Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


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Gefangenschaft in Japan

von Ludwig Wieting
 

Der dritte Teil der »Lebenserinnerungen« des Bremer Kaufmanns Ludwig Wieting behandelt seine Gefangenschaft in Japan: zunächst in Marugame, dann in Bando. Er beschränkt sich dabei auf relativ wenige Aspekte des Lagerlebens und behält seinen lapidaren, unaufgeregten Schreibstil bei.

Die hier benutzte, von Frau Ingemarie von Hallen erstellte maschinenschriftliche Version des Berichts wurde dem Redakteur von der Familie zur Verfügung gestellt. Die Wiedergabe erfolgt unverändert, jedoch wurde die Rechtschreibung maßvoll modernisiert. Zugunsten der Übersichtlichkeit wurden Zwischenüberschriften eingefügt und Absätze zusammengefasst. Anmerkungen/Zusätze des Redakteurs stehen in [ ] oder in Fußnoten.

Übersicht:

  1. Gefangenschaft in Marugame
  2. Gefangenschaft in Bando

 

[1. Gefangenschaft in Marugame]

Unser erstes Gefangenenlager in Japan war in einem Shintotempel auf der Insel Shikoku in dem kleinen Städtchen Marugame eingerichtet. Es wurde belegt mit 300 Seesoldaten und Marineartilleristen.
Shikoku liegt in Südwestjapan, und zwischen dieser kleinen Insel und der Hauptinsel mit den Städten Shimonoseki, Kure, Kobe und Osaka liegt die japanische Inlandsee – bei Marugame heißt sie Bingosee –, die dann östlich von Shikoku durch die Kiistraße (früher nannte man sie Linshotenstraße) in den Stillen Ozean ausläuft. Marugame liegt im [Nord-] Osten von Shikoku und war damals eine kleine, verschlafene Landstadt, und der nächstgrößere Ort war die Stadt Tokushima.

Jahrelang blieben wir hier eingepfercht im Tempel mit seinen Nebengebäuden und Höfen. Die einzige Gelegenheit, hier einmal für kurze Zeit herauszukommen, um dem Auge etwas Abwechslung zu bieten, war der Besuch des Zahnarztes, der seine Praxis in Tokushima hatte. So kann man es wohl verstehen, dass viele von uns häufig unter Zahnschmerzen litten.
Anfangs bekamen wir von den Japanern jeder nur zwei dünne Decken und ein mit Reisstroh gefülltes kleines Kopfkissen. Das war unsere ganze Ausstattung, wenn wir uns abends im großen Tempelsaal auf dem Holzfußboden schlafen legten. Wir waren ja jung und müde, wenn uns die Schlafenszeit vom japanischen Trompeter geblasen wurde.
Dieses Signal liegt mir heute noch in den Ohren: »Seid ihr noch nicht im Bett?« – »Ja, wir sind schon lange im Bett!«, so haben wir es ins Deutsche übersetzt. Wir lernten, gut zu schlafen, trotz des harten Idealfußbodens, lagen auf einer Decke und deckten uns mit der zweiten zu. Wir lagen da – Kopf an Kopf und Fuß an Fuß, damit wir die Schweißfüße nicht vor der Nase hatten – wie Ölsardinen und lernten, geschickt zu balancieren, wenn wir nachts mal raus mussten, um Bächlein zu machen. Man durfte doch seinen lieben Nachbarn nicht mit den Füßen anstoßen, sonst hätte es am nächsten Morgen vielleicht eine Schlägerei gegeben.

Im Winter war das Schlafen kein Kunststück, aber im Sommer gab es Probleme. Die lieben Mosquitos! Später bekamen wir zum Schutz gegen diese Mücken für je 10 Mann ein grünes Mosquitonetz, an dem dann diese lästigen Tierchen fröhlich summend rauf- und runterflogen, bis sie ein Loch gefunden hatten und uns innerhalb des Netzes unser Blut abzapften. Wer nachts raus musste, war verantwortlich dafür, dass sich beim Rein- und Rauskriechen keine Plagegeister einschlichen.
Abgesehen von seinem Hauptzweck hatte ein solches Netz aber auch die Eigenschaft, den Zehnmännermief gut und dauerhaft festzuhalten, was bei plötzlichen Temperaturstürzen – wir lagen ja am Meer und konnten die Brandung hören – sehr angenehm war. Die Luft war dort sehr feucht, und deshalb fror uns schon bei einer Wintertemperatur von 2 bis 3 Grad Celsius über Null.

Unsere Verpflegung war äußerst knapp bemessen und für Europäer nicht recht genießbar, weil sie unserem Geschmack nicht entsprach und weil die Portionen zu klein waren. Die Lagerküche musste sich damit wohl erst einarbeiten und legte zuerst die Tagesration des japanischen Soldaten zugrunde: mittags etwas Reis und Fisch mit Soyasauce oder eine Kleinstdose Konservenfleisch (vielleicht Pferdefleisch – wir tauften es jedenfalls »Blechpony«), wieder mit Soyasauce, und ein oder zwei Kartoffeln – und zu anderen Mahlzeiten Weißbrot mit Tee. Das war so etwa der Speiseplan.
Aber die japanische Lagerleitung kam schnell dahinter, dass es so nicht bleiben konnte. Sehr bald wurde in Zusammenarbeit mit unseren Verpflegungsleuten ein deutscher Speiseplan aufgestellt, der zwar etwas knapp war, aber ausreichen musste. Der Etat für unser Lager musste eben eingehalten werden.

Arbeit mutete man uns nicht zu, und man wusste wohl auch nicht recht, womit man uns beschäftigen sollte. Im Anfang war notgedrungen eben alles nur ein Provisorium. Geschäftstüchtig, wie die Japaner nun einmal sind, richteten sie im Lager schnell einige Garküchen ein, in denen man für wenig Geld fertige Eier- und kleine Fleischgerichte kaufen konnte. In diesen Küchen arbeiteten dann ein oder zwei Deutsche als Angestellte, und die brachten ihren Lohn wieder im Lager in Umlauf.
Soldatenlöhnung bekamen wir nicht direkt, die wurde an die Küche als Zuschuss zur Verpflegung gezahlt. Doch hatten viele noch privat Geld mitgebracht, und dazu kamen Geldspenden von deutschen Firmen in China und Japan und indirekt von unserer Regierung in der Heimat.

Plötzlich entstand durch Angebot und Nachfrage im Lager ein Minimarkt, der unseren bescheidenen Bedarf deckte, der über Essen und Trinken hinausging. Ich erwähne hier nur die Schuster, Schneider, Tischler, Andenkenbastler, Schnapsbrenner, Photographen, Drogisten und Musiker, und jeder, der es sich leisten konnte, hatte einen Kameraden als Putzer, der das Essen holte und die sonstigen Obliegenheiten eines Boys, den wir ja drüben in China alle gehabt hatten, recht und schlecht nachahmte. Einer, der mehr Geld hatte, half eben mindestens einem anderen durch, der weniger Geld hatte, so dass kein Hass und Neid aufkommen konnte.1
Wie Unkraut nach dem Regen entstanden nun auch auf einmal Unterrichtskurse zur Fortbildung, denn wir hatten hochintelligente Leute im Lager, die ihr pädagogisches Talent für sich und die anderen einsetzten. Es gab da chinesische und japanische Kurse, Geschichtsvorlesungen, Vorträge über die politische Lage, über die Geologie unserer Umgebung, religiöse Betrachtungen, Konzerte, Musik- und Malunterricht.2

Musikkapellen wuchsen heraus bis hinauf zur Neunten Symphonie3 und Theatervorstellungen – aber auch Dauerskatspieler und langsam Irrewerdende, die sich zu viel mit den einheimischen Religionen befasst hatten, warme Brüder und – in Verbindung damit – eine »Schwarze Hand«, die auf Erpressung spezialisiert war. Es gab Säufer und Abstinenzler und auch eine Selbstjustiz, die bei zu krassen Auswüchsen mit blutigen Schlägen den Schuldigen zur Ordnung riefen.
Gerade hierin waren die Japaner sehr ordentlich. Sie waren, obgleich stillschweigend, ganz dafür, dass wir das selbst in die Hand nahmen, und wenn ein Deutscher, der z.B. Liebesgabenpakete gestohlen hatte, völlig krankenhausreif verdroschen wurde, dann übernahmen sie ihn ohne eine umständliche Untersuchung und brachten ihn ins Militärlazarett, pflegten ihn, soweit noch möglich,4 gesund und versetzten ihn auf Wunsch in ein anderes Lager.

Es war wirklich interessant zu beobachten, wie schnell unser kleines Gemeinschaftsleben eine andere Form bekam, die jeder akzeptierte und nach der er lebte. Radio und Fernsehen gab es ja damals noch nicht, das konnte uns nicht beeinflussen, aber in kürzester Zeit hatte sich eine feste Form gebildet.
Die Moral in unserem Lager war nicht schlecht, z.B. war jedes Glücksspiel verpönt, und unsere schwarzen Schafe haben nie die Oberhand gewinnen können. Ich z.B. hatte die besten Beziehungen zur »Schwarzen Hand«, unserem Verbrecherklub, und ich genoss deren vollstes Vertrauen, obgleich ich nicht zu ihrem Verein gehörte. Dadurch konnte ich manches Unheil verhindern. Ihr Boss schätzte mich sehr, und ich hatte ihre »prominentesten« Mitglieder in einer Fußballmannschaft, die unter meiner zarten Führung »durchschlagende« Erfolge erzielen konnte.
Ich habe ihren Boss, Sepp Kolb, der in München Pflasterer gewesen sein soll, immer sehr gern gehabt und kann ihn nicht vergessen. Unter uns – als »Stehkragensoldaten« bezeichneten – »Gebildeten«, zu denen ich ja auch gehörte, gab es auch genug Ungenießbare und schräge Tugenden, aber die ehrlichen Rauhbeine waren mir doch sympathischer.

Unser Verhältnis zu den japanischen Aufsichtsorganen war anfangs sehr zurückhaltend, und auch die Bevölkerung, soweit wir mit derselben Fühlung bekamen, zeigte sich abweisend. Das war verständlich, weil auch Truppenteile aus unserer Lagergegend am Feldzug gegen uns teilgenommen hatten und Verluste zu beklagen hatten. Aber im Laufe der Jahre schliff sich das ab, und wir lernten es, uns besser aufeinander einzustellen.

Derjenige, der diese Zeilen einmal liest, wird sich vielleicht fragen, warum kaum einer versucht hat zu fliehen. Mit dem Fluchtgedanken habe ich mich auch beschäftigt, schon beim Abtransport aus China. Doch damals fehlten mir die dazu erforderlichen Geldmittel, um mir und einem Landeskundigen das Ausweichen auf neutrales chinesisches Gebiet zu ermöglichen.
Auf der Schiffsreise nach Japan wollten wir unsere schwache japanische Mannschaft überrumpeln, den Kahn rumdrehen und in China wieder aussteigen. Genug nautisch und seemännisch ausgebildete Leute hatten wir auch dafür, aber wir bekamen Schwierigkeiten mit unseren eigenen Offizieren, die nicht mitmachen wollten, weil sie den Japanern ihr Ehrenwort gegeben hatten, nicht zu fliehen.5 Dieser Plan konnte deshalb leider nicht ausgeführt werden.
Im Lager Marugame bestand die Schwierigkeit bei einer Flucht darin, dass nur ganz wenige von uns die Landessprache beherrschten und wir körperlich viel zu groß waren, um unerkannt die Inlandsee zu überqueren und um später auf der Hauptinsel untertauchen zu können, geschweige denn, um in irgendeinem größeren Hafen eine neutrale Schiffsgelegenheit zur Fortsetzung des Weges nach China oder Amerika oder Holländisch-Indien zu finden. Meines Wissens ist niemandem, der in Japan eingesperrt war, die Flucht geglückt.6 Was darüber im Lager gefaselt wurde, waren immer nur Lokusparolen oder Wunschträume.

Die Kameradschaft während meiner langen Gefangenschaft war prima, und jetzt noch – nach über 50 Jahren – hält der am Leben gebliebene Rest unseres Haufens eng zusammen. Die Treffen finden immer in Hamburg statt, weil die dortigen Kameraden weit in der Überzahl sind. Natürlich war das nicht von Beginn an so nett, schon weil wir aus allen möglichen sozialen Klassen mit unterschiedlicher Bildung und alten und jungen Jahrgängen zusammengewürfelt waren. Aber sehr bald schied sich die Spreu vom Weizen, und die, die übrig blieben, schlossen sich eng zusammen.
Die »schiefen Tugenden« wurden beiseite geschoben, weil sie als solche bald erkannt wurden und sich auf die Dauer doch nicht verstellen konnten. Kurz und gut, alles lief so ab wie in der normalen Gesellschaft, nur dass die Ablehnung in einem Kriegsgefangenenlager viel krasser ist und das Opfer für die Dauer des Zusammenlebens fast zu einem Aussätzigen degradiert wird.
Manche von uns führten einen Spitznamen, unter dem man sie eigentlich nur kannte, der sich irgendwie eingeschlichen hatte und den noch Lebenden heute noch anhängt. Ich zum Beispiel wurde schon in Tsingtau »Alfons« genannt, und dass ich in Wirklichkeit ganz anders heiße, wissen nur diejenigen, die einmal die Anschriftenlisten studiert haben. Da gab es weiter noch einen »Kasimir« (Karl Hitzemann), »Schatzi« (Walter Dunkel), »Emil von der Feuerwehr« (Wilhelm Korch), und auch ein »Baby« hörte brav auf seinen Spitznamen.
 

[2. Gefangenschaft in Bando]

Etwa zwei Jahre lebten wir in Marugame. Dann wurden wir in ein neu für uns errichtetes Lager verlegt, das Bando hieß und auch auf der Insel Shikoku lag, und zwar weiter östlich an der Kiistraße (früher Linshotenstraße), das ist der südlichere Teil der Inlandsee, die in den Stillen Ozean mündet.

Der Krieg und damit die Dauer unserer Gefangenschaft wollten und wollten kein Ende nehmen, und hier in Bando, in der Nähe eines größeren Ortes, Tokushima, sickerten auch bald Nachrichten durch, die unsere Hoffnungen auf ein Kriegsende stark dämpften. In den ersten Kriegsmonaten bildeten wir uns tatsächlich ein, dass eine amerikanische Flotte uns zu Hilfe kommen würde, aber das war nur eines der vielen Gerüchte, die still begraben wurden. Dass wir aber diesen Krieg verlieren würden, das hat sicher keiner von uns erwartet.

Nun blieb uns nur übrig, unser Lagerleben so einzurichten, das uns nicht viel Zeit zum Grübeln blieb und wir geistig und körperlich frisch einer vielleicht ganz veränderten Welt Trotz bieten konnten. Ich z.B. tat mich mit mehreren Kameraden zu einem chinesischen Studienkurs zusammen, und da wir den richtigen Lehrer hatten und uns bald auch die erforderlichen Lehrbücher besorgen konnten, machten wir gute Fortschritte.
Ich erwähnte ja schon, dass die chinesische Sprache sehr schwierig ist und dass es nicht genügt, allein die Umgangssprache zu lernen, sondern dass hierzu auch ein ständiges Üben im Lesen und Schreiben gehört. Im Laufe der Zeit lohnte sich unser Ehrgeiz, und wir konnten auch schon mühsam kleine Shanghai-Zeitungen lesen.
In den letzten Jahren unserer Gefangenschaft lernte ich gemeinsam mit einem Kameraden aus Apenrade, einem gewissen Jebsen, die dänische Sprache. Jebsen rechnete damit, dass seine Vaterstadt nach einem verlorenen Krieg an Dänemark fallen würde, und da wollte er seine dänischen Sprachkenntnisse wieder auffrischen. Allein hatte er keine Lust dazu, und so wurde ich sein Schrittmacher. Die Kenntnis dieser Sprache hat es mir später möglich gemacht, in Bremen bei der [Firma] Kaffee Hag neben anderen Arbeiten auch dänische Übersetzungen von Werbeschriften zu machen, die nicht schlecht gewesen sein können, weil sie Verwendung fanden.
Meine chinesischen Studien haben mir keinen Nutzen gebracht: Ich hatte später nie mehr Gelegenheit, sie anzuwenden; mein Schicksal wirbelte mich in ganz andere Länder. Jetzt habe ich Chinesisch und das bisschen Japanisch, das ich aufgeschnappt hatte, fast vollständig vergessen, und nur noch gelegentlich, wenn ich Ärger habe oder auch philosophiere, fällt mir noch ein chinesisches Schimpfwort oder auch ein schönes Sprichwort ein und wagt sich aus dem Unterbewusstsein über meine Lippen.

Abgesehen von geistigen Zerstreuungen war ich aber auch immer ein Freund guter Kameradschaft, und so ergab es sich von selbst, dass ich manches Glas kühlen Bieres und manchen Schnaps getrunken habe. Das Bier stammte aus japanischen Brauereien, die hauptsächlich die Markenbiere Asahi, Sakura und das weniger geschätzte Kabuto-Bier lieferten. Der Schnaps wurde von unseren Apothekern schwarz im Lager gebrannt, wie man uns erzählte: aus Marmelade. Da gab es z.B. die Phantasienamen »Alter Kolonist« und »Stacheldraht«.
Den Japanern war unser Bierverbrauch nicht unangenehm. Sie verdienten wohl gut an diesen Lieferungen, die sie nur bremsten, wenn bei guten oder schlechten Kriegsnachrichten zu viel getrunken wurde und alles durcheinander rollte bei höllischem Krach und fröhlicher Keilerei. Kein japanischer Posten wagte sich dann ins Lager, und das Lager wurde mit ein oder mehreren Wochen Bierverbot bestraft. Das war hart für uns, aber auch für die japanischen Lieferanten und sicher auch für weitere Nutznießer im Bereich der Lagerleitung; denn diese bekamen dann ja auch keinen Squeeze von den Bierverlegern – weshalb solche Trockenzeiten nie lange dauerten.7

Für kleinere Vergehen hatten die Japaner seltsame Strafen, z.B. ein oder zwei Stunden vor der Wache in der Mittagssonne still stehen, von uns Sonnenbad genannt, und das Einsperren in einen Holzkäfig in der Wache, in dem kaum Platz zum Hinlegen war, so dass man keinen Schlaf finden konnte. Körperlich sind wir nie bestraft worden.
Einer von uns hatte eines Tages Krach mit einem japanischen Posten und räumte dabei das ganze Wachlokal mit Mann und Maus aus. Er wurde nicht schwer bestraft, weil die Soldaten sich das hatten gefallen lassen und, was der Hauptgrund war, bei dieser Gelegenheit weder eine Uniformmütze trugen noch wegen des heißen Wetters einen Uniformrock. So waren sie also nur halbe Soldaten, und ihres Kaisers Abzeichen an Uniform und Abdeckung war nicht entehrt.

Die Japaner zeigten bei solchen Gelegenheiten überhaupt viel Sinn für philosophischen Humor. Auch gute sportliche Leistungen bei nächtlichen Ausflügen aus dem Lager, die hin und wieder unternommen wurden, um die Sehnsucht nach einem drallen Freudenmädchen zu stillen, wurden anerkannt, wenn sie den Japanern imponierten. Vor dem versammelten Lager einschließlich der Wachsoldaten mussten die Betroffenen ihre Tour am hellichten Tag über beide Drahthindernisse hinweg hin und zurück wiederholen und öffentlich zur Schau stellen.
Wenn das gut klappte, blieben sie straflos, wenn sie aber nicht durchkamen, wurden sie zur Strafe in den Bunker (Käfig) gesperrt. Die Japaner waren sehr lernbegierig und begeistert, wenn sie einmal von uns überlistet wurden. Sie hatten eben Humor. Wer da nicht mitmachen konnte, der hatte bei ihnen ausgepfiffen.

Als nach einigen Jahren Gefangenschaft einmal wieder im Herbst neue Rekruten bei uns ihren Dienst antraten und wir uns mit unseren japanischen Aufsichtsoffizieren eingelebt hatten, überraschten diese uns mit dem freundlichen Hinweis, dass mit der neuen Lagerwache Vorsicht geboten wäre.
Wir sollten uns in der vorgeschriebenen Entfernung vom Stacheldraht halten und sie nicht irritieren. Es würden laut altem Befehl scharfe Patronen ausgegeben werden, und es bestünde Gefahr, dass die jungen Rekruten die ihnen eingepaukten Instruktionen wörtlich nehmen könnten. Die Herren Kriegsgefangenen würden gebeten, sich dementsprechend zu verhalten – was wir dann natürlich auch taten, bis die jungen Soldaten sich davon überzeugt hatten, dass wir keine Unmenschen waren. Es dauerte auch nicht lange, da wurden wieder nur noch Platzpatronen ausgegeben, und unser gutes Verhältnis mit den Japanern lief wieder im alten Gleis.
Die Seele dieses vernünftigen Verhältnisses war unser Hauptmann Takai [Takagi], ein waschechter Ostasiate mit all seinen guten und uns manchmal unverständlichen Charaktereigenschaften. Er hat durch unsere Leute ein einwandfreies Plattdeutsch gelernt, und wenn er etwas ankündigen oder rügen musste, wurde dieser kleine Mann auf eine Bierkiste gestellt, damit er uns wenigstens etwas überragte, und er begann seine Rede oft mit der Einleitung: »Leute! Mal wieder eine große Schweinerei passiert.«

Der Drang, sich zu beschäftigen, lebte in fast allen von uns, und nur die, die das nicht schafften, drehten durch oder hängten sich nachts, mit mehr oder weniger Erfolg, auf.8
Es ist erstaunlich, auf welche Ideen manche kamen. Die Kameraden, die einen Handwerksberuf hatten, bauten sich in abgelegenen Lagerbezirken Buden, in denen sie über Tag arbeiteten, Einzelgänger bauten sich auch einen Unterschlupf, um zu meditieren, zu studieren oder ein Instrument zu spielen oder auch zu üben, und dann kamen kleine Imbißstände dazu, eine Konditorei (morgens frische Brötchen), Kneipen, eine selbstgebaute Kegelbahn und sogar das erste elektrische Licht- und Luftbad in Japan.
Besonders intensiv studierte mein Jugend- und Schulfreund Barth japanische Sprache und Geschichte. Er blieb nach seiner Entlassung in Japan, gründete dort eine Importfirma und brachte diese nach vielen Wechselfällen seines Lebens zum Erfolg. Er trägt jetzt noch dazu bei, die guten deutsch-japanischen Beziehungen zu erhalten und zu fördern.
Die Verwaltung eines jeden Budenbezirks wurde von uns einem »Bürgermeister« übertragen, und diese Bürgermeisterwahlen, die natürlich nie ernst genommen wurden, waren eigentlich eine Parodie alter Erinnerungen aus der Zeit, als wir noch in Freiheit lebten. Plakate wurden unter Musikbegleitung herumgetragen, Reden geschwungen, und einmal gab sogar einer Freibier aus, um gewählt zu werden. Gewählt wurde natürlich der, der am meisten ausgeben konnte, aber zu sagen hatte er später nichts. Es ging uns nur um den Klamauk.

Unsere Missionare im Lager, wir hatten davon einige evangelische und katholische, waren mit wenigen Ausnahmen unbeliebt. Ich erinnere mich immer noch gern des Pastors Wannags, der aus Ostpreußen stammte und der die kürzesten Predigten hielt und dabei kein Blatt vor den Mund nahm. Oft ist er sonntags vor dem Gottesdienst kurz vor seiner Predigt bei mir aufgetaucht, um schnell noch einen kleinen Schnaps zu trinken. Die anderen evangelischen »Seligmachermaate« oder »Himmelslotsen« waren, auf gut Deutsch gesagt, Schleimscheißer, aber sie konnten ihre Sonntagspredigten auch nicht lassen.
Sie hatten natürlich auch ihre Spitznamen, wie z.B. »das schleichende Gift« und »das kleine Käferchen«. Wenn einer von diesen Herren eine Sonntagspredigt = Seelenmassage halten wollte oder, besser gesagt, halten musste, denn das gehörte zum Dienst, hörte man oft, kurz bevor er das Rednerpult erreichte, Stimmen aus der Versammlung, die ihm zart, aber eindringlich die Mahnung zuriefen: »Mach's kurz, sonst kriegst du Senge!« Es wird wohl nicht dazu gekommen sein, aber die genehmigte Viertelstunde wurde dann genau eingehalten.
Wie das bei den Katholiken war, weiß ich nicht, aber deren Priester war viel gebildeter und weniger stur. Man muss hierbei wissen, dass wir manchmal mit Predigten überfüttert wurden, denn auch die Basler und die Weimarer Mission beglückten uns mit Gastvorträgen ihrer Sendboten. Ein Harmonium hatten wir im Lager, und das war evangelisch und wurde friedlich von den Katholiken mitbenutzt, bis irgendein ganz Frommer sich Sorgen machte, dass seine Seligkeit dabei Schaden nehmen könnte. Diese Gefahr wurde aber schnell beseitigt, als ein unbekannter weiser Mann einen Eimer Wasser in das Instrument kippte, dem von da ab die Stimmer versagt blieb.

Als eine Grippeepidemie, die später die Ostasiatische Grippe genannt wurde und die ganze Welt heimsuchte, bei uns zuerst ausbrach, traf sie uns und die Japaner unvorbereitet. Wir mussten uns selbst helfen und gründeten eine Art Krankenkasse, und jeder, der noch gesund war, half bei der Pflege der Kranken, so gut er konnte.
Dauernd durchsuchten wir unsere Baracken nach Kranken, die isoliert werden mussten, und Toten. Die meisten überlebten die Grippe, aber wenn einer starb, wurde im Lager für eine Stunde der Sport abgesagt, damit der arme Kerl wenigstens in Ruhe sterben konnte. Der Verstorbene wurde dann zum japanischen Krematorium gebracht, um dort verbrannt zu werden. Nie werde ich das Kommando »Freiwillige raus zum Knochenbrechen« vergessen, denn es war nötig, weil unsere Körper sonst nicht in den kleinen Brennofen passten.

Wir Krankenhelfer hatten uns geeinigt, den Grippekranken keinen Alkohol zu gestatten, weil wir festgestellt hatten, dass er ihnen nur schadete. Eines Tages fand ich bei einem Rundgang einen guten Bekannten von mir, einen alten Marineobermaaten, den die Grippe schwer erwischt hatte. Er meinte, er müsse sterben, wenn er nicht trinken dürfe. »Ich brauche einen großen Schluck Rum, um gesund zu werden«, röchelte er, »und ich weiß, Alfons, dass du ihn mir geben wirst. Und wenn ich daran sterben sollte und auch meine Knochen in den Schmortopf kommen, wird es unser gemeinsames Geheimnis bleiben.« Rum gab es bei uns im Lager nicht, aber ich hütete seit Jahren als kostbarsten Schatz eine Flasche Original Rum, der mich als Liebesgabensendung auf seinem Weg um die halbe Welt heil erreicht und den ich ins Lager geschmuggelt hatte. Kurz und gut, er bekam seinen großen Schluck und zu meiner Erleichterung starb er nicht und kam dann sehr bald wieder zu Kräften.

Wir hatten auch eine Lagerzeitung von hohem Niveau [»Baracke«], die mit der Hand geschrieben und dann vervielfältigt wurde. Und dann schufen wir sogar eine – an sich völlig unnötige – Lagerpost mit eigenen Briefmarken, die merkwürdigerweise nach dem Krieg in internationalen Sammlerkreisen bekannt und hoch bewertet wurden.

Die Japaner haben wenig Sinn für Katzen und Hunde, und sie wollten es nicht dulden, dass wir diese Tiere im Lager hielten. Dies Verbot wurde natürlich umgangen, und so hatte sich allmählich davon eine große Schar Hunde aller Kreuzungen angesammelt. König dieser Hunde war »Kabuto«, der seine Artgenossen knechtete und dem sie sklavisch gehorchten. Er kannte seinen Wert und durfte auch mit zum Appell antreten und wurde von den Japanern stillschweigend geduldet. Sie wussten, dass wir ihn gern hatten.
Von Zeit zu Zeit mussten wir unsere Hunde an die Japaner abliefern. Kabuto blieb immer übrig, und dieser Hund ist dann bei unserer Heimfahrt bis zum Einschiffungshafen Kobe mitgenommen und einer deutschen Familie anvertraut worden, von der er bis zu seinem Tode das Gnadenbrot bekam.

Die Japaner schätzten es sehr, dass wir uns geistig so rege in Bando betätigten und auch unsere eigenen Organisationen auf den verschiedensten, auch handwerklichen Gebieten fanden ihren Beifall. Sie machten Bando zu ihrem Renommierlager, und wir hatten oft Besuche internationaler Kommissionen. Sogar kaiserliche Prinzen und Prinzessinnen kamen zu einer Besichtigung, und einer davon, der sich für deutsche Literatur besonders interessierte, arbeitete sogar kurze Zeit bei uns, um seine Deutschkenntnisse aufzubügeln.
Unsere Kameraden, die sich den japanischen Behörden als Dolmetscher zur Verfügung gestellt hatten, waren im Zivilberuf Kaufleute oder Gelehrte, die die Landessprache sehr gut beherrschten, und, was die Hauptsache war, sie waren gute Kenner japanischer Mentalität. Diesen ist es wohl in der Hauptsache zu verdanken, dass unser Verhältnis zu den maßgebenden Japanern fast immer harmonisch blieb.
Dazu kam, dass der größte Teil von uns Reservisten schon von China her gewohnt war, Ostasiaten gegenüber das Gesicht zu wahren. So blieben ihnen und uns die Reibereien und Kränkungen erspart, die unseren unerfahrenen Kameraden in den anderen Lagern das Leben fast unerträglich machten.9 Dies ist wohl auch der Hauptgrund, warum unser Lager zum Musterlager avancierte.

In der nahen Kreisstadt Tokushima wurde sogar mit unserer Hilfe eine mehrtägige Ausstellung veranstaltet, die zeigen sollte, wie geschickt sich die Deutschen mit den geringsten Mitteln helfen konnten, um vorbildlich auf handwerklichen, künstlerischen und anderen geistigen Gebieten Eindrucksvolles zu schaffen. Das Reklameplakat zu dieser Ausstellung war von uns entworfen worden und von den Japanern in Druck gegeben. Sogar in den Eisenbahnwagen soll es angeschlagen gewesen sein. Einen zarten schwarz-weiß-roten Rand hatten diese Anschläge, und die Zensur hat dies nicht beanstandet.
Außerhalb unseres Lagers bauten wir verschiedene Sportplätze, und dort hatten wir auch eine kleine Muster-Landwirtschaft und kleine Gärten. Um das Brennholz für unsere Lagerküche zu verbilligen, pachteten wir bewaldete Berge und schlugen dort unser Brennholz selbst. So hatten wir Gelegenheit, uns auszuarbeiten, und zwar auf gemeinsamer Basis zum gemeinsamen Wohl.

In unserer Nachbarschaft lag ein prachtvolles Shintokloster bzw. sein Tempel. Hier gestalteten wir für die Priester und spätere japanische Besucher aus einer ungebändigten Landschaft einen Park mit Spazierwegen und steinernen Brücken, der uns die Anerkennung und den Dank des hochwürdigen Oberpriesters eintrug.
Die von uns abgeholzten Berge wurden dann später unter der Leitung unserer deutschen Förster und Gärtner wieder aufgeforstet. Wir hatten eben für jede selbstgestellte Aufgabe die richtigen Fachleute und waren mit Begeisterung dabei.
Schließlich gelang es uns, den Japanern die Erlaubnis abzuringen, gruppenweise Ausflüge in die weitere Umgebung von Bando bis an den Strand der Inlandsee machen zu dürfen. Der Japaner ist ein begeisterter Naturliebhaber und hatte volles Verständnis dafür, weil unsere Bitte ihm in der richtigen Form unterbreitet wurde; denn gerade im Fernen Osten schallt es so aus dem Wald zurück, wie man hineingerufen hat.

Kurz und gut, wer einen Tagesausflug mitmachen wollte, der marschierte am frühen Morgen bei herrlichem Sonnenaufgang unter Bewachung der Landespolizei in die waldbedeckten Berge zu dem Dörfchen Kushigi. 80 bis 100 Mann waren fast immer zusammen, die den stundenlangen Weg über Stock und Stein nicht scheuten. Unsere körperlich kleineren Bewacher mit ihren kurzen Beinen konnten auf die Dauer unser Tempo nicht mithalten, und deshalb ließen sie uns vertrauensvoll vorgehen und folgten langsam nach. Ausreißen konnten wir ja doch nicht.
Pünktlich trafen wir uns dann später wieder, und so hatte alles seine Ordnung. Der Rückmarsch, auf dem wir immer alle dabei waren, wurde pünktlich angetreten, und nie hat ein Mann sich verspätet. Wir wussten ja, was dabei für uns auf dem Spiel stand.
Die Gegend, in der wir über Tags herumstrolchten, war vor uns noch nie von Fremden besucht worden, und sie war von bezauberndem Reiz, besonders im Herbst, der lang währte und dem ein kurzer Winter folgte. Das Frühjahr brachte schon bald warme Tage, und das Wetter war beständig bis zur Monsunzeit.

Kushigi war ein Fischerdorf mit einsamen Buchten, wo wir unser Lager aufschlugen und in der Inlandsee badeten. Kleine Japanerjungs, die wir uns angelacht hatten, sammelten für uns Treibholz und brachten uns frisch gefangene Makrelen, die wir dann auf offenen Feuern brieten. Diese Jungs schnappten bei uns bald deutsche Worte und Kraftausdrücke auf. Was mag davon wohl hängen geblieben und in den Volksmund übergegangen sein?
»Hummel-Hummel, Mors-Mors!« war eins der üblichen Begrüßungsworte, die die Knaben sehr schnell spitz hatten. Und als uns einmal ein fremder Missionar zwecks periodischer Seelenmassage in Bando besuchte, war er auf dem Weg zu uns in einem Wäldchen von einem Knirps mit diesem Gruß beehrt worden. Er beklagte sich bei uns darüber und fand unsere Art der Volkserziehung äußerst geschmacklos. Wir waren darüber anderer Ansicht.

Unsere Insel Shikoku liegt auf dem Weg der Taifune, und wir haben diese Stürme oft tagelang über uns ergehen lassen müssen. Die Wetterwarten der chinesischen und japanischen Küsten beobachteten den Weg eines solchen Unwetters und warnten rechtzeitig. Unser Lager wurde dann besonders verproviantiert, die japanischen Wachen wurden zurückgezogen und die zu uns führenden Straßenbrücken abgedeckt, damit das kommende Hochwasser darüber hinwegfließen konnte. Und dann ging der Tanz pünktlich los.
Solch ein Unwetter konnte sich über ein paar Tage erstrecken und hinterließ immer ein richtiges Schlachtfeld. Die im Boden fest verankerten Baracken haben aber immer gehalten, weil sie nach alten Erfahrungen mit Taifunen und Erdbeben gegen Zug-, Schub- und Saugkraft abgesichert waren. Die Dach- und die Stützpfosten waren aus natürlich gebogenem Holz gefertigt, und das ganze Gebäude federte wie ein Schiff im Wind.

Während eines solchen Unwetters bekam ich plötzlich eine Mittelohrentzündung und musste ohne ärztliche Hilfe bleiben, weil unser japanischer Militärarzt mit der Wache abgerückt war. Das war eine sehr schmerzhafte Angelegenheit, und als der Arzt zurückgekehrt war und ich mich auch ohne ihn etwas besser fühlte, stellte er bei der Untersuchung fest, dass das Geschwür im Ohr sich selbst seinen Weg durch das geplatzte Trommelfell gebahnt hatte. Er meinte, höflich lächelnd, dass ja jetzt alles wieder in bester Ordnung wäre und dass ich viel Glück gehabt hätte, denn wenn der Eiter ins Gehirn gedrungen wäre, dann hätte er auch nicht mehr helfen können.
Im Großen und Ganzen war die Allgemeingesundheit im Lager vorzüglich, abgesehen von der Grippewelle, die manche Opfer forderte. – Im Anfang unserer Gefangenschaft in Marugame, das klimatisch ungünstiger lag, litten viele unter Malaria. Reissümpfe und Mosquitos gab es da ja genug.

In Bando hatten wir einen Friedhof, wo unsere Toten ruhten, und die Bevölkerung ehrt noch heute diese Stätte und schmücktsie mit Blumen. Vor wenigen Jahren erst haben Hamburger Bandokameraden eine Geldsammlung unter uns veranstaltet, um einer japanischen Frau dort unseren Dank zu zollen für die Betreuung der Gräber unserer Kameraden. Ihr sollten damit die langjährigen Unkosten ersetzt werden, die sie all die Jahre aus eigener Tasche zahlte.10
Das Auswärtige Amt wurde davon unterrichtet und zeigte volles Verständnis. Und dann wurde dieser Frau mit dem Geldgeschenk durch einen deutschen Konsul feierlich das Bundesverdienstkreuz überreicht. Auch der Bürgermeister von Bando wurde entsprechend geehrt. Das hat natürlich großen Eindruck gemacht, und japanische Zeitungen brachten ausführliche Berichte über die Feier. So konnten wir Bandoleute auch einen kleinen Beitrag zu der Freundschaft mit Japan leisten.

Im Frühjahr 1920 schlug auch für uns die Befreiungsstunde, und wir traten über Kobe unsere Heimfahrt nach Deutschland an. Viele Wochen waren wir auf unserem alten Schlitten Fukuju Maru (auf Deutsch: Glückswind) unterwegs und kehrten damit in ein zusammengebrochenes Deutschland zurück, in dem noch der Kapp-Putsch tobte.11 – Ich hatte mir die Heimfahrt anders erträumt.
 

Anmerkungen

1.  Andere Gefangene haben das ganz anders gesehen.

2.  Bestätigend insoweit der Bericht von Gerlach.

3.  Die »Neunte« wurde erst in Bando aufgeführt; siehe aber die imponierende Liste der Konzerte in Marugame.

4.  Zum Thema »Selbstjustiz« gibt es leider noch keine Untersuchungen.

5.  Dass tatsächlich beim Abtransport nach Japan per Ehrenwort auf Fluchtversuche verzichtet wurde, ist vermutlich ein Gerücht.

6.  Richtig ist, dass sechs Gefangene Japan verlassen konnten, wovon zwei (Kempe, Unkel) die Heimat erreichten.

7.  »Squeeze« für das Lagerpersonal – im Sinne von Bestechungsgeld – wird in vielen Berichten erwähnt, jedoch gibt es dazu keine belastbaren Untersuchungen.

8.  Das ist nicht wörtlich zu nehmen – Selbsttötungen sind jedenfalls in Bando nicht vorgekommen.

9.  Damit dürfte vor allem das Lager Kurume gemeint sein, in dem auch einige Bekannte von Wieting gefangen waren.

10.  Siehe den Bericht von Eduard Leipold.

11.  Beim Schiffsnamen liegt eine Verwechslung vor. Die meisten Bando-Gefangenen kehrten mit der Hofuku Maru Ende Februar 1920 heim; das passt aber nicht zum Hinweis auf den Kapp-Putsch (13.-17.04.).
 

©  Ingemarie von Hallen; für diese Fassung auch: Hans-Joachim Schmidt
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