Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Lager Kurume

StartseiteGefangenschaft in JapanLagerKurume → Turnen


Turnen und Sport im Kriegsgefangenenlager Kurume 1915-1919

— Teil 1: Allgemeine Übersicht. Turnen. —
 

Bericht

Trotz ungünstiger Rahmenbedingungen fanden im Lager Kurume zwischen 1915 und 1919 sehr viele Turn- und Sportveranstaltungen statt. Ein namentlich nicht bekannter Verfasser hat gegen Ende der Gefangenschaft einen handschriftlichen Bericht erstellt und im Lager drucken lassen, der hier in drei Teilen wiedergegeben wird.

Dem vorliegenden Text liegt ein Berichts-Exemplar aus dem Nachlass Peter Knecht zugrunde, das dem Redakteur dankenswerterweise zur Verfügung gestellt wurde. Der Redakteur hat die Rechtschreibung maßvoll modernisiert, Abkürzungen (auch bei Vornamen) aufgelöst und Anmerkungen in [ ] oder als Fußnote hinzugesetzt.
Eine erste, freilich fehlerbehaftete Transkription wurde von der Stadt Kurume um das Jahr 2000 vorgenommen und mit Korrekturen und Anmerkungen versehen; letztere werden hier in der Regel nicht berücksichtigt, Ausnahmen sind gekennzeichnet.
 

Gliederung:
   Allgemeine Übersicht. Turnen. (S. 1-12 des Originals)
   Sportwochen 1917 und 1919 (S. 13-28)
    Ballsportarten (S. 29-48)


Die Belegschaften der kleineren, zum Teil gar Tempellager in Kurume, Koradai, Kumamoto und Fukuoka wurden Anfang Juni 1915 im Barackenlager Kurume zusammengezogen.
1 Auf einem mit einem Holzzaun umgebenen Platze von etwa 165 x 170 m befanden sich zwei Offiziersbaracken, 16 Mannschaftsbaracken, Verwaltungsgebäude, Küchen, Kantine, Baderaum und Revier. Außer den wenigen und kleinen freien Plätzen und Wegen steht dem einzelnen Mann eine Fläche von 2,50 x 1,20 m in der Baracke und eine ebenso große außerhalb zur freien Bewegung zur Verfügung, auf welch ersterem aber auch sein Bett von 1,00 x 1,80 m Größe und seine Habseligkeiten unterzubringen waren. Zum Spaziergang steht der schmale Platz um das Lager an 16 Aborten vorbei und in vielen Windungen zur Verfügung, außerdem in wenigen Wochen des ersten Hierseins der freie kleine Mittelplatz. [Grundriss]

Im September 1915 wurde von der japanischen Militärverwaltung auf wiederholte Anregung aus dem Lager das Material zu zwei Recks und zwei Barren geliefert. Die beiden Recks gelangten sofort zur Aufstellung, eines auf dem Mittelplatz neben der dort für Theateraufführungen und Konzerte gebauten Bühne, das andere zwischen Baracke 16 und dem Zaun. Reckgruben sowie [die] später zwischen der Waschbank und Baracke 15 angelegte Sprunggrube wurden mit Sand gefüllt, der aus dem Flussbett von den Turnern selbst geholt werden durfte. Ein Barren wurde als Hochbarren (1,60 m hoch) gebaut und auf dem Mittelplatz eingegraben. Es war wohl versucht worden, den Barren transportabel und verstellbar herzustellen, doch mußte wegen Material- und Handwerkzeug-Schwierigkeiten davon abgesehen werden. Der andere Barren gelangte im folgenden Turnier 1916 als Tiefbarren (1,20 m hoch) zur Aufstellung, als der sich vergrößernde Turnbetrieb dies nötig machte. Schon vorweg bemerkt: Ein dritter Barren wurde etwa um dieselbe Zeit von Offizieren angeschafft und zwischen Zaun und den Offiziersbaracken aufgestellt.

Nachdem im September 1915 zwei Recks aufgestellt waren, bildeten sich alsbald einzelne Riegen, die anfänglich in unregelmäßigen Zwischenräumen und zu gelegener Zeit turnten. Bald aber sah man ein, dass nur ein Zusammenschluss und ein ordnungsmäßiges Riegenturnen unter erfahrener Leitung Erfolg versprachen. Herr Turnlehrer Georg Engler bot sich an, die Leitung des gesamten Turnbetriebs zu übernehmen, und dies ware auch ganz entschieden das Beste gewesen. Da jedoch in Tsingtau den Mannschaften die Teilnahme an dem Turnen des dortigen Unteroffiziers-Turn-Vereins untersagt gewesen war und Herr Engler den Rang eines Vizefeldwebels der Reserve innehatte, so beschlossen die Mannschaften schließlich, für sich zu bleiben und einen eigenen Turnverein zu gründen.2 Dies geschah in einer Hauptversammlung am 4. Oktober 1915. Der Verein nannte sich »Turnverein Kurume« [T.V.K.]. An Beiträgen wurden 10 Sen erhoben. Den Vorsitz führten nacheinander: Adolf Kühne, H. Richard Manitz, Rudolph Strauch, Josef Nolten, Walter Ulrich und [nochmals] H. R. Manitz.

Kurz nach der Gründung des T.V.K. begann eine Riege von Unteroffizieren und Reservisten unter Leitung des Herrn Engler zu turnen, aus der später der »Unteroffizier-Turnverein« [U.T.V.] hervorging. Vorsitzender war während der gesamten Zeit Diederich Roth; Turnwart: G. Engler bis zu seinem Weggang nach Nagoya im Anfang 1918 und seither: Joseph Gerstadt.

Im Juni 1918 verschärfte sich ein zwischen zwei Gruppen innerhalb der ersten Riege des T.V.K. bestehender und begründeter Gegensatz derart, dass den zehn Turnern dieser Riege, die den Antrag auf Teilung des Vereins stellten, sich ca. 40 % der Vereinsmitglieder anschlossen und unter dem Namen »Turnerschaft Kurume« einen neuen Verein gründeten. Den Vorsitz führten von Halb- zu Halbjahr: Emil Oskar Fütterer, Willy Beckendorf, Carl Vogel; Turnwart waren nacheinander bis zum Schluss: Hans Skrebba, Johann Preu, Otto Heppner und Hermann Ortlepp.

Wie für das Turnen, so bildeten sich auch für andere körperliche und sportliche Betätigungen Vereine; so bestanden beispielweise 1915/16, als das Barlaufspiel im Lager seine Blütezeit hatte, sechs Barlaufvereine. Seit Einführung des Stockballspiels (Hockey 1916/17) wurden Stockballvereine gegründet; mit Eröffnung des Sportplatzes entstanden Fußballvereine. Im Oktober 1919 bestanden außer den oben erwähnten drei Turnvereinen folgende sportliche Organisationen im Lager: 3 Stockballvereine, 3 Tennis-Vereine, 5 Fußball-Vereine.

Kehren wir zurück zu den Verhältnissen auf dem Mittelplatz Herbst 1915. Ein geregelter Turnbetrieb setzte sofort nach Gründung des T.V.K. ein; die erste Turnstunde fand am 6. Oktober 1915 mit einer Beteiligung von 36 Turnern statt. Es wurde anfangs viermal in der Woche von 8 bis 10 Uhr vormittags, im Winter von 10 bis 12 Uhr vormittags Riegenturnen abgehalten. Die Übungen beschränkten sich in der ersten Zeit auf Stilübungen, Reckturnen, Springen und Laufen. Der U.T.V. begann – anfangs mit einer 15 Mann starken Riege – an drei Tagen der Woche zu turnen.

Weihnachtswettturnen des T.V.K. 1915
Der erstere turnerische Wettkampf des Lagers fand am 2.Weihnachtsfeiertage 1915 statt. An Reck, Barren und Pferd turnten die ersten Riegen je eine vorgeschriebene und eine Kür-Übung. Die Leistungen wurden gewertet und die besten Turner jeder Riege an jedem Gerät – ebenso die Sieger in volkstümlichen Übungen – erhielten kleine Preise, bestehend aus Zigarren, Äpfeln, Nüssen, Speck und Ähnlichem.

Seit dem Beginn des vereinsmäßigen Turnbetriebs setzten auch sofort Turnspiele ein, und zwar wurden anfangs ein- bis zweimal, später einmal wöchentlich etwa eine halbe Stunde Jugendspiele wie Drittenabschlagen, Kriegsball, Wunderball, Tag und Nacht sowie eine Anzahl Spiele mit dem großen Hohl- und Vollball ausgeführt.
Auch waren einzelne Leute im Tennis-Spiel anspruchsvoller geworden, verfertigten ein Netz, begrenzten nach und nach den Mittelplatz und setzten Spielstunden auf diesem an. Darüber siehe den Turnier-Bericht.
Desgleichen wurde Faustball viel gespielt, obwohl der Mittelplatz dazu etwas zu klein war. Später wurde das Faustball-Spiel vom Büro [= von der Lagerkommandantur] verboten, weil der Ball öfters auf die Dächer der umstehenden Baracken sprang. Für den Platz zwischen den Offiziersbaracken und dem Zaun blieb das Spiel erlaubt, und so waren eine größere Anzahl Offiziere mehrere Jahre hindurch eifrige Faustballspieler. Erst mit der Eröffnung des Sportplatzes kam das Spiel wieder für die Allgemeinheit des Lagers zur Geltung.

Schon im Sommer 1915 hatten sich einige Mannschaften zusammengefunden, die nach einer vorläufigen Ebnung und Instandsetzung des Mittelplatzes Barlauf spielten. Das Spielfeld war 28 x 21 m groß. Besonders hinderlich waren die schräg in den Platz hereinragenden Stützen der vor den Baracken entlang laufenden Veranda. Ein Anlaufen gegen die Stützen der Baracke überhaupt zog öfters Verletzungen nach sich. Gespielt wurde nach den allgemein üblichen Regeln, anfangs mit 12, später mit 14 Spielern in der Mannschaft. Die Spielzeit betrug 2 x 25 Minuten mit 5 Minuten Zwischenpause. Mit der Zeit nahm dieses Spiel rein sportlichen Charakter an. Es bildeten sich insgesamt 6 Barlaufvereine mit etwa 20 Mannschaften. Außerdem fanden sich einige Mannschaften älterer Herren zusammen, die eine Zeitlang auf dem Platz hinter Baracke 8 spielten. Im Herbst 1916 spielten 9 bzw. 7 Mannschaften aus 5 Vereinen zwei Wettspielserien durch. Damit war der Höhepunkt für das Barlaufspiel erreicht; kurz darauf begann die Beteiligung sehr viel schwächer zu werden, und im Sommer 1917 hörte das Barlaufspiel zunächst ganz auf. Zur Sportwoche 1917 fanden sich noch einmal 4 Mannschaften zu je 13 Mann, später ist dann Barlauf nicht mehr gespielt worden.

Volkstümliche Wettkämpfe Januar 1916
Ende Januar 1916 wurden Wettkämpfe zwischen Turnern und Barläufern ausgetragen (Hochspringen, Weitspringen, Weithochspringen und anschließende Eilbotenläufe). Preise oder Diplome wurden nicht gegeben. Die erzielten Leistungen sind nicht mehr mit Sicherheit festzustellen: sie sind in der Folge auch fast stets übertroffen worden.

Zwölfkampf des T.V.K. am 23.4.16
Für die Osterfeiertage 1916 war ein Zwölfkampf in zwei Stufen angesetzt. (In 3 Übungen Reck, Barren, Pferd; 2 volkstümliche Übungen; Freiübung.) Beteiligung in der Oberstufe 8, in der Unterstufe 17 Turner. Die Sieger waren folgende (im Klammern die erzielten Punkte):

Oberstufe: Unterstufe:
1) Walter Ullrich (113 ⅔);
2) Albert Philippi (112)
3) Hans Skrebba (110)
4) Valentin Rink (102 ⅓)
 
 
 
 1) Peter Sturm (128 ⅓)
2) Johann Preu (125)
3) Otto Hallmann (121 ⅓)
4) Ernst Mittag (119 ⅓)
5) Hans Köhler (118)
6) Emil Rodenwald (114 ⅔)
7) Willy Beckendorf (107)

Zu volkstümlichen Übungen wurden folgende Leistungen über 20 Punkte erzielt:
Steinstoßen: Skrebba 7,95 m, Nolten 7,65 m
Kugelstoßen: Hallmann 9,60 m, Preu 9,60 m, Gruber 9,10 m
Kampfrichter waren: Georg Engler, Karl Pauly, Hermann Wiesendt. Die Sieger erhielten Ehrenurkunden.

Jetzt im Frühjahr (1916) war es wegen reger Beteiligung nicht mehr möglich für beide Vereine, gleichzeitig auf dem Mittelplatz zu turnen. Verschiedene Tageszeiten kamen kaum Betracht, im Winter waren fast nur die Stunden von 10-12 Uhr vormittags, im Sommer von 6-8 Uhr abends geeignet; auch wurde der Platz jederzeit, wenn er nicht von Turnern besetzt war, für Barlauf, Tennis und dort nun Stockball benutzt. Die Turnvereine einigten sich derart, dass jeder an drei Tagen wöchentlich turnte. In dieser Art blieb die Verteilung der Turnstunden bestehen bis zur Gründung der »Turnerschaft«. Jetzt erhielt jeder Verein an zwei Tagen der Woche die für das Turnen besonders geeignete Zeit und eine dritte Turnstunde an einem Nachmittage. Es war jetzt leicht, da der neue Turnplatz für Sportspiele nicht mehr in Frage kam.

Ende November 1915 trat innerhalb des T.V.K. eine Altersriege aus Landwehrleuten und Reservisten zusammen. Der Betrieb war anfangs recht gut, besonders in den Monaten Januar bis März 1916 war eine Beteiligung von 15–20 Mann vorhanden. Im Sommer 1916, als für die oben genannten Spiele mehr Zeit verlangt wurde, verlegte man die Turnstunden der Altersriege auf 6–7 Uhr morgens. Das Frühaufstehen wurde aber den meisten doch unbequem, und da sich keine günstigere Stunde fand, hörte die Altersriege als Folge auf.

Wettgehen der Qffiziere
Im Frühjahr [1916] fand ein Wettgehen zu Paaren von vier Stunden unter einer Anzahl Offiziere statt. Das beste Paar machte 52 Runden (31 ¾ km)!3

Wettgehen 1. Kompanie III. Seebataillon
Am 15. Oktober 1916 wurde unter den Angehörigen der 1. Kompanie ein 50-Runden-Wettgehen (30,550 km) veranstaltet. Erster Sieger war Ernst Künne mit einer Zeit von 3 Stunden 18 Minuten 35 Sekunden.

Fünfkampf des U.T.V. Weihnachten 1916
Für Weihnachten 1916 hatte der U.T.V. einen Fünfkampf in volkstümlichen Übungen angesetzt. Es beteiligten sich 16 Turner (Kugelstoßen, Hochspringen mit Brett, Weitspringen, Werfen mit dem kleinen Ball, 100 m Laufen), von denen 9 die für einen Sieg vorgeschriebene Punktzahl von 70 erreichten. Genaueres über einzelne Leistungen kann leider nicht angegeben werden, da keine Aufzeichnungen vorhanden sind.

Zwölfkampf des T.V.K. am 10. Mai 1917
Der Turnverein Kurume hatte für Pfingsten 1917 wieder einen Zwölfkampf geplant, diesmal in drei Stufen. Da aber infolge des ungünstigen Wetters die Zeit knapp wurde, so wurde das Wettturnen erst am 10. Juli abgehalten. Es waren folgende Übungen vorgeschrieben: für Oberstufe, Mittelstufe und Unterstufe je 3 Übungen Reck und Barren, 2 Übungen für Pferd, 1 Freiübung, 3 für volkstümliche Übungen.
Es beteiligten sich: 6 Turner in der Oberstufe, 13 Turner in der Mittelstufe, 9 Turner in der Unterstufe. Das Amt des Kampfrichters wurde versehen von: Adolf Kühne, H. Richard Manitz, Rudolph Strauch für Oberstufe, Joseph Nolten, Peter Sturm, Walter Ulrich für Mittelstufe, Valentin Rink, Hermann Ruch, Rudolph Strauch für Unterstufe.

Die erzielten Ergebnisse waren folgende:

Oberstufe Mittelstufe Unterstufe
1. Peter Sturm 125
2. Walter Ulrich 120 ⅓
3. Ehrenfried Weber 118
4. Hermann Ruch 116 ⅓
5. Josef Nolten 107 ⅓
6. Valentin Rink 100
 
 
 
 
  1. Ernst Mittag 140
2. Albert Sporreiter 136 ⅔
3. Karl Jebram 135 ⅓
4. Fritz Moog 123
5. Karl Schubert 116 ⅔
6. Peter Lund 111 ⅔
7. Hans Weyand 109 ⅓
8. Paul Klose 104
8. Karl Flender 104
9. Johannes Harotte 101
  1. Ludwig Pfäffle 122
2. Bernhard Hövel 121
3. Emil Fütterer 114 ⅔
4. Karl Wilhelm 112 ⅓
5. Paul Hoffmann 112
6. Willy Krüger 106
7. Gustav Denda 105 ⅔
 
 
 

Ergebnisse des 1. Sportwoche 1917
siehe weiter hinten in besonderem Abschnitt in Gegenüberstellung mit Daten der Sportwoche 1919. [Text folgt.]

Im Herbst 1917 traten die am Mittelplatze beteiligen Stockball- und Tennisvereine an die Turnvereine mit dem Ersuchen heran, die Turngeräte auf dem Platz hinter Baracke 8 umzusetzen und den Turnbetrieb dorthin zu verlagern. Dieser Platz war vom Büro für Sport gesperrt gewesen, auf Ersuchen jedoch wurde dieses Verbot für das Turnen aufgehoben. Für die Turner bestand allerdings der Nachteil, daß dieser Platz nach dem Abendappell (7 Uhr, später 6:30 Uhr) nicht mehr betreten werden durfte, während der Turnmonate jedoch gerade dieses die günstigste Zeit für das Turnen war; auch war der Platz im Winter weit mehr den kalten Winden ausgesetzt als der Mittelplatz. Da es jedoch im allgemeinen Interesse lag, für Leibesübungen jeder Art soviel Zeit und Gelegenheit zu beschaffen wie nur irgend möglich, willigten die Turnvereine ein. Gleichzeitig ergaben sich größere Reparaturen, denn der Unterbau aller eingangsebenen Geräte war angefault und musste erneuert werden. Hinzu kam eine Neubeschaffung eines Geräteschuppens, Sand usw.

Ich möchte an dieser Stelle eine Aufstellung geben der Ausgaben aller drei Turnvereine für Geräte, Reparaturen, Instandhaltungskosten, Zeugwartsgebühren wie gleichzeitig Kosten für Bälle und Spielgeräte für den späteren großen Platz bis einschließlich Oktober 1919. [Alle Preise in Yen.]
Geräte
2 Recks (geliefert)
2 Barren (außer dem gelieferten Material)
1 Pferd (einschließlich Lederbezug und Pauschen)
1 Sprungtisch mit Federbrett
12 Paar Keulen
1 Bock
1 Kugel 7,5 kg
1 Diskus
Anlage des Turnplatzes und Geräteschuppens
Sand für Reck- und Sprunggruben
Sprunggeräte, Schnüren, Bretter, Rangen usw.
   1915-16
   1917
   1918
   1919
 

19,72
29,95
45,47
11,10
20,54
7,17
6,50
104,39
48,40
 
6,80
7,40
6,83
19,27
Reparaturen
Instandhaltungskosten für Turnplatz und Geräte,
Zeugwartgebühren usw.
   1915-16
   1917
   1918
   1919
Anteil an Unkosten des Sportplatzes (seit Oktober 1918)

 
 
13,10
67,38
187,97
99,87
85,53
Bälle
Bälle, Spielgeräte usw. seit Oktober 1918
   für Faustball
   für Schlagball
 
 
352,29
273,28
Im Ganzen:  1.413,06

Anfang August 1918 wurden etwa 200 Mann4 nach anderen Lagern verlegt; eine Platzvergrößerung für den Einzelnen trat nicht ein; in einer der zwei freigewordenen Baracken wurden einige Leichtkranke untergebracht, die andere wurde als Musik- und Arbeitsbaracke benutzt. Diese lang ersehnte Platzvergrößerung trat erst im Oktober 1918 ein mit Einbeziehung eines Stück angrenzenden Landes in das Lager zur Errichtung eines Sportfeldes und Sportplatzes auf demselben. Bereits öfters war mit den japanischen Behörden verhandelt worden, um als Vergrößerung des Lagers einen Spiel- und Sportplatz entweder dem Lager angeschlossen oder auch außerhalb liegend zu erhalten. Im September 1918 endlich war das Ersehnte erreicht: Ein angrenzendes Stück Land wurde zur Verfügung gestellt, der Zaun versetzt, der gewonnene Platz eingeebnet und als Sportplatz hergerichtet. Größte Länge war 103 m, größte Breite 52 m. Aufgenommen wurden neu darauf Fußball und Stockball mit einem mit In-Kauf-Nehmen des beschränkten Platzes, des weiteren Schlagball und Faustball mit relativ wenigen Platzbeschränkungen.

Um eine gleichmäßige Einteilung der Spielzeiten zu ermöglichen, wurde eine Platzverwaltung gebildet. Sehr bald stellte sich die Notwendigkeit heraus, jedem Einzelnen nur eine beschränkte Zahl von Sportstunden zu gestatten. Eine größere Anzahl von Leuten beteiligte sich an allen Spielen, natürlich zum Nachteil derer, die sich an einer Art körperlicher Betätigung genügen ließen. Schließlich kam eine Einigung unter den beteiligten Parteien derart zustande, dass jedem Lagerinsassen Zeit für nur zwei Sportarten zugestanden wurde. Der Schreiber dieser Zeilen hat selbst den Sitzungen dieser Platzverwaltung mit beigewohnt und kann nur sagen, dass es nicht die erfreulichste Arbeit in seinem Leben war, die er dort vorgefunden hat. Wie sollte man sich einigen, um es jedem der großen Herren Recht zu machen? Fußball wollte entschädigt werden, Faustball hatte immer Wünsche, und Stockball wie Schlagball kann man kaum Bescheidenheit nachsagen.

Die Spielstärken der letzten Monate gehen aus folgender Tabelle hervor:
Platzeinteilung vom
4. Juli 1919
18. August 1919
25. September 1919
  Schlagball
  Fußball
  Stockball
  Faustball
435
385
146
262
515
364
187
276
485
375
228
256
 
Beispiel: Platzverteilung vom 25. September 1919
 
  Es stehen zur Verfügung pro Woche
  davon ab für Laufen, Schleuderballwerfen usw.,
   Vorbereitung für die Sportwoche
  Es bleiben zur Verteilung
77 Stunden
 
  3 Stunden
74 Stunden
 
Gemeldet haben sich:
  485 Schlagballspieler : 24 =
  375 Fußballspieler : 22 =
  228 Stockballspieler : 20 =
  256 Faustballspieler : 30 =
  [Summe]
[Anmerkung im Original:] 80 Faustballspieler spielen in Schlagballstunden hinterm Feld.
20,21 Stunden
17,00 Stunden
11,40 Stunden
  5,87 Stunden
54,48 Stunden
 
Pro Sportart (74–54,48) / 54,48 = 36 % zugezählt
und abgerundet ergibt:
  Schlagball
  Fußball
  Stockball
  Faustball
  Summe
 
 
27 Stunden
23 Stunden
16 Stunden
  8 Stunden
74 Stunden

Zwölfkampf des T.V.K am 4. Dezember 1918
Dieser wurde in drei Stufen ausgeschrieben. Er war für ein früheres Datum vorgeschrieben, musste aber infolge der Grippe-Epidemie verschoben werden. Daher rührt auch die verhältnismäßig geringe Beteiligung. Folgende Übungen waren vorgeschrieben: Oberstufe, Mittelstufe und Unterstufe je 3 Übungen an Reck, Barren und Pferd, 1 Freiübung und 2 volkstümliche Übungen.
Es beteiligten sich insgesamt 16 Turner: 4 in der Oberstufe und je 6 in Mittel- und Unterstufe. Das Amt der Kampfrichter wurde versehen von: Esser, Manitz, W. Ulrich für Oberstufe, Esser, Strauch, W. Ulrich für Mittelstufe, Manitz, Philippi, Trümper für Unterstufe. Folgende Wettturner errangen einen Sieg:

Oberstufe Mittelstufe Unterstufe
1. Ehrenfried Weber 116 ⅔
2. Albert Philippi 115 ⅓
3. Rudolph Strauch 101 ⅔
 
  1. Ludwig Pfäffle 122 ⅓
2. Walter Fink 121 ⅓
3. Heinrich Reisse 110 ⅓
4. Paul Hoffmann 102 ⅔
  1. Otto Backeshoff 121 ⅓
2. Alexander Diegelmann 116 ⅔
3. Friedrich Schönborn 113 ⅔
4. Paul Beckmann 108 ⅓

In volkstümlichen Übungen wurden keine Leistungen über 20 Punkte erzielt.

Fünfkampf des T.V.K. am 20. April 1919
Für das Osterfest 1919 hatte der T.V.K. ein volkstümliches Wettturnen in zwei Stufen vorgesehen, und jeweils waren folgende Übungen gewählt worden: 1) Schleuderballweitwerfen, 2) Steinstoßen (15 kg), 3) Weitspringen, 4) Stabhochspringen, 5) 100 m Laufen.
Die Wertung erfolgte nach den Vorschriften der Deutschen Wettturnordnung; Die Unterstufe erhielt in allen Übungen 4 Punkte Ermächtigung. Die für einen Sieg erforderliche Punktzahl war auf 70 festgesetzt. Kampfrichter waren die Turner Lund, Manitz, Trümper. Insgesamt traten 24 Wettturner an, 13 in der Oberstufe, 11 in der Unterstufe, von denen Folgende einen Sieg errangen:

Oberstufe: Unterstufe:
1) Ehrenfried Weber 92
2) Peter Sturm 91
3) Bernhard Benz 83
4) Otto Hallmann 81
5) Theodor Zorngiebel 75
6) Emil Rodenwald 72
 
  1) Nikolaus Trockle 89
2) Wilhelm Koch 82
3) Georg Fritz 80
4) Walter Donat 79
5) Ludwig Pfäffle 78
6) Hugo Bauer 74
7) Fritz Schönborn 70

Folgende Leistungen über 20 Punkte wurden erzielt:
Steinstoßen: Benz 7,51 m; Weitspringen: Weber 6,11 m; 100 m Laufen: Weber 11,4 Sek.

Sechskampf des U.T.V. am 10. 5. 1919
Am 3. Pfingstfeiertage hielt der U.T.V. ein Wettturnen in zwei Stufen ab, das aus drei volkstümlichen und drei Geräteübungen bestand. Die für einen Sieg vorgeschriebene Punktzahl betrug 55. Es traten 19 Wettturner an, 6 in der Mittelstufe, 13 in der Unterstufe. Die Sieger waren folgende:

Mittelstufe: Unterstufe:
1. Paul Pech 73 ⅓
2. Joseph Gerstadt 72 ⅓
3. Karl Drescher 61 ⅓
4. Diederich Roth 60 ⅓
 
 
 
 
 
 
 
 1. Wilhelm Schürholz 77
2. Joseph Hoch 73 ⅔
3. Max Lehde 67 ⅓
3. Anton Swierszinski 67 ⅓
4. Karl Schubert 66
5. Albert Rumpel 64
6. Gottlieb Bussiek 63 ⅔
7. Richard Schramm 63 ⅓
8. Eduard Bier5 61 ⅓
9. Georg Budich 61 ⅓
10. Alfred Hopp 57 ⅓

Turner Diederich Roth erzielte im Kugelstoßen 9,96 m. Sonst waren keine Leistungen über 20 Punkte zu verzeichnen.

Neben denen, die sich an den bisher erwähnten vereinsmäßig in festen Verbänden betriebenen Arten von Leibesübungen beteiligten, gab es besonders in den ersten Jahren unseres Hierseins infolge des großen Platzmangels sehr viele, die sich die nötige Ausarbeitung und Bewegung in anderer Form zu verschaffen wußten. Schon Anfang 1916 hatten sich einige für Schwerathletik Interessierende ein Scheibengewicht zum Stemmen angeschafft und eine große Strohmatte zum Ringen angefertigt. Es wurde fleißig geübt, und zur Sportwoche 1917 fanden in beiden Übungen Wettkämpfe in je vier Klassen statt.

Beginnend mit Februar 1916 gab Herr Engler etwa zwei Jahre lang Unterricht im Fechten mit leichten Säbeln. Die erforderlichen Geräte wurden alle im Lager hergestellt. Unterricht und Übungen mussten natürlich vor den Japanern geheim gehalten werden.

Desgleichen möchte ich an dieser Stelle des Unterrichtslehrganges der Vorturnerstunden für Vorturner und Turner im Winterhalbjahr 1917/18 gedenken, welch beides von Herrn Vizefeldwebel Engler abgehalten wurde. Es nahmen 36 Mann an diesem Lehrgang teil, von denen sich 10 Mann nach seinem Lehrgang Anfang April 1918 einer schriftlichen und mündlichen Prüfung vor einem Ausschuss unterzogen, bestehend aus den Herren Major Anders, Leutnant d. R. Stephan Leist, Dr. Karl Rappenecker und Georg Engler.

Sehr früh schon – bereits 1915 – wurde im Lager auch das Boxen begonnen und fand bald eine Menge Anhänger. Unterricht erteilten in der Hauptsache die Herren Alfred Kretschmer und Erich Lindemann. Trotz der recht hohen Unkosten beteiligten sich immer mehr Leute an den Anfängerkursen, wenn auch die Wenigsten es zu vollendetem Können brachten.6 Den Hauptwert bildet ja doch die systematische körperliche Ausbildung und Körperkultur, auf die beim Boxunterricht besonderer Wert gelegt wird. Im April 1919 fand ein öffentlicher Schaukampf statt. In Anbetracht der Tatsache, daß die Teilnehmer Anfänger waren, müssen die gezeigten Leistungen als recht gut bezeichnet werden.

Über den Turnbetrieb im Allgemeinen ist zu sagen und in der Statistik der betreffenden Vereine nachzulesen, dass der Turnbetrieb im Sommer sich von Jahr zu Jahr steigerte, bis er im Sommer 1918 am größten war, im Winter dagegen von Jahr zu Jahr schwächer wurde. Dies Nachlassen im Winter beruht hauptsächlich darauf, dass infolge der gänzlich ungenügenden Heizung der Holzbaracken viele Leute Frostbeulen an Händen und Füßen hatten und auch sonst infolge der dauernd abnehmenden Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflusse viele wenig Lust hatten, in leichter Kleidung sich auf dem Turnplatz aufzuhalten.

Im Sommer 1919 hat sich der Turnbetrieb leider nicht wieder zu der früheren Höhe aufgeschwungen, zeitweise war er sogar recht kläglich. Es ist dies mit darauf zurückzuführen, dass seit dem Bestehen des Sportplatzes die meisten Turner 3–4 Stunden wöchentlich und teilweise noch mehr Faustball, Schlagball, Fußball oder Stockball spielten und demgegenüber das Interesse für Geräteturnen in den Hintergrund trat. Auch die schlechten Nachrichten aus der Heimat sowie die fortwährend auftauchenden Gerüchte über ein baldiges Ende der Gefangenschaft bewirkten leider beides eine große Gleichgültigkeit, die sich besonders in Turnbetrieb bemerkbar machte.
 

Anmerkungen

1.  Am 11. Juli 1915 wurden aus dem bis dahin größten Lager Fukuoka 133 Gefangene (von 849) nach Kurume verlegt; das Lager Kumamoto und das zu Kurume gehörige Teil-Lager Koraday waren hingegen im Juni aufgelöst worden.

2.  Ein Beispiel für die mannigfachen »Standesgrenzen«, die sich zum Teil auch in Gefangenschaft reproduzierten.

3.  »Berühmtester« Geher war Hauptmann Sodan (Anekdote).

4.  Es waren genau 167 Mann, von denen die Hälfte nach Bando kam.

5.  Eduard Bier war Leutnant und scheint sich als einziger Offizier aktiv an einem Turnwettbewerb beteiligt zu haben.

6.  Zu den Könnern gehörten insbesondere Franz Rapior und Georg Freiherr von Hertling.
 

©  Hans-Joachim Schmidt (für diese Fassung)
Zuletzt geändert am .