehrarbeit zugewachsen ist. Dazu gehört für mich auch eine reiche Korrespondenz mit den Gefangenen in Bezug auf dieselben, namentlich auch mit deren Angehörigen. Selbst in Bezug auf die in Sibirien Internierten habe ich mancherlei Korrespondenz zu führen. Diese wird natürlich mit Freuden getan. Wir bedauern nur, dass wir hier draußen, abgeschnitten vom Vaterlande, nicht in der Lage sind, mehr für unser Volk zu leisten. Doch ist unsere stille Berufsleistung und unsere humanitäre Betätigung auch eine Arbeit, die schließlich unserem Volke zugute kommen wird.
 

Anmerkungen

1.   Bisher nicht identifiziert.

2.   Siehe Wippich.

3.   Keine näheren Angaben, für Tokushima dürfte jedoch das Orchester von Hansen gemeint sein.

4.   Wilhelm Gundert (1880-1971) wirkte seit 1906 als Missionar und lehrte bis 1936 in Japan.

5.   Hierüber fanden Verhandlungen statt, die bis zuletzt zu keinem Erfolg führten.

6.   Der Autor bezieht sich auf Marugame.

7.   Siehe die verschiedenen Berichte von Sumner Welles.

8.   Emil Schröder war 1909-1920 Pfarrer in Tokyo-Yokohama.

9.   Der Schweizer Pfarrer Jakob Hunziker wurde 1914, gemeinsam mit Hermann Bohner, vom Allgemeinen Evangelisch-Protestantischen Missionsverein als Missionar nach Japan entsandt; 1919-1923 war er mit Schiller Pfarrer in Tokyo-Yokohama.

10.   Vermutlich ist Kurume gemeint.

11.   Bisher nicht identifiziert.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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