Tsingtau und Japan 1914 bis 1920
Historisch-biographisches Projekt


Sammelstelle Kurumer Reservisten Adressen

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Bericht der »Sammelstelle Kurumer Reservisten Adressen«  


I. Vorbemerkung

Die Sammelstelle war zu dem Zweck gegründet worden, die persönlichen Beziehungen unter den »Kurumisten« nach der Entlassung aufrechtzuerhalten, und zwar durch Aufbau eines Berichtswesens. Wie aus dem folgenden Berichtstext hervorgeht, waren die Ziele sehr hoch, vielleicht zu hoch gesteckt. Viele der soeben in die Heimat zurückgekehrten Mitglieder fanden nicht die Zeit, die Selbstverpflichtung zum Schreiben eines persönlichen, vervielfältigungsfähigen Berichts zu erfüllen.

Ob es gelungen ist, die Sammelstelle aus den »traurigen Anfängen« herauszuführen, ist nicht bekannt; der hier wiedergegebene Text ist der bislang einzig bekannte. Auch die Identität des/der Verfasser(s) ist unklar, als Herkunfts- bzw. Versandort ist Hamburg angegeben.

Der Original-Bericht umfasst 6 maschinengeschriebene DIN-A-4-Seiten und stammt aus dem Nachlass von Ernst Kluge. An zwei Stellen fehlen kleine unwesentliche Textpassagen. Der Redakteur hat Schreibfehler im Original korrigiert, Abkürzungen aufgelöst und Anmerkungen in [...] oder als Fußnoten hinzugesetzt.


 

II. Berichtstext
 

BerichtHamburg, Januar 1921

Liebe Sakuramitglieder,

Die Mehrzahl von Ihnen soll nach verschiedenen mündlichen Berichten über die Saumseligkeit der Sammelstelle äusserst empört sein! Bei Nachforschung stellte sich stets heraus, dass diese Herren überhaupt noch keinerlei Bericht eingesandt, ja teilweise sich nicht einmal der Mühe unterzogen hatten, Adressen-Veränderungen mitzuteilen. Die Gleichgültigkeit dieser Herren hat aber leider mit einigen wenigen Ausnahmen sämtliche Mitglieder ergriffen, denn von ungefähr 110 in Kurume angemeldeten Teilnehmern hatten bis zum 1. Juli 1920, dem ersten Ablieferungstermin, nur 5, in Worten FUENF, geschrieben und bis zum 31. Dezember 1920
   27 in Deutschland ansässige Mitglieder und
     9 Ostasiaten.
Von den Ostasiaten haben Herr Semmelhack und Herr Gadow 2 Berichte übersandt, wie überhaupt unsere Ausländer bisher die rührigsten Mitglieder sind.

Dass unter solchen Umständen die Sammelstelle wenig Lust verspürt, das wenige Material in Form eines Berichtes herauszugeben, ist wohl verständlich, denn hinzu kommt, dass die meisten Berichte mit dem Verlassen des Lagers anfangen und mit der Ankunft in der Heimat schliessen. Allerdings ist dieses ja auch das Haupterlebnis in der kurzen Zeit bis zur Einlieferung des ersten Berichtes gewesen, und unser Fehler war es, dass wir den Termin zu früh gesetzt hatten. Aber die Herren, die nach dem 1. Juli 1920 geschrieben haben, hätten ihre Berichte doch schon etwas inhaltsreicher gestalten können und nicht eine Angabe über ihre Stellung, den Wunsch, baldmöglichst eine Stellung im Auslande zu erhalten, als Erledigung ihrer Pflicht, einen Bericht einzusenden, auffassen sollen.

Es ist doch wohl anzunehmen, dass jetzt, in erster Zeit, das Interesse für das Bestehen unseres Bundes noch das grösste ist; wenn nun aber trotzdem nur ein Viertel aller Mitglieder schreibt, dann können Sie sich wohl allein ausmalen, wie die nächste Berichts-Einlieferung ausfallen wird.

Sie müssen außerdem berücksichtigen, dass die Druckkosten, Porti etc. für die Herausgabe eines Berichtes an sämtliche Mitglieder sich auf ungefähr 700 bis 800 Mark stellen, eine Ausgabe, für welche jeder Einzelne von Ihnen nicht nur eine Aufzählung der Adressenveränderungen, sich stets wiederholende Berichte über die Reise von Japan nach Deutschland und die wiederholten Wünsche über baldige Rückkehr nach China, Japan usw. lesen will.

Also entweder bemüht sich jedes einzelne Mitglied, einen Bericht einzusenden, der für alle Sakurabündler auch Interesse hat, oder wir geben die Sache überhaupt auf. Die Sammelstelle will alles tun, um den Bund lebensfähig zu erhalten, und Sie alle werden es sicher mit Freuden begrüssen, dass Herr Dr. Arthur Bieber zusammen mit Herrn M. Bauer die Organisation übernommen hat, eine Namenszusammenstellung, die Ihnen im Herbst 1918 den Beweis erbracht hat, dass sie was leisten kann, wenn sie die nötige Unterstützung findet.1 Wir hoffen, dass obiger Hinweis auf die Pflichten eines jeden Mitgliedes dazu helfen wird, unseren Sakurabund aus den traurigen Anfängen zu lebensfähiger Entwickelung zu bringen.

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Es sind bis Anfang Dezember 1920 39 Berichte eingegangen, kurze und lange; die meisten, wie schon oben erwähnt, mit der Entlassung anfangend, Einzelheiten über die Reise in Japan, China, nach Hause usw. gebend. Der Inhalt ist teils so ins Kleinste gehend, dass es ermüdend wirken würde, alle Berichte vollständig wiederzugeben. Wir geben zum Teil nur Auszüge wieder, von welchen wir annehmen, dass sie für alle Mitglieder von Interesse sind. Falls irgend einer von Ihnen den erwähnten Bericht vollständig zu erhalten wünscht, so bitten wir uns darum zu schreiben! Den Familiennachrichten und Adressenveränderungen sind eine besondere Spalte gewidmet.

Wir schlagen vor, dass erst im Juli 1921 der zweite Bericht herausgegeben wird.

Kassenabrechnung kann erst nach Fertigstellung dieses Berichtes erfolgen. Schätzungsweise bleibt ein Guthaben von 200 Mark. Für 1921 bitten wir an die Adresse von Herrn M. Bauer 10 Mark einzusenden; falls dieser Betrag bis zum 30. Juni 1921 nicht eingeht, nehmen wir an, dass das betreffende Mitglied kein Interesse mehr am Sakurabund hat, und wir werden ihn als Mitglied streichen.

Als neue Mitglieder sind nachzutragen:
  Paul Hirschberger, Tokyo, genauere Adresse fehlt
  O. Nickel, Magdeburg, Moritzstrasse 4
  R. Schlieter, Weichselburg

Die Hamburger Mitglieder haben am 22. Januar 1921 eine Bierkneipe mit einer Prohe von richtigem Sakura-Bier und Alhambra-Zigarren abgehalten. Die Freunde in Ostasien sandten durch Herrn Gardo [= Gadow?] eine Kiste Sakura-Bier und 2 Kisten Alhambra, für die wir den Spendern unseren herzlichsten Dank ansprechen. Von dieser Zusammenkunft wurden unseren Ostasiaten Grüsse aller Beteiligten gesandt.

Für Herrn Berndes lagert noch eine Kiste Zigarren bei Herrn M. Bauer. Leider ist die Adresse unbekannt und wir bitten, uns, wenn möglich, aufzugeben, wo dieser Herr sich aufhält.

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Hiernach die einzelnen eingegangenen Berichte in alphabetischer Reihenfolge.

I. Aus Deutschland

M. Bauer ist in die Fabrik seines Vaters eingetreten und macht in »chirurgischen Instrumenten«. »Während des Krieges war der Hauptabnehmer das deutsche Heer, nach dem Zusammenbruch wurden aber die riesigen Heeresbestände auf den Markt geschleudert, sodass das Inlandsgeschäft fast gänzlich zum Stillstande kam. Durch das Auslandsgeschäft hiess es einen Ausgleich zu schaffen; es gelang ja auch, aber es wäre noch besser gegangen, wenn die vielen, vielen Erschwerungen durch die Aussenhandelskontrolle und viele andere schöne staatliche Einrichtungen nicht wären. Viele von Ihnen haben ja am eigenen Leibe erfahren, wie sicher und langsam diese Maschinen arbeiten, ja einige von Ihnen sollen ja sogar, einem Ondit zufolge (schriftliche Berichte dieser Herren liegen wegen Überarheitung nicht vor), kräftig mitarbeiten.«

Dr. A. Bieber ist Chemiker bei Dr. Schlink, arbeitet in der Nahrungsmittelbranche und hofft im Laufe 1921 trotz des Niederbruches in Tsingtau wieder im Sattel zu sitzen.

Wilhelm Werner von Bobers schreibt unter anderem: »Es ist merkwürdig, ich habe keine Reise von Celle aus unternommen, ohne dass ich auch jedes Mal auf alte Kurumer Bekannte gestossen bin, wenn ja auch mancher nicht zur Sakura gehörte. Ich habe mich gründlich mit der Landwirtschaft abgegeben, indem ich unseren kleinen Garten in Ordnung brachte und ihn in Stand zu halten versuchte, das ist in der Westceller Sandbüchse keine Kleinigkeit. Mit grossem Geschick fing ich Maulwürfe, deren kostbares Rauchwerk ich mit annehmbarem Vorteil verkloppte, zog junge Küken und legte einen Bienenzaun an. Während der Wahlen2 habe ich mich sehr rege betätigt, hielt stundenlange Sermone und bekämpfte die Sozialisten, Kommunisten und Spartakisten. Dabei habe ich erstaunlich nette Menschen kennen gelernt. Da an eine Erfüllung meines alten Wunsches, mich irgendwo anzukaufen und Landwirt zu werden, infolge der ungünstigen Konjunktur nicht zu denken war, griff ich zu, als sich mir eine Gelegenheit in Mecklenburg in Boizenburg bot; ich betätige mich jetzt in einer Fabrik.«

Erich Fischer schreibt aus Baiersoien, Post Saulgrub: »... Für manchen von Euch wird es von Interesse sein, dass ich meinen alten Beruf an den Nagel hängte und mich auf dem Fischgute meines Onkels befinde, um Teichwirt zu werden... Ich hoffe, dass jeder von Euch das im lieben Vaterlande gefunden hat, was er sich in manch stiller Gefangenen-Stunde - wie selten waren diese Stunden - gewünscht und erträumt hat.«

Kurt Hallier: »... Also wer nicht gerade Verlobung, Hochzeit und Kindtaufe zu verkünden hat, wer nicht eine Millionenerbschaft zu melden oder von erfolgreichen Schiebungen zu berichten hat – den, der das berichtet, siehe ich mir an –, wer sich nicht über alkoholische Zustände auslassen will – den sehe ich mir bei dem Bier auch an –, der wird sich auf die Tatsache beschränken, dass es ihm erfreulich leidlich geht. Heil der Sakura.«

Kurt Hamann gibt seine neue Adresse bekannt.

Jonnie Helmers sandte die Kopie seines Briefes an Krabbel vom 1.7.1920. »... Meine Versuche, in leichtlebigen Kreisen den Gent-Lehmann der dritten Schule darzustellen, musste ich als verfehltes Unternehmen schleunigst wieder aufgeben. Irgendwie hat man immer noch das Gefühl, als ob man in diese Schieberkreise nicht hineinpasst, und es sollte mich freuen, wenn dieses Gefühl bei den meisten von uns noch recht lange vorhält. Hamburg ist die schönste Stadt, fällt aber auf die Nerven, wenn die Einahmen mit den Ausgaben nicht in Einklang zu bringen sind. Mein Tatendrang liess mich nur bis zum 1.6.20 bei der Reichsabrechnungsstelle Gm.b.H.; ich folgte den Sirenenklängen der Norddeutschen Versicherungs-Gesellschaft, einer alten Bekannten. Ich kokettierte mit dem Gedanken, dass ich mal wieder auf der untersten Sprosse der sozialen Leiter sitze...« (Anmerkung der Redaktion: Inzwischen hat Jonnie verschiedene Sprossen dort einfach übersprungen und sitzt, soweit wir es beurteilen können, auf der zweitobersten, direkt unter der Direktion.)

Hajo Iben aus Jever-Rahrdum: »... Seit Mitte Mai habe ich mich bei meinen Eltern mit landwirtschaftlichen Arbeiten beschäftigt, selbst 14 Tage Torfgraben im Marsands Moor waren meiner Gesundheit sehr zweckdienlich. Bis Ende August bleibe ich noch hier, um dann an das Polytechnikum nach Arnstadt zu gehen, dortselbst einige Semester Maschinenbau und Elektrotechnik zur Ablegung der Ingenieur-Prüfung in beiden Fächern zu studieren; wenn irgend möglich werde ich dann wieder nach China zurückkehren.«

Fritz Jaehnert, jetzt Direktor in Essen: Die letzten Grüsse datieren vom 29.11.1920. Gastspiel Matter Kiessling in Essen, Muni, Muni plenty arimas.3 Unterschriften von Berkar [?] und Kiessling.

Eugen Kiesslich schreibt unterm 29.6.1920: »Ich möchte berichte, dass ich bald wieder in China eine angenehme Stellung bekommen werde und dann mich wieder so schnell als möglich nach Ostasien verfügen werde. In demselben Laden, wo ich jetzt beschäftigt bin, befindet sich auch Kreike, Fitje Ortlepp, Rosatzin, mit anderen Worten: alles Adjudanten vom Präsidenten Ebert.4 Kreike ist sogar in Berlin bei Hof und Fitje soll auch schon hingerufen worden sein. Getroffen habe ich noch Nack, Kolpin, Theo Ortlepp, letzterer war allerdings [so] stark beschäftigt, dass er mich und Kreike in Kassel sitzen ließ. Wegen vieler schöner Augen war nicht festzustellen. Der dicke Semmel [= Semmelhack?], Wiese, Brändlein und Hirschberger haben vergnügte Lebenszeichen von sich gegeben und haben immer noch keine Ahnung, wie schwarz und teuer das Brot hier in dem schönen neuen Deutschland ist.« (Wiese ist inzwischen in Deutschland angekommen, nachdem seine Firma pleite gemacht hat. Er war auf dem Hamburger Sakura-Abend. Adresse leider noch nicht bekannt.)

Ernst Kluge: »... Berlin wimmelt scheinbar von Kurumern, es vergeht keine Woche, in der ich nicht bekannte Gesichter sehe. Unter anderem sah ich Eckert, Jacoby, Iwan den Schrecklichen [?], Florian, Grabow, Limmer, Prahl, Schierwagen und den Putzer von A.B.C.D.E.F. Kreike.5 Ich selbst bin seit Anfang April bei Mendelssohn & Co.6 in Stellung und arbeite wie ein Pferd.«

Otto Kolpin: »... zum Beispiel habe ich das gesunde, liebe, deutsche, treue Gretchen, nach dem ich mich nach der langen Wartezeit so gesehnt hatte, noch nicht finden können. Ich freue mich deshalb, meinen Leidengenossen, die jetzt noch im Auslande sitzen, mitteilen zu können, dass ich ihre Kampfreihe im Spätherbst durch meine Person zu verstärken gedenke. Wenn nichts dazwischen kommt, werde ich Ende dieses Jahres in Yokohama auftauchen bei meiner alten Firma China Im- & Ex.Po.Po. [?] Für eingehende Post sage ich allen, die es angeht, schon jetzt meinen herzliohsten Dank.«
[Verstümmelter Satz der Berichtsverfasser:] (... Abschiedstrunk, den sie zusammen mehmen wollten. Ist vielleicht doch das gesunde deutsche Gretchen dazwischen gekommen?)

G. Konopacki beschreibt die Abstimmung in Flensburg7 und fährt fort: »Ja, Flensburg war eine deutsche Stadt und wollte es bleiben, das sahen zu ihrem größten Erstaunen auch die dänischen Abstimmler, die man von Kopenhagen per Dampfer herübergebracht hatte unter der Vorspiegelung, sie würden in Flensburg begeistert als Retter der Stadt empfangen werden. Am Abstimmungstage herrschte eine Begeisterung, deren ich die Flensburger Bevölkerung nicht für fähig gehalten hätte. Grosse Menschenmassen durchzogen, das Schleswig-Holstein-Lied singend, die Strassen, und der Jubel erreichte seinen Höhepunkt, als nachts um drei Uhr das so überaus günstige Resultat bekannt wurde. Die Firma Diedrichsen beabsichtigt vorläufig nicht wieder, ihr China-Geschäft zu eröffnen, so dass für mich eine Betätigung für dieselbe nicht in Frage kommt. Da ich Aussicht habe, eine aussergewöhnlich gute Stellung in Hamburg zu bekommen, so werde ich wohl in Deutschland bleiben.«

F. Luyken gibt seine Adresse bekannt.

W. Marr ist inzwischen in Hamburg eingetroffen und junger Mann bei A. Wulff. Sein Brief vom 28.3. aus Yokohama ist dadurch überholt.

C. von Michalkowski teilt mit, dass er mit den Herren Lues und Woyrsch die Firma Emil Lues, Hamburg übernommen hat. Die Firma heisst jetzt Lues & Co. G.m.b.H.

O. Nickel sandte sein Pkoto ein. »Mir ist es riesig schwer gefallen, in Magdeburg zu bleiben, aber jetzt ist nichts zu ändern; meine Prüfung zur Magistratssekretär-Laufbahn habe ich bestanden und werde wahrscheinlich im Juli einberufen.« Nickel grüsst alle Bekannten.

Theo Ortlepp, Oberleutnant beim Zeugamt in Ulm: »... Ich habe meinen Wirkungskreis hier in Ulm, um Ulm, um Ulm herum aufgeschlagen, und es geht mir alleweil immer noch gut.«

Felix Raydt: »... Um endlich wieder in eine geregelte Tätigkeit hinein zu kommen, die wenigstens auf kaufmännischem Gebiete liegt, habe ich mich entschlossen, erst mal den ungewissen Aussichten nach dem fernen Osten zu entsagen und bin in der Firma meines Vetters Th. Raydt, Große Bleichen 16, eingetreten und arbeite in der neu gegründeten Exportabteilung, so gut es nach den langen Jahren des Stillstandes und bei der Neuheit des Gegenstandes gehen mag. Mehr kann ich über die kurze Zeit meines Hierseins nicht berichten.«

Rud. Richter ist bei seinem alten Herrn, Firma Winkelmann & Richter, eingetreten. Einen beträchtlichen Teil der Zeit, die seit unserer Ankunft verstrichen ist, war er zu seiner Erholung verreist.

Friedrich W. Schmidt schreibt: »... Infolge der wirtschaftlichen Krise, die sich ja bekanntlich inzwischen über die ganze Welt ausgebreitet hat, habe ich bisher wenig Positives erreichen können. Wann ich wieder nach Ostasien zurückgehe, lässt sich heute noch gar nicht übersehen. Vorläufig rechne ich jedenfalls mit einem weiteren Aufenthalt von etwa 4 Monaten in Deutschland.«

H. Schulze: »... Durch den Sakura-Stammtisch bei Deske [?] sind wir über das Schicksal der Glücklichen, die drüben bleiben durften, hinreichend orientiert; na Herrschaften, hoffentlich kommen bald bessere Tage für Euch. Achtung Stockballspieler! Meldet Euch beim Hamburger Sport-Verein, Geschäftsstelle Große Theaterstrasse, Herrn W. Seidel, Telefon Alster 6305. Das letzte Spiel gegen Harvestehude II haben wir (Poesel [?] und ich spielten mit) 4:2 gewonnen. Vielleicht nicht schlecht. Also auf Wiedersehen.«

Otto Stegemann: »... Ich wohne hier bei meinen Eltern. Ich habe beschlossen, den ganzen Sommer noch meiner Erholung und der allmählichen Wiedereinarbeitung in mein Studium zu widmen. Die Gelegenheit hier ist dazu besonders günstig. Im April habe ich in Berlin im Volksbund zum Schutze der deutschen .......... [Textverlust!8] Japan eingereicht. Ich bitte Kameraden, die dazu noch Stoff beitragen können, diesen ebenfalls nach dort, Berlin SW 68, Lindenstr. 65 zu übersenden. Hier in Lauenau habe ich kürzlich eine Ortsgruppe der Wiedervereinigung9 ehemaliger Kriegsgefangener gegründet, die einschließlich der umliegenden Dörfer schon gegen 50 Mitglieder zählt. Im Winter werde ich wahrscheinlich nach Berlin gehen.«

Karl Tidemann teilt lediglich die neue Adresse mit, R. Tiemann ebenfalls.

Karl Wiese schrieb verschiedene Male aus Kobe, ist ja, wie bereits erwähnt, hier in Deutschland eingetroffen.

Wilhelm Ziesel: »... Die Verhältnisse im Rheinland, meiner Heimat, sind allerdings niederschmetternd. Die Fremden spielen sich ganz und gar als die Herren auf, und leider Gottes fehlt es vielen Deutschen an der gebotenen Zurückhaltung. Meine schöne alte Vaterstadt hat leider ein gänzlich verändertes Bild bekommen und ist die Hochburg der Schieber geworden. Anschliessend an meinen Aufenthalt am Rhein bin ich nach Berlin übergesiedelt und habe dort meine frühere Tätigkeit bei Siemens Schuckert wieder aufgenommen. Es wird sich wohl in nicht allzu langer Zeit für mich die Gelegenheit finden, für Siemens nach China auszureisen, dieses ist wenigstens mein Hauptziel.«

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[II. Ostasien]

Und nun zu [den] Ostasiaten. Wir stehen unter dem Eindruck, dass besonders die Verbindung mit den dort Gebliebenen unbedingt aufrecht zu erhalten ist; aus den vorliegenden Briefen geht hervor, dass sämtliche Kurumisten sich nach Briefen sehnen, denn die Verhältnisse sind recht niederdrückend.
Wir nehmen an, dass doch mit einzelnen der Ostasiaten eine regelmässige persönliche Korrespondenz eingehalten wird.

Die jetzt im Januar weit zurück liegenden Briefe an den Sakura-Verband zu veröffentlichen, hat wenig Wert. Der letzte längere Bericht, der vorliegt, ist von Gadow aus Schanghai. Unter anderem machte Gadow uns Mitteilung von dem traurigen Tode unseres lieben Karl Rappenecker, der beim Baden ertrunken ist.

In den letzten Monaten sind verschiedene wieder nach dem Osten hinaus:
  Dr. Will mit Familie nach Tientsin,
  O. Kolpin nach Yokohama,
  Hager nach Schanghai,
  Krabbel nach Schanghai.

Die Berichte, die vorliegen und die wir Interessenten zur Verfügung stellen, sind die folgenden:
  C. Alinge,
  Karl Bormann,
  H. H. Eggersh,
  C. Gadow,
  Gustav Hake,
  H. R. Manitz,
  F. Semmelhack.
W. Uhlenhuth aus Medan mit einer Photographie (natürlich ohne Hemd) beim Angeln. Der Brief gibt Aufschluss über die teuren Lebensverhältnisse. Wer nach Holländisch-Indien gehen will, fordere diesen Brief ein.
J. Voskamp schreibt einen sehr langen Brief aus Tsingtau an Jähnert, der zur Verfugung steht.

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Ihre Verlobung zeigten an:
  Walter Hollender mit Frl. Anne Liese Sternberg
  Robert Schlieter mit Frl. Ella Eschner
  Hans Kolster mit Frl. Emmy Kroll
  Hajo Iben mit Frl. Frieda Rienitz
  Gottlieb Bussiek mit Frl. Else Schumann

Ihre Vermählung zeigten an:
  M. Bauer mit Frau Anne geb. Lorenz
  Karl Heims mit Frau Johanne geb. Dettmer
  Friedrich Ortlepp mit Frau Elli geb. Friedewinkel [= Freisewinkel]

Die Adressenveränderungen sind die folgenden:
K. Alinge, Tientsin, Sino-Americo Trading Corporation
W. von Bobers, Boizenburg a/Elbe, An der Quobbe 9
A. Bührer, Batavia, in Firma van Aarchen & Co.
J. Busch, Rabensteinfeld bei Schwerin, i/M. bei Frau Helene Lange, Häuslerei 6
H.H. Eggersh, Canton, in Firma Jebsen & Co.,
Erich Fischer, Bayersoien, Post Saulgrub b/Curman
C. Gadow, Schanghai, Avenue Eduard VII 113
R. Hager, Schanghai, China Export Import & Banking Corp
G. Hake, Sumatra, Saembah Maatschappy, Deli
K. Hallier, Hamburg, Blumenstrasse 27
K. Hamann, Berlin SW 68, Bitterstrasse 65
K. Heims, Osnabrück, Schlosstrasse 48
Paul Hirschberger, Tokyo
Fr. Jaehnert, Essen a/Ruhr, Kaiserstrasse 74
E. Kiesslich, Frankfurt a/M., Beethovenstrasse 45 bei Dr. Behringer
O. Kolpin, Yokohama, Shima Import Export & Banking Corp.
F. Luyken, Stassfurt, Staatl. Berginspektion
C. von Michalkowski, Hamburg 8, Lues & Co GmbH, Grosser-Belchen-Str. 15/17
O. Nickel, Magdeburg N, Moritzstrasse 4
Th. Ortlepp, Ulm/Donau, Ensingerstrasse 32 part.
F. Raydt, Hamburg, Fährstrasse 36
R. Schlieter, Weichselburg
F. W. Schmidt, Köln a/Rh., Lindenthal, Theresienstrasse 77
Fr. Semmelhack, Tokyo, Mitsubishi Shoji Kaisha
K. Tiedemann, Hamburg, Dillstrasse 13 part. bei G. Struckmeyer
R. Tiemann, Gross Hansdorf bei Hamburg, Waldreiterweg 42
Dr. E. Will, Tientsin, Woodrow-Wilson-Street 46
W. Ziesel, Berlin W, Eschenallee 22
 

Anmerkungen

1.  Die Berichtsverfasser beziehen sich offensichtlich auf die Organisation der großen Ausstellung in Kurume, bei der Bieber und Bauer sehr aktiv waren.

2.  Die Reichstagswahlen vom 06.06.1920 endeten mit einer schweren Niederlage der Weimarer Koalition (SPD und Liberale). Im Wahlkreis 17, zu dem Celle gehörte, siegte die Deutsch-Hannoversche Partei (DHP); ob Bobers ihr angehörte, ist nicht bekannt.

3.  Die Bedeutung ist unklar.

4.  Vermutlich will Kiesslich sagen, dass Kreike usw. Anhänger von Ebert bzw. der SPD waren.

5.  Unter »Putzer« wird ein persönlicher Diener (bei Offizieren: Bursche) verstanden; vermutlich hatte Kreike – das »A.B.C.D.E.F.« soll ihn offenbar karikieren – einen Putzer in der Gefangenschaft, so wie andere wohlhabendere Gefangene auch.

6.  Eines der größten deutschen Privatbankhäuser jener Zeit; 1938 arisiert bzw. abgewickelt unter Federführung von H.-J. Abs (Deutsche Bank).

7.  Bei der Abstimmung am 14.03.1920 votierten 75 % der Stimmberechtigten für Deutschland.

8.  Vermutlich ist der »Volksbund zum Schutze der deutschen Kriegs- und Zivilgefangenen« gemeint, über dessen Gründung auch im Heft April 1919 der Lagerzeitschrift »Die Baracke« in Bando berichtet worden war.

9.  Lies: »Reichsvereinigung«; sie wurde ebenfalls 1919 gegründet.
 

©  Hans-Joachim Schmidt
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